OLG Zweibrücken: Poliscan ist/bleibt standardisiert, oder: Teufelskreis bzw: Bock zum Gärtner machen?

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Urheber Jacquelinekato

Ich hatte im Dezember über den AG Mannheim, Beschl. v. 29.11.2016 – 21 OWi 509 Js 35740/15 – berichtet (vgl. Mal wieder Poliscan Speed, oder: Verstoß gegen Bauartzulassung = keine Verurteilung/Einstellung und „AG Mannheim und das Ende des standardisierten Messverfahrens?“). In dieselbe Richtung ging der AG Hoyerswerda, Beschl. v. 15.12.2016 – 8 OWi 630 Js 5977/16  (vgl. AG Hoyerswerda wie das AG Mannheim, oder: PoliscanSpeed wegen Verstoß gegen Bauartzulassung unverwertbar). Zu der Problematik gibt es jetzt – soweit ich das sehe – den ersten  OLG-Beschl., nämlich den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 27.01.2017 – 1 OWi 1 Ss Bs 53/16.

Das OLG sagt – wenn überrascht es noch? : PoliscanSpeed ist standardisiert und bleibt standardisiert. Die Bedenken des AG Mannheim interessieren uns nicht:

„Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät PoliScanspeed um die Anwendung eines standardisierten Messverfahrens handelt. Der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 29. November 2016 (21 OWi 509 Js 3740/15) hat deren nichts geändert. Der die Entscheidung tragende Feststellung, wonach das Geschwindigkeitsmessgerät der innerstaatlichen Bauartzulassung in wesentlichen Teilen nicht entspricht, kann nicht gefolgt werden (vgl. unveränderte Gültigkeit der Bauartzulassung zur Eichung des Laserscanner-Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes Scanspeed der Fa. VITRONIC Stand: 16. Dezember 2016 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin, DOl: 10.7795/520161209A; Antworten auf häufige Fragen zum Laserscanner-Geschwindigkeitsüberwachungsgerät PoliScanspeed der Fa. VITRONIC. Stand 12.Januar 2017 / Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin, DOI: 10.7795/520.20161209B). Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie über die polizeiliche Geschwindigkeitsüberwachung im Rundscheiben des Ministeriums des Inneren und für Sport vom 1. Februar 2003 (344/20 250), veröffentlicht im Ministerialblatt der Landesregierung von Rheinland – Pfalz Jahrgang 2003, S. 190 ff. unter Ziffer 5.1 zwar die Nennung der bei der Messung eingesetzten Beamten im Messprotokoll, nicht aber deren Unterschriften unter dem Protokoll verlangt. Die Kostenentscheidung war nicht zu überprüfen, weil die Rechtsbeschwerde erfolglos geblieben ist und eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung – jedenfalls nicht fristgemäß – eingelegt worden ist.“

Eine in meinen Augen bemerkenswerte Entscheidung: Nicht wegen ihrer Aussage, die war im Hinblick auf die Rechtsprechung der OLG, die auch PoliscanSpeed mit Zähnen und Klauen verteidigen, zu erwarten. Aber das macht dann der Einzelrichter in einem Zusatz. Und, was ich besonders „bemerkenswert“ finde: Gegen die Einwände der AG gegen PoliscanSpeed und die PTB führt man eine Stellungnahme der PTB an. Toll, wenn man sich so verteidigen darf.Und das Ergebnis liegt dann auf der Hand.

Dazu fällt mir einiges ein: „Teufelskreis“ auch hier oder „Hamsterrad“, in dem sich der Verteidiger und der Betroffene rennen, „Hase und Igel“ und auch die Geschichte von dem Bock, der zum Gärtner gemacht wird. Warum versucht man es nicht mal mit einem neutralen Sachverständigen und lässt eben nicht diejenigen, die „angriffen“ werden, das Messverfahren erneut „heilig sprechen“.

Dem Kollegen RA M. Zipper, Schwetzingen, herzlichen Dank für diese schöne 🙂 Entscheidung.

7 Gedanken zu „OLG Zweibrücken: Poliscan ist/bleibt standardisiert, oder: Teufelskreis bzw: Bock zum Gärtner machen?

  1. Briag

    Die PTB erteilt in Kenntnis der Funktionsweise des Gerätes die Bauartzulassung. Ein Privatsachverständiger, der sein Geld damit verdient, zu behaupten, das Gerät sei nicht in Ordnung, behauptet, das Gerät verstoße gegen die Bauartzulassung, weil es anders funktioniere, als die PTB das zu Grunde gelegt habe. Eine Richterin am AG Mannheim greift diese Argumente in einem (zufällig mit keinem Rechtsmittel angreifbaren) Beschluss auf. Die PTB veröffentlicht daraufhin eine Stellungnahme, in der sie erklärt, das Gerät funktioniere genau so, wie sie es zu Grunde gelegt habe, die von dem Privatsachverständigen behaupteten Abweichungen beruhten in Wirklichkeit auf falscher Auslegung des Zulassungsdokuments durch diesen.

    Wer, außer der PTB, sollte denn eine solche Stellungnahme abgeben? Was genau sollte ein weitere Sachverständiger ausführen, was nicht die PTB und der Privatsachverständige, auf den sie Bezug nimmt, noch nicht ausgeführt hätten? Wie genau sollte der Beweisbeschluss formuliert sein, ohne, dass der Sachverständige im Ergebnis zu Rechtsfragen (= Auslegung der Bauartzulassung) Stellung nehmen müsste?

    Bei den Fragen der Akteneinsicht stimme ich Ihnen voll zu: Wenn ich Messdaten erst auf konkreten Vortrag herausgegen will, gleichzeitig der konkrete Vortrag aber nur mit den Messdaten möglich ist, liegt sicher ein Teufelskreis vor. Aber wo ist er hier?

  2. Detlef Burhoff Beitragsautor

    Man kann doch nicht, die Einwände, die gegen das Messverfahren und die PTB erhoben werden, damit erledigen, dass man sich auf die Stellungnahme desjenigen bezieht, der angegriffen wird. M.E. ein Unding.

  3. Briag

    Soweit ich das bislang verstanden habe bestehen die Einwände doch insbesondere in dem Vorwurf, die PTB habe bestimmte „Abweichungen“ bei der Messwertbildung (Entfernung zum Messgerät) nicht berücksichtigt. Ich finde, da liegt es doch schon nahe, die PTB zu fragen, ob der Vorwurf zutrifft oder ob dies bereits in die Bauartzulassung eingegangen ist.

  4. WPR_bei_WBS

    @ Briag

    Ich persönlich habe ja jetzt kein Problem damit, auch (!) bei der PTB nachzufragen. Aber dann muss man sich als Richter meiner Laienmeinung nach im Zuge der Würdigung auch mit den jeweiligen Argumenten auseinandersetzen. Aber nicht einfach „die PTB sagt, dann ist das so. Amen.“ als Begründung hernehmen. Wenn man zu einer eigenständigen Bewertung der jeweiligen Gutachten nicht in der Lage ist und/oder die Objektivität eines oder beider Gutachten anzweifelt, dass muss man sich im Zweifel halt noch einen dritten Gutachter holen, der die beiden anderen Gutachten begutachtet.

  5. RA Wolfgang Sorge

    Die Entscheidung zeigt aber auch schön die Problematik eines Anwalts auf, der vor allem im Gebiet des Pfälzischen OLG tätig ist: das „Hamsterrad“ wie es Herr Burhoff nennt ist ein echtes Problem. Wie auch beim Fahrverbot: Pfälzisches OLG: 1 Jahr 8 Monate nach der Tat: Absehen. 1 Jahr und 6 Monate: keinesfalls absehen. Begründung: fehlt. Ist halt manches dem hilfesuchenden Mandanten nur schwer zu vermitteln…

  6. Briag

    @WBR
    Wenn es um technische Sachverhalte ginge, gäbe ich Ihnen Recht. Bei dieser Diskussion geht es aber um eine rein formale Frage, nämlich, ob PoliscanSpeed nach den Vorgaben der PTB zwingend nur in einem Bereich zwischen 20 und 50 Metern vor dem Messgerät Werte erfassen darf, oder ob das nur eine vereinfachende Beschreibung in der Bauartzulassung ist.

    Der Privatsachverständige sagt, die von der PTB formulierte Bauartzulassung sei so zu verstehen, dass Messwerte außerhalb des Bereichs nicht erhoben werden dürften. Die PTB widerspricht dem und erklärt, die Grenze von 50 – 20 Metern stehe nur in der vereinfachenden Verfahrensbeschreibung, sei aber nicht Voraussetzung, zumal ihr bekannt gewesen sei, dass das nur eine grobe Grenze war.

    Es geht also um die Auslegung dessen, was die PTB meinte, nicht darum, ob das Gerät tatsächlich falsch misst. Und die Auslegung von Bestimmungen obliegt nun mal nicht dem Sachverständigen, auch nicht einem zweiten oder einem dritten, sondern dem Gericht selbst. Und wenn es Zweifel daran hat, wie ein bestimmter Satz gemeint ist, hat es in diesem Fall eben den Vorteil, dass es den Verfasser des Satzes einfach fragen kann.

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