An sich gibt es Samstags ja immer nur zwei Beiträge, aber nachdem ich heute dann gerade zum zweiten Mal auf „Panne in Köln Tausende Autofahrer zu Unrecht geblitzt“ bei Spon hingewiesen worden bin, mache ich heute mal eine Ausnahme.
Es geht um eine „Knöllchen-Panne in Köln: Auf der Autobahn 3 fehlte an einer Baustelle ein Hinweisschild zur Geschwindigkeitsbegrenzung. Viele Autofahrer wurden zu Unrecht geblitzt. Geld zurück soll es allerdings trotzdem nicht geben.„
Undr: „Zwar teilte die Stadt mit, dass ihr Ordnungsamt die etwa 35.000 laufenden Verfahren zu den Geschwindigkeitsverstößen an der betroffenen Blitzanlage einstellt, doch bereits entrichtete Bußgelder will Köln nicht rückerstatten. Gezahlte Verfahren seien rechtswirksam und abgeschlossen, teilte die Stadt Köln mit. Eine Wiederaufnahme sei nur unter besonderen Voraussetzungen möglich, zum Beispiel wenn das Bußgeld 250 Euro übersteige.“
Das ist richtig, § 85 OWiG – also Wiederaufnahme – geht nicht bei Verfahren, in denen lediglich eine Geldbuße bis zu 250 € festgesetzt worden ist. Und dazu heißt es:
„Nach erster Übersicht kämen danach theoretisch nur deutlich unter 0,5 Prozent der Fälle überhaupt in Betracht, ein solches Verfahren anstrengen zu können“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. Auch angesichts des „außerordentlich hohen Verwaltungsaufwandes“ sei eine Rückzahlung nicht vorgesehen. Ein Sprecher der Bezirksregierung hielt die Entscheidung für korrekt und verwies auf das Ordnungswidrigkeitengesetz, das nur wenig Spielraum lasse.“
Ok, aber vielleicht im Wege der Kulanz 🙂 ? Das wäre doch mal was Frau Reker 🙂 , oder: Frau Reker übernehmen sie………….
…oder die Betroffenen haben „einen gut“… 🙂
Als Amtsträger „aus Kulanz“ ohne Rechtsgrundlage öffentliche Mittel an Empfänger auszahlen, die darauf keinen Anspruch haben …, da fallen mir doch gleich ein paar Vorschriften des Strafgesetzbuches ein …
Wäre ich jetzt nicht drauf gekommen 🙂
Jemandem vorzuspiegeln, es haben die Voraussetzungen für einen zahlungspflichtigen Verstoß vorgelegen und dabei zu dokumentieren, dass vor der Messung eine Überprüfung stattgefunden hat, was dann bei einem Betroffenen zu einem Irrtum führt, aufgrund dessen er dann eine Zahlung leistet, ist aber auch spaßig.
@VRiLG: Da würde ich mich dann doch gerne mittels konkreten Nennung der „paar Vorschriften des Strafgesetzbuches“, die dort einschlägig sein sollen, fortbilden lassen wollen… Mir fällt jedenfalls keine Vorschrift ein, die bei Rückzahlung von rechtswidrig erhobenen Bußgeldern eingreifen könnte (selbst wenn die Voraussetzungen eines Wiederaufnahmeverfahrens nach § 85 OWiG nicht vorliegen (Übrigens: In allen Fällen, in denen zwar eine Geldbuße unter 250 Euro, aber auch ein Fahrverbot verhängt wurde, liegen die Wiederaufnahmevoraussetzungen vor)).
Wie wäre es mit einer Abtretung und Klage wg. dem gesamten angetretenen Betrag?
Lassen das die Gesetze nicht zu?
@Justiz2017: Wie wäre es mit :“Wer die ihm durch Gesetz … eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen… mißbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ (§ 266 Abs. 1 StGB)
Na ja, der 2. Strafsenat wird dann sicher gerne die Frage diskutieren, wenn dazu ggf. ein Ratsbeschluss vorliegen würde 🙂 🙂
@VRiLG: Ja, so ist das bei den Prüflingen im Staatsexamen auch. Wenn einem nichts mehr einfällt, könnte man noch die Nahezu-Blankett-Norm des § 266 StGB ins Spiel bringen. Aber die Erstattung von zu Unrecht vereinnahmten Zahlungen, selbst wenn der Anspruch des Rückzahlungsgläubigers nicht durchsetzbar wäre, ist selbstverständlich schon keine Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht. Denn dass aus Gründen des Verfahrensrechts (Rechtskraft; Einschränkung der Wiederaufnahmemöglichkeit im OWi-Verfahren aus Praktikabilitätsgründen) eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen wird, bedeutet natürlich nicht, dass der Stadt Köln das vereinnahmte Geld materiell-rechtlich zusteht, so dass die Stadt Köln das Geld selbstverständlich erstatten könnte (und ggf. sogar müsste). Dass das Umstellen des Blitzers von 80 km/m auf 60 km/h ohne gleichzeitiges Aufstellen eines Temp-60-Schildes öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche auslöst (ggf. auch aus Amtshaftung), ist jedenfalls deutlich näher liegender als eine Untreuestrafbarkeit im Falle der Wiederherstellung der materiell zutreffenden Rechtslage durch Rückzahlung.
Warum auch sollte sich eine Staatsanwaltschaft finden, die gegen eine Oberbürgermeisterin ermittelt, die die materiell zutreffende Rechtslage wiederherstellt?
@Justiz 2017: Wie soll sich denn ein Rückzahlungsanspruch ergeben, wenn ein – falscher, aber bestandskräftiger, nicht restituierbarer – Bußgeldbescheid existiert!
Wer sowas als Zivilst macht, hört sich eine kosten- und/oder zeitaufwändige Ansprache eines ´ggf. Vorsitzenden Richters an, die die Merkmale Täuschung, Irrtumserregung, Vermögensverfügung,- vorteil und rechtswidrig enthält. Möglicherweise ist angesichts der Schadenhöhe eine längere Diskussion über eine Strafaussetzung zur Bewährung notwendig.
@VRiLG: Jetzt soll ich Ihnen auch noch das Schadensrecht erklären? Die Herbeiführung des bestandskräftigen Bußgeldbescheides IST der Schaden, nämlich die kausal herbeigeführte Folge des rechtswidrigen Diensthandelns (Umstellung des Blitzers ohne Bekanntmachung der entsprechenden Tempobeschränkung). Man nennt solche Konstellationen auch Haftungsschaden.
Aber damit soll es jetzt auch genug unseres Dialoges sein. Bei manchen Landgerichten helfen eben keine Argumente, sondern (allenfalls) nur die Revision.
@Justiz2017:
Bei denjenigen, die den Bußgeldbescheid gar nicht erst angefochten haben, wird es mit der Amtshaftung aber recht schwierig werden wegen § 839 Abs. 3 BGB, da kann man wohl allenfalls am Rädchen des fehlenden Verschuldens drehen (das erwartbare Gegenargument dann wohl : „Hätten Sie halt selbst aufgepasst, ob da ein Schild war“) , aber ob das wirklich hilft ?
Und ja, Auszahlung öffentlicher Mittel 1) ohne Rechtsgrundlage und 2) ohne dass dem Empfänger ein fälliger Zahlungsanspruch zusteht ist erst einmal pflichtwidrig (Stichwort: Haushaltsuntreue), auch wenn man dagegen die nicht gerade originelle oder gar differenzierte Keule „266unbestimmterNotnagelderJustiz“ herausholt. Da wird es auch mit einer Revision nicht einfach oder mit einem ebenso undifferenzierten: „Geht doch ganz klar“. Auch bei verfassungswidrigen Steuerbestimmungen gibt es nicht ohne Weiteres Geld zurück, falls kein Einspruch eingelegt wurde oder der Steuerbescheid unter VdN ergangen ist. Jedenfalls habe ich noch von keinem Finanzamtsvorsteher gehört, der nach einem BVerfG-Urteil reumütig wegen Anwendung verfassungswidriger Besteuerungsnormen Gelder zurücküberwiesen hat.
Mir will nicht ganz einleuchten, weshalb überhaupt alle 35.000 Verfahren „eingestellt werden müssen“ – die Betroffenen wurden vermeintlich im Geltungsbereich eines 60ger-Schildes gemessen, tatsächlich galt 80: Warum also sollte nicht in allen noch nicht abgeschlossenen Verfahren einfach von einer nunmehr zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h ausgegangen werden? Aus meiner Sicht ist man in Köln deutlich über das Ziel hinaus geschossen.
wie es euch beliebt……….
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