Ich hatte neulich über den OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.08.2016 – 3 Ws 591/16 – berichtet (vgl. hier: Aufhebung der vorläufigen Entziehung im Revisionsverfahren, gibts das? Ja, das gibt es…). In dem Posting hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass dem OLG wohl die Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages durch die Berufungskammer nicht gefallen hat und deshalb die Aufhebung des Berufungsurteils zu erwarten war. So ist es denn auch gekommen. Das OLG Karlsruhe hat im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 06.09.2016 – 3 (5) Ss 473/16 – aufgehoben und zurückverwiesen.
Das OLG sieht die Ablehnung des Hilfsbeweisantrages des Verteidigers, der sich auf den nicht mehr bestehenden Eignungsmangel des Angeklagten bezog, als rechtsfehlerhaft an. Das OLG attestiert dem LG zwar, dass es ausführlich und umfangreich dargelegt habe, dass und warum es die vom Angeklagten ausweislich der SV-Bestätigungen durchgeführten nahezu 180 Therapiestunden für nicht ausreichend hält, um davon auszugehen, dass der Angeklagte inzwischen wieder geeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist. Es wäre aber – so das OLG – angesichts der Dauer der Therapie und des Umstandes, dass es sich beim IVT¬Hö um eine gem. § 70 FeV akkreditierte Einrichtung zur Durchführung von „Kursen zur Wiederherstellung der Kraftfahreignung“ handelt, und unter weiterer Berücksichtigung der Tatsachen, dass zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils ein Zeitablauf von 14 Monaten eingetreten war und der Angeklagte zudem nach Herausgabe des Führerscheins am 23.1.2016 bis zur Berufungshauptverhandlung am 10.6.2016 beanstandungsfrei am Straßenverkehr teilgenommen hat, angezeigt gewesen, die Therapieerfolge durch Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu überprüfen.
Und: Dass die Strafkammer – trotz der unbestritten langjährigen Erfahrung – die Sachkunde habe, um zu überprüfen, ob die vom Angeklagten durchgeführte Behandlung in Berlin tatsächlich derart erfolgreich war, dass sie den Anforderungen eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gerecht wird, erscheine fraglich. Um dem OLG dies plausibel zu machen, wäre es erforderlich gewesen, die eigene Sachkunde näher darzulegen, z. B. durch Ausführungen dazu, dass und warum eine der vorliegenden Bestätigung entsprechende oder vergleichbare Maßnahme in einem anderen Verfahren nicht ausgereicht hat, die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen zu beseitigen.
Interessant dann für die Verteidigung in vergleichbaren Fällen der Hinweis in der Segelanweisung:
„2. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung erscheint es nicht zwingend geboten, Hauptverhandlungstermine auf Antrag des Angeklagten bzw. seines Verteidigers mehrmals und im Ergebnis um mehrere Monate zu verlegen, damit vor der Hauptverhandlung eine verkehrstherapeutische Maßnahme durchgeführt und abgeschlossen werden kann. Dieses Vorgehen bevorzugt Angeklagte, denen ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um derartige Behandlungen durchzuführen. Nachdem vorliegend das Amtsgericht Villingen-Schwenningen den Verlegungsanträgen nachgekommen war, sich der Führerschein des Angeklagten bis zum erstinstanzlichen Hauptverhandlungstermin am 13.1.2016 bereits neun Monate in amtlicher Verwahrung befunden hat und bis zur Berufungshauptverhandlung weitere 41/2 Monate vergangen sind, in denen der Angeklagte unbeanstandet am Straßenverkehr teilgenommen hat, wurden auf diese Weise Fakten geschaffen, die dem Landgericht eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis jedenfalls erheblich erschwert, wenn nicht sogar nahezu unmöglich gemacht haben.“
Das ist ein Hinweis, der ggf. die „Verteidigung auf Zeit“ erschwert und Verteidiger veranlassen sollte, Verlegungsanträge auf jeden Fall „hieb- und stichfest“ zu begründen.