M.E. mehren sich die Entscheidungen, die sich mit den Auswirkungen der Punktereform 2014 befassen, und zwar nicht mehr nur im Verkehrsverwaltungsrecht, sondern zunehmend auch im OWi-Recht. Dabei geht es häufig um die Übergangsregelung des § 65 StVG n.F. Die spielte auch im OLG Bamberg, Beschl. v. 29.04.2016 – 2 Ss OWi 5/16 – eine Rolle. Das AG hatte gegen den Betroffenen wegen eines beharrlichen Pflichtenverstoßes nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG ein Fahrverbot verhängt und die Regelgeldbuße erhöht. Dabei hatte es auf Voreintragungen des Betroffenen abgestellt, deren Rechtskraft vom 13.10.2012, 10.11.2012, 02.02.2013, 15.02.2013, 12.03.2013 und 26.04.2013 datierte. Danach gab es dann noch eine Bußgeldentscheidung vom 25.01.2015 – Rechtskraft eingetreten am 06.02.2015. Das AG war davon ausgegangen, dass durch die Eintragung Tilgungshemmung eingetreten ist. Das OLG Bamberg sagt: Nein. Begründung:
„cc) Jedoch kommt eine Tilgungshemmung durch die unter Nr. 7 erfasste (letzte) Bußgeldentscheidung vom 20.01.2015 vorliegend deshalb nicht in Betracht, weil § 29 VI 2 StVG a.F. lediglich auf vor dem 01.05.2014 erfolgte Eintragungen anwendbar ist (§ 65 III Nr. 2 1 StVG n.F.). Eine Eintragung der erst nach Inkrafttreten der Reform begangenen Tat vom 17.11.2014 konnte den Ablauf der Tilgungsfrist für die vom AG festgestellten Bußgeldentscheidungen Nrn. 1 bis 6 daher nach richtiger Ansicht nicht mehr hemmen (vgl. Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker StVR 24. Aufl. § 4 StVG Rn. 11 i.V.m. § 29 StVG a.F. Rn. 1 i.V.m. § 29 StVG n.F. Rn. 3; Gübner VRR 2014, 89).
b) Die Einfügung des § 65 III Nr. 2 StVG durch das Änderungsgesetz vom 28.08.2013 zielt nämlich ausweislich der Gesetzesmaterialien darauf ab, die Weiterführung der Tilgungshemmung auf den bei Inkrafttreten der Reform vorhandenen Registerbestand und die bereits ausgelösten Ablaufhemmungen zu beschränken. Eintragungen nach Inkrafttreten der Reform sollen unabhängig von Tattag und Entscheidungsdatum keine Tilgungshemmung mehr auslösen können. Die abzuschaffende Tilgungshemmung soll damit bereits in der Übergangszeit so weit wie möglich reduziert werden (BTDrucks. 17/13452 S. 7; VkBl. 2013, 1155).
aa) Nach dem Wortlaut des § 65 III Nr. 2 StVG kann die Ablaufhemmung des § 29 VI 2 StVG a.F. nicht durch Entscheidungen ausgelöst werden, die ab Inkrafttreten des Änderungsgesetzes am 01.05.2014 im Fahreignungsregister (FAER) gespeichert werden. Allerdings fehlt eine ausdrückliche Bezugnahme auch auf die Ablaufhemmung nach § 29 VI 1 StVG a.F. Ob hierfür aber für den Gesetzgeber überhaupt Anlass bestand, nachdem § 29 VI 1 StVG a.F. nur nach altem Recht eingetragene Entscheidungen betrifft, wohingegen § 29 VI 2 StVG a.F. von einer „neuen“ Tat spricht, ist umstritten (bejahend und allein auf den Wortlaut abstellend jedenfalls Hentschel/König/Dauer StVR 43. Aufl. § 29 StVG Rn. 43). Nach Auffassung des Senats erweist sich indes für die Auslegung der Vorschrift der in den Gesetzesmaterialien niedergelegte Wille des Gesetzgebers als ausschlaggebend.
bb) Die Auslegung nach dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich vorliegend eindeutig aus den Gesetzesmaterialien ergibt, ist als eine gegenüber den weiteren Methoden gleichrangige Auslegungsmethode auch dann anwendbar, wenn der Gesetzeswortlaut selbst keinen entsprechenden Hinweis auf den Willen des Gesetzgebers enthält. Dem gesetzgeberischen Willen ist insoweit im Rahmen der Auslegung umso größeres Gewicht beizumessen, wenn es sich – wie hier – um eine noch junge Norm handelt, da dies umso eher die Unterstellung ermöglicht, dass der Wille des Gesetzgebers bei deren Erlass auch zum Entscheidungszeitpunkt noch fortgelten soll (st.Rspr.; vgl. u.a. BGH, Urteil v. 28.08.2007 – 1 StR 268/07 = BGHSt 52, 31 = NJW 2008, 240 = StV 2008, 77 = JR 2008, 207 und Beschl. v. 02.04.2008 – 1 ARs 3/08 = JR 2008, 255 mit Anm. Kudlich; vgl. auch BGH, Urt. v. 18.01.2007 – 4 StR 394/06 = StV 2007, 186 = StraFo 2007, 167 = NStZ 2007, 332 = JR 2007, 379 m. Anm. Kudlich JR 2007, 381). Der BGH hat es jedenfalls dann für ohne weiteres zulässig gehalten, selbst bei abweichendem Wortlaut die Vorstellung des Gesetzgebers der Gesetzesauslegung zugrunde zu legen, wenn sich dies – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich zu Gunsten des von einer Sanktion Betr. auswirkt. Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Auslegung einer strafrechtlichen Bestimmung danach nur zum Nachteil des von dieser Betr. (BGH a.a.O.; vgl. auch BGHSt 43, 237/238; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 59. Aufl. Einl. Rn. 194). Ein Grund dafür, bei der Auslegung bußgeldrechtlicher Vorschriften insoweit von anderen Maßstäben auszugehen, ist nicht ersichtlich.“
Ergebnis: Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs und Festsetzung der Regelgeldbuße von 125 €.