Dem ein oder anderen Radfahrer in Münster – der „Weltstadt des Fahrrades“ ist die Lektüre des AG Wiesbaden, Urt. v. 01.10.2015 – 91 C 1333/15 – empfohlen. Denn der zugrunde liegende Sachverhalt ist in Münster so oder ähnlich alltäglich: Ein Radfahrer überquert vom Fußgängerweg einer Straße, welchen er in entgegengesetzter Fahrtrichtung befuhr, die Einmündung einer anderen Straße mit seinem Fahrrad , obwohl ihm die Sicht nach linkss durch einen dort parkenden Pkw versperrt ist und kollidiert sodann mit einem herannahenden Fahrzeug, das beschädigt wird. Das AG Wiesbaden sagt: 100 % der Haftung beim Radfahrer, denn:
„Gemäß § 1 Abs. 2 StVO hat sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt wird. Diese Sorgfaltspflicht hat der Beklagte verletzt und dadurch den streitgegenständlichen Verkehrsunfalls allein verursacht.
Der Beklagte befuhr mit seinem Fahrrad verkehrswidrig den Gehweg der A-Straße, dies zudem in entgegengesetzter Fahrtrichtung, obwohl es Erwachsenen gemäß § 2 Abs. 1 und 5 StVO nicht gestattet ist, mit dem Fahrrad den Gehweg zu benutzen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.10.1994, 27 U 153/93). Ohne abzusteigen oder anzuhalten überquerte der Beklagte sodann verkehrswidrig entgegen der Fahrtrichtung der A-Straße mit seinem Fahrrad die Einmündung der B-Straße in Höhe des Gehwegs, obwohl nach seinem eigenen Vortrag seine Sicht nach links, d.h. in die B-Straße durch einen dort parkenden Pkw mit polnischen Kennzeichen versperrt war.
Das Verhalten des Beklagten, verkehrswidrig und trotz versperrter Sicht nach links in die B-Straße die Straßeneinmündung zu überqueren, war höchst leichtfertig. Der Beklagte musste jedenfalls damit rechnen, dass sich die aus der B-Straße kommenden Fahrzeuge, welche nach rechts auf die A-Straße abbiegen wollen, langsam Vortasten, um Einsicht in die A-Straße zu bekommen. Der Beklagte behauptet selbst nicht, dass sich dort, wo er die Einmündung der B-Straße überquert hat, ein Radweg befunden hatte. Auch die mit Schriftsatz des Klägers vom 5.6.2015 vorgelegten Lichtbilder (Blatt 30 ff. der Akte) lassen weder einen Radweg noch einen markierten Fußgängerüberweg erkennen.
Der Beklagte haftet gegenüber dem Kläger entsprechend der obigen Ausführungen zu 100 %. Ein Mitverschulden des Fahrers des klägerischen Fahrzeuges gemäß § 254 BGB ist nicht ersichtlich. Darin, dass der Fahrer des gegnerischen Fahrzeugs langsam auf den Einmündungsbereich zurollte, ist ein Sorgfaltspflichtverstoß nicht zu erblicken (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.10.1994, 27 U 153/93; OLG München, Urteil vom 18.7.1996, 24 U 699/95).
Die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Klägers tritt hinter dem vorbeschriebenen erheblichen Verschulden des Beklagten vollständig zurück (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 13.10.1994, 27 U 153/93; OLG München, Urteil vom 18.7.1996, 24 U 699/95).“