Auf den ersten Blick nichts Besonderes scheint der KG, Beschl. v. 13.04.2016 – 3 Ws (B) 140/16 zu enthalten. Aber beim zweiten Hinschauen entdeckt man dann doch eine (kleine) Besonderheit, die ein Posting hier lohnt. Es geht um eine Geschwindigkeitsüberschreitung. Zur Last gelegt wird dem Betroffenen zunächst Fahrlässigkeit, die Amtsrichterin möchte aber wegen Vorsatz verurteilen und hat das dann auch getan. Dagegen die – erfolgreiche – Verfahrensrüge, mit der der Betroffene folgende geltend gemacht hatte:
„Nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers ergibt sich folgender Verfahrensablauf: Nach rechtzeitiger Einspruchseinlegung beraumte die zuständige Richterin eine Termin zur Hauptverhandlung für den 26. August 2015 an und verfügte, dass der Ladung an den Betroffenen und dem Verteidiger folgender Zusatz beizufügen ist: „Es wird gemäß § 265 StPO darauf hingewiesen, dass bei der gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitung von über 50% auch eine Ahndung als vorsätzliche Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt. Die Buße könnte also ggf. deutlich erhöht werden.“
Des Weiteren ordnete sie die Ladung von zwei Zeugen an.
Die Verfügung der Richterin wurde nicht ordnungsgemäß ausgeführt. Der Ladung des Betroffenen und des Verteidigers fehlte der förmliche Hinweis auf eine Ahndung wegen Vorsatzes. Auch zu einem späteren Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens erfolgte ein solcher rechtlicher Hinweis nicht.
Die eingeholten dienstlichen Stellungnahmen der Richterin und der Justizbeschäftigten ergaben nicht das Gegenteil. Vielmehr wurde der Vortrag des Betroffenen im Grundsatz bestätigt.
Das KG sieht einen Verstoß gegen § 265 Abs. 1 StPO, und zwar:
„Hat das Gericht seiner Entscheidung eine vom Bußgeldbescheid abweichende rechtliche Beurteilung der Ordnungswidrigkeit — wie im vorliegenden Fall — zugrunde gelegt, ist es erforderlich, dem Betroffenen während des gerichtlichen Verfahrens besonders auf die Veränderung dieses rechtlichen Gesichtspunktes nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 265 Abs. 1 StPO hinzuweisen, so dass er Gelegenheit hat, seine Verteidigung darauf einzustellen. Dies ist durch ein im Bereich des Gerichtes liegendes Missverständnis nicht geschehen. Der von der Richterin verfügte Zusatz ist versehentlich in die Ladung der beiden Zeugen aufgenommen worden, wie sich aus dem Vordruck StP 22 (Aktenvermerk bei Ladungen u.a. in Bußgeldsachen) ergibt. Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft ist dieses Kanzleiversehen auch nicht durch die Akteneinsicht des Verteidigers geheilt worden. Denn Adressat dieses förmlichen Hinweises ist der Betroffene, der persönlich und individuelle zu informieren ist (BGH NStZ 2013, 248). Es kann dahinstehen und muss hier nicht entschieden werden, ob die durch den Verteidiger genommene Akteneinsicht dieses Versäumnis kompensieren kann, wenn der Verteidiger als schriftlich Bevollmächtigter für den vom persönlichen Erscheinen entbundenen Betroffenen auftritt. Denn der Betroffene hat an der Hauptverhandlung teilgenommen.
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Der Rechtsmittelführer hat nachvollziehbar ausgeführt, dass er sich im Falle eines rechtlichen Hinweises des Gerichts, dass auch eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung in Betracht kommt, anders verteidigt hätte. Er hätte den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 29. April 2015 zurückgenommen.“
Recht hat das KG 🙂 .