Liest man auch selten, dass eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft verwirkt ist. So aber im LG Berlin, Beschl. v. 04.02.2016 – 511 Qs 84/15. Der Kollege, der mir die Entscheidung geschickt hat, hatte in einem Verfahren mit dem Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung mit Schreiben v. 26. 09. 2013 den Anschluss seines Mandanten als Nebenkläger angezeigt und beantragt, die Nebenklage zuzulassen, dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihn als Beistand beizuordnen. Die damals angehörte Staatsanwaltschaft hatte dagegen keine Bedenken. Mit dem jetzt angefochtenen Beschluss vom 14. 10. 2013 hat das AG dann den Mandanten als Nebenkläger zugelassen, § 395 Abs. 1 Ziff. 3 StPO, und ihm gemäß § 397a Abs. 2 StPO unter Beiordnung des Kollegen für den erstinstanzlichen Zug PKH bewilligt. Mit Schreiben vom 01. 07. 2015 beantragte der Kollege dann, dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Nebenklage in der Berufungsinstanz PKH zu bewilligen und ihn als Beistand für die Vertretung in der Berufungsinstanz beizuordnen. Das LG hat PKH bewilligt, den Antrag auf Beiordnung des Kollegen als Nebenklägerbeistand hat das LG aber abgelehnt, da die Beiordnung, die vom AG mit Beschl. v. 14. 10. 2013 angeordnet wurde, unabhängig von der Frage, ob deren Voraussetzungen vorlagen, für das gesamte Verfahren gelte.
Nun wird die StA wach und legt gegen die Anordnung im Beschluss des AG vom 14. 10. 2013, dem Nebenkläger den Kollegen beizuordnen, am 02.11.2015 Beschwerde ein, die sie damit begründet, dass die Voraussetzungen für eine Beiordnung nicht vorgelegen hätten. Anders als § 397a Abs. 1 StPO sehe § 397a Abs. 2 StPO eine Beiordnung gerade nicht vor, sondern bestimme nur, dass PKH für die Zuziehung eines Rechtsanwalts gewährt werde.
Die Begründung ist zwar richtig, aber : Wer zu/spät kommt, den bestraft das Leben. Das LG sagt: Du hast dein Rechtsmittel verwirkt.
„Ausnahmsweise kann ein unbefristeter Rechtsbehelf jedoch infolge Verwirkung unzulässig werden, wenn der Berechtigte längere Zeit hindurch untätig bleibt, obwohl er die Rechtslage kannte oder zumutbarer Weise hätte kennen müssen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, vor § 296 Rn. 6 m.w.N.; OLG Hamm NStZ-RR 2004, 144: Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach mehr als einem Jahr).
So liegt der Fall hier.
Die Staatsanwaltschaft hatte vor Erlass des angefochtenen Beschlusses Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag von Rechtsanwalt T. und mitgeteilt, dass der Zulassung der Nebenklage und der Beiordnung keine Bedenken entgegen stehen.
Nach Erlass des Beschlusses vom 14. Oktober 2013 legte die Staatsanwaltschaft keine Beschwerde gegen die Beiordnung ein.
Wenn die Staatsanwaltschaft nunmehr am 2. November 2015, mithin über zwei Jahre später, Beschwerde einlegt, so ist dieses Rechtsmittel infolge Verwirkung unzulässig.
Die Staatsanwaltschaft kannte die Rechtslage oder hätte sie kennen müssen. Sie hat auch zunächst eine positive Stellungnahme abgegeben und ist zwei Jahre lang untätig geblieben.“
Wird sicherlich zu der ein oder anderen Frage im Haus der StA führen. 🙂