Und dann noch eine Entscheidung des KG zu Bewährungsfragen. Nach dem gestern vorgestellten KG, Beschl. v. 03. 11. 2015 – (2) 161 Ss 233/15 (66/15) zur Frage der Berechnung des Ablaufs der Bewährungszeit (vgl. „Bewährungsversager“?, oder: Keine Verlängerung der Bewährungszeit zum Nachteil des Verurteilten), dann jetzt einen „Klassiker“. Nämlich noch einmal die Frage, welche Vorgaben für die Gewährung von Bewährung (§ 56 StGB) erfüllt sein müssen. Die beantwortet der KG, Beschl. v. 19.10.2015 – (3) 161 Ss 195/15 (107/15) – eben klassisch: Es ist keine sichere Gewähr und auch keine hohe Wahrscheinlichkeit für ein künftig straffreies Leben erforderlich, ausreichend ist, dass ein straffreies Verhalten wahrscheinlicher ist als neue Straftaten:
„2. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt hat, weisen durchgreifende Rechtsfehler auf.
Bei der Beantwortung der Frage, ob der Angeklagte künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird (§ 56 Abs. 1 StGB), steht dem Tatrichter ein weiter Bewertungsspielraum zu, innerhalb dessen das Revisionsgericht jede Entscheidung bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen hat. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn das Tatgericht Rechtsbegriffe verkannt oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt, d. h. unzutreffende Maßstäbe angewandt, nahe liegende Umstände übersehen oder festgestellte Umstände falsch gewichtet hat (Senat, Beschluss vom 29. August 2013 – (3) 121 Ss 168/13 (123/13) –; BGH, NStZ 2002, 312; Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 56 Rn. 11 m. w. N.). Gemessen daran hält die Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Wendungen in dem angegriffenen Urteil, künftige Straftaten seien „nicht ausgeschlossen“ (VAS.6) bzw. ein straffreies Verhalten „nicht sicher zu erwarten“ (VAS. 7), sind jedenfalls bedenklich. § 56 Abs. 1 StGB verlangt keine sichere Gewähr für ein künftig straffreies Leben und auch keine hohe Wahrscheinlichkeit. Ausreichend ist, dass ein straffreies Verhalten wahrscheinlicher ist als neue Straftaten (BGH, NStZ-RR 2005, 38; NStZ 1997, 594). Ob das Landgericht einen davon abweichenden Maßstab anlegen wollte oder ob es sich nur um ein unschädliches Formulierungsversehen handelt, kann dahin stehen. Denn auch im Übrigen trägt die Begründung des Landgerichts die Versagung der Bewährung nicht.
Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte die letzte Tat, wegen der er im Jahr 2014 verurteilt wurde, im Februar 2013 begangen. Die seitdem verstrichene Zeit von mehr als zwei Jahren hat das Landgericht nicht als „Vorbewährung“ anerkannt, weil er ab dem Frühjahr 2013 also nach dem diesem Verfahren zugrunde liegenden Taten, bis zum Antritt einer Entzugsbehandlung mit anschließender Therapie im März 2015 massiv Cannabis konsumiert habe. Er habe dadurch gezeigt, dass er nicht fähig gewesen sei, sich rechtstreu zu verhalten und die gesetzlichen Bestimmungen des Betäubungsmittelrechts zu beachten. Ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz wird jedoch durch die Feststellungen nicht belegt. Der Konsum von Betäubungsmitteln ist als bloße Selbstgefährdung straflos. Allein der Konsum erlaubt ohne zusätzliche Feststellungen auch keinen Schluss auf einen strafbaren Besitz oder Erwerb von Betäubungsmitteln, da auch ein kostenloser Mitkonsum mit anderen Personen möglich ist (BGH, Beschluss vom 23. April 1999 – 3 StR 98/99 –, juris Rn. 4). Einen Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum und anderen Straftaten hat das Landgericht ebenfalls nicht festgestellt. Bloße Elemente der Lebensführung, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zur Tat stehen, dürfen aber nicht in die Prognoseentscheidung einbezogen werden (BGH, NStZ-RR 2007, 138 m. w. N.). Auf die Erfolgsaussichten der Therapie konnte es danach ebenfalls nicht maßgeblich ankommen.“
Den Maßstab muss man – als Verteidiger aber auch als Richter – im Auge behalten, wenn es um die Strafaussetzung zur Bewährung geht. Sonst „springt“ der Angeklagte ggf. nicht über die Hürde.