Die Überschrift „Die Leiden der jungen Strafverteidigerin“ ist nicht von mir, sondern ich greife mit ihr den Vorschlag einer (jungen) Kollegin auf, die sich gestern mit einer Frage mit gebührenrechtlichem Einschlag an mich gewendet hatte. Ich hatte ihr die Aufnahme isn RVG-Rätsel „angedroht“, bringe die Sache dann aber mal hier, da letztlich dann doch eine andere Problematik im Vordergrund gestanden hat. Die Kollegin fragte:
„Guten Morgen Herr Burhoff,
gestern habe ich mich – was ab und an vorkommt – damit beschäftigt, ob ich mich eigentlich selbst strafbar mache. Es geht um Folgendes:
Seit ca. zwei Jahren verteidige ich eine Mandantin, die nunmehr (was zu erwarten war) auch vom Berufungsgericht verurteilt wurde. In der Berufungsinstanz war ich Pflichtverteidigerin.
Milde ausgedrückt, hat sich meine Mandantin mir gegenüber unredlich verhalten, deshalb wurde das Mandat im Laufe der Zeit immer schwieriger und ich ihr gegenüber immer deutlicher.
Gegen das Urteil habe ich abredegemäß Revision eingelegt und die Zustellung des Hauptverhandlungsprotokolls beantragt. Meine Mandatin bekam von mir zudem einen Terminsbericht, mit Hinweisen über den möglichen weiteren Fortgang des Verfahrens.
Sechs Wochen später kamen das Hauptverhandlungsprotokoll sowie das schriftliche Urteil. Ich prüfte noch am gleichen Tag etwaige Revisionsgründe und fand auch einiges. Hierüber erfreut rief ich meine Mandantin an und berichtete ihr meine vorläufigen Ergebnisse. Am Ende dieses Telefonats kündigte diese mir indes an, einen anderen Verteidiger als Wahlverteidiger mit der Revisionsbegründung beauftragen zu wollen oder dies schon getan zu haben. Mit anderen Worten: Sie eierte rum.
Schriftlich bat ich Sie daher um Klarstellung und wies darauf hin, dass ein Wahlverteidiger berufsrechtlich verpflichtet ist, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Nichts geschah.
Eine Woche später rief ich deshalb beim Landgericht an und fragte, ob sich in der Sache ein Wahlverteigiger gemeldet hätte. Dies wurde mir bestätigt. „Vor ca. einer Woche hat sich Herr Kollege X aus Y gemeldet“.
Ich googelte die Kontaktdaten dieses Kollegen und rief an. Dieser bestätigte mir, mit der Revisionsbegründung beauftragt worden zu sein. Der Stift würde sich indes erst dann „drehen“, wenn die (insolvente) Mandantin ihn bezahlt. Wir erörterten kurz etwaige Revisionsgründe. Gut zwei Wochen später telefonierten der Kollege und ich ein weiteres Mal und redeten nochmals über Revisionsgründe. Der Kollege bestätigte, die Revisionsbegründung abzugeben. Dies schrieb ich dann nochmals der Mandatin.
Dann beantragte ich beim Amtsgericht u. a. die Gebühr für das Revisionsverfahren als Vorschuss festzusetzen. Vier (!!!) Monate später teilte mir der freundiche Rechtspfleger mit, dass er meine Tätigkeit im Revisionsverfahren nicht erkennen kann. Die Revisionseinlegung sei mit der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren abgegolten, die Revisionsbegründung hat dagegen der andere Kollege abgegeben. Er regt an, den Antrag zurückzunehmen und gibt mir eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen.Nun zu meinen Fragen:
1.) Wenn ich dem freundlichen, flinken Rechtspfleger mittteile, was ich nach der Revisionseinlegung für die gute Mandantin getan habe, müsste er die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren doch festsetzen, oder?
2.) Gemäß § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird der plaudernde Anwalt bestraft. Hier ginge es doch aber um meinen Vergütungsanspruch. Deshalb wäre der Geheimnisverrat zumindest nicht „unbefugt“ und ich würde mich nicht strafbar machen, wenn ich den freundlichen Rechtspfleger ins Bild setze, oder?
Danke für Ihre Mühe und entschuldigen Sie den „Roman“.
Also: Ich konnte und habe verhältnismäßig kurz geantwortet, nämlich:
Hallo Frau Kollegin,
Sie liegen m.E. in beiden Fragen richtig.Die Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG ist hier auf jeden Fall entstanden, da Sie ja nicht nur die Revision eingelegt haben, sondern darüber hinaus Tätigkeiten erbracht haben.
Auch die Verschwiegenheitspflicht greift hier m.E. nicht. Dazu steht einiges in der berufsrechtlichen Literatur. Und natürlich auch in meinem Handbuch, Ermittlungsverfahren. Es geht zwar immer um den Honorarprozess, hier dürfte aber nichts anderes gelten. Ich würde aber so knapp wie möglich Stellung nehmen. M.E. reicht die Mitteilung, dass Sie mehrfach mit dem neuen Verteidiger gesprochen haben. Ausgang würde mich interessieren.
Und in der „Dankesmail“ hatte die Kollegin dann die nette Idee von den „Leiden der jungen Strafverteidigerin“.
Das Einfachste wäre es wahrscheinlich gewesen, die allgemeine Sachrüge ebenfalls zu erheben und im Übrigen auf den Schriftsatz des Kollegen Bezug zu nehmen. Dann gäb es diese Diskussion gar nicht.
Da spricht der „erfahrene Strafverteidiger“, es war aber eine „junge Strafverteidigerin“ 🙂
Ok, gewonnen. 😉
und ich lege nach: Wäre ja auch nicht ganz ungefährlich. Denn dann wäre die Revision ausreichend bergründet. Und wenn der neue Verteidiger „verfristet“, wäre es mit der Wiedereinsetzung schwierig, wenn nicht gar unmöglich 🙂