Häufig tauchen (Rechts)Fragen in der Rechtsprechung der Obergerichte wieder auf, obwohl die Fragen an sich längst entschieden sind. So die Frage, ob eigentlich der (bevollmächtigte) Verteidiger verpflichtet ist, im Fall des Nichterscheinens des von seiner Anwesenheitspflicht befreiten Betroffenen an der Hauptverhandlung teilzunehmen und ob das AG, wenn weder der von seiner Anwesenheitspflicht befreite Betroffene noch der Verteidiger erscheinen, die Voraussetzungen für ein Verwerfungsurteil nach § 74 Abs. 2 OWiG vorliegen. Die Frage(n) hat das OLG Hamm schon im Jahr 2001 im OLG Hamm, Beschl. v. 25.06.2001 – 2 Ss OWi 531/01 (NZV 2001, 401) verneint. Dennoch musste es jetzt erneut zu der Frage Stellung nehmen und hat sie – was nicht verwundert – erneut verneint (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 30.06.2015 – 5 RBs 84/15):
„Die Voraussetzungen für eine Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG haben nicht vorgelegen. Nach § 74 Abs. 2 OWiG muss das Gericht den Einspruch ohne Verhandlung zur Sache durch Urteil (nur) dann verwerfen, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden war. Vorliegend ist der Betroffene aber durch die Verfügung des Amtsgerichts vom 18. Februar 2015 gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden. Damit hätte das Amtsgericht, als der Betroffene nicht erschien, nach § 74 Abs. 1 S. 1 OWiG verfahren und die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Betroffenen durchführen müssen. Dass auch der Verteidiger des Betroffenen, der ordnungsgemäß zur Hauptverhandlung geladen war, in der Hauptverhandlung nicht erschienen ist, ist unerheblich. § 73 Abs. 3 OWiG verpflichtet den Betroffenen nicht, sich durch einen bevollmächtigten Verteidiger vertreten zu lassen. Der (bevollmächtigte) Verteidiger ist zudem auch nicht verpflichtet, im Fall des Nichterscheinens des von seiner Anwesenheitspflicht befreiten Betroffenen an der Hauptverhandlung teilzunehmen (vgl. OLG Hamm, NZV 2001, 491).“
Ich frage mich immer,w arum solche Entscheidungen eigentlich nötig sind. Man muss doch nur mal ein wenig schauen….
Ich frage mich bei diesen Entscheidungen bloß was ich als Verteidiger in einem solchen Fall davon habe der HV fernzubleiben (Krankheit o.ä. mal ausgenommen)? Ich kann doch nicht ernsthaft darauf vertrauen, dass das AG den Einspruch verwirft, um dann über die Rechtsbeschwerde zum Erfolg zu kommen. M.E. viel zu riskant.
@ Maste: Es kann durchaus Fälle geben, in denen es im Interesse des Mandanten tatsächlich sinnvoll ist, der Hauptverhandlung fernzubleiben, namentlich wenn der Mandant nicht rechtsschutzversichert ist (Einsparen der Terminsgebühr!) und der Fall so liegt, dass es nicht entscheidend auf eine Beweisaufnahme ankommt und die sachlichen und rechtlichen Argumente bereits ausreichend in vorbereitenden Schriftsätzen vorgetragen wurden (oder in denen der Einspruch schlicht aussichtslos ist und sowieso nur dazu dient, den Eintritt des möglicherweise existenzgefährdenden Fahrverbots zu verzögern).