In den letzten Jahren ist in der Rechtsprechung und Literatur zum Revisionsverfahren um die Frage gestritten worden, ob denn nun ein BGH-Senta 10 Augen hat, die die Akten lesen oder doch nur (weiterhin) vier (vgl. dazu u.a. Wie viele Augen hat ein BGH-Senat: Vier Augen oder doch zehn Augen?, und aus den Blogs dazu auch: Entscheiden über Akten, die man nicht gelesen hat, oder auch: Zehnaugenprinzip).
In der Rechtsprechung des BGH ist der Zug zu der Frage m.E. abgefahren. Es mag/kein sein, dass der 2. Strafsenat von 10 Augen ausgeht, die anderen Strafsenate halten aber an dem „Vier-Augen-Prinzip“, also Vorsitzender und Berichterstatter lesen, fest. Da braucht man als Verteidiger m.E. auch gar nicht mehr groß vortragen. Es führt zu nichts, außer zu einem Zweizeiler vom Senat, wie z.B. im BGH, Beschl. v. 02.09.2015 – 1 StR 433/14:
„Der Senat hat zudem in gesetzmäßiger Weise über die Revisionen der Verurteilten beraten und entschieden. Ein Anspruch auf ein Verfahren nach dem sog. „Zehn-Augen-Prinzip“ besteht nicht. Vielmehr entspricht die bisherige Ausgestaltung der Beratungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs dem Gesetz (vgl. BVerfG, NJW 1987, 2219, 2220 und NJW 2012, 2334, 2336; BGH, Beschlüsse vom 15. Februar 1994 – 5 StR 15/92, NStZ 1994, 353, 354; vom 14. März 2013 – 2 StR 534/12, NStZ-RR 2013, 214; vom 26. März 2014 – 5 StR 628/13 und vom 10. Februar 2015 – 1 StR 640/14; Mosbacher NJW 2014, 124 ff. mwN).
Im Übrigen ist das Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach nur der Vorsitzende zugleich als Berichterstatter von den Akten Kenntnis gehabt habe (Beschwerdebegründung S. 2), unzutreffend.“
Und da hatten wir dann wohl noch die Besonderheit, dass der Vorsitzende zugleich Berichterstatter war. Der Verteidiger hatte also ein „zwei-Augen-Prinzip“ vermutet/behauptet. Hat es aber nicht gegeben – sagt der Senat. Basta
Auch der 2. Strafsenat ist zwar (offenbar) der Auffassung, dass das 10-Augen-Prinzip wünschenswert oder gar aus Rechtsgründen alternativlos sei, hat aber von Anfang an nur jede x.te Sache im 10-AUgen-System beraten und tut dies seit längerem aus wohl personellen Gründen gar nicht mehr, wie man den Beiträgen eines Autors der „Zeit“ u.a. in deren Kommentarbereich entnehmen konnte.
Vielleicht sollte man den BGH personell so ausstatten, dass die rechtlichen Minimalanforderungen (Lesen der Revisionsakte) eingehalten werden können.
Ein BGH-Richter erzählte kürzlich, dass ihn ein erfahrener Revisionsverteidiger gefragt hat, wie ein Senat 600 Fälle im Jahr schaffe, wenn er selbst auf keine 50 jährlich bringt… Die Antwort möge sich jeder selbst geben.
Der 2. Strafsenat hat das 10-Augen-Prinzip nie umgesetzt und tut dies heute gar nicht mehr.
„Vielleicht sollte man den BGH personell so ausstatten, dass die rechtlichen Minimalanforderungen (Lesen der Revisionsakte) eingehalten werden können.“
Darüber könnte man diskutieren, wenn das eigenständige Lesen der Revisionsakte eine rechtliche Minimalanforderung wäre; dem ist allerdings nicht so.
„Ein BGH-Richter erzählte kürzlich, dass ihn ein erfahrener Revisionsverteidiger gefragt hat, wie ein Senat 600 Fälle im Jahr schaffe, wenn er selbst auf keine 50 jährlich bringt… Die Antwort möge sich jeder selbst geben.“
Tja, warum kann man in einem Jahr 50 oder 60 Bücher lesen, aber selbst zumeist allenfalls eines verfassen? Möglicherweise mag das Lesen und auch das Bewerten des Gelesenen schneller zu erledigen sein als das Schreiben – insbesondere wenn der eine die kompletten Verfahrensakten (mehrere hundert, vielleicht auch mehrere tausend Seiten), die hinzugetretenen Gerichtsakten und das Protokoll lesen muss und sich dann der Lektüre des Urteils widmen kann, um auf dieser Grundlage sein Oeuvre zu verfassen, während auf den anderen nur das Urteil und ebendieses Oeuvre warten, das zudem für ihn bereits aufbereitet worden ist (durch Stellungnahme und Antrag des GBA). Da überrascht der Faktor 1:12 m.E. nicht besonders.