Im vergangenen Jahre habe ich – ebenso wie einige andere Blogs – über das BGH, Urt. v. 03.11.2014 – AnwSt (R) 5/14 – berichtet (vgl. hier: Mandat beendet? Dann gehören die Handakten i.d.R. dem Mandanten). Ergangen war es in einem berufsrechtlichen Verfahren gegen einen Kollegen, der ein Ehepaar aus Neuss in drei gerichtlichen Verfahren vertreten hatte. Nach einem Wechsel des Kollegen in eine andere Kanzlei zahlten die Mandanten die dem Kollegen zustehenden Gebühren und Auslagen. Außerdem beauftragten sie einen anderen Rechtsanwalt mit der weiteren Verfolgung ihrer Rechtsangelegenheiten. Dieser forderte den Kollegen vergeblich auf, ihm die Mandanten-Handakten zur Weiterführung des Mandats herauszugeben. Darüber ist es dann zu einem berufsrechtlichen Verfahren gekommen, in dem der AnwGH NRW den Kollegen frei gesprochen hatte. Er hatte eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe verneint. Der BGH hatte das dann anders gesehen und aufgehoben und zurückverwiesen.
Nun hat der AnwGH NRW „nachgebessert“ und im AnwGH NRW, Urt. v. 29.05.2015 – 1 AGH 1/15 – ebenfalls eine Berufspflicht zur Herausgabe der Akten nach Beendigung des Mandats, wenn die Gebühren gezahlt sind, bejaht (was soll er auch anderes tun 🙂 ?):
„1. Die Frage, ob eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe einer Handakte besteht, ist umstritten. Unstreitig besteht ein Anspruch auf Herausgabe nach § 675 i. V. m. §§ 666, 667 BGB (BGHZ 109, 260). Eine berufsrechtliche Pflicht soll jedoch verbreiteter Ansicht nach nicht bestehen (AnwG Frankfurt/Main DStR 2011, 327; OLG Düsseldorf BeckRS 2008, 10704; Böhnlein, in: Feuerich/Weyland, BRAO, 8. Aufl. 2012, § 50 Rn. 17; Scharmer, in: Hartung, BRAO, 5. Aufl. 2012, § 50 Rn. 77 f.; a.A. AGH Celle BeckRS 2013, 18717; AnwG Düsseldorf vom 14. März 2013-3 EV 490/11; Offermann-Burckart, Kammermitteilungen RAK Düsseldorf, 2009, S. 282, 285; dieselbe, in: Henssler/Prütting, BRAO, § 50 Rn. 36). Sie sei vor allem § 50 Abs. 3 BRAO nicht zu entnehmen. Denn die Regelung des Zurückbehaltungsrechts in der BRAO setze nicht zwingend eine berufsrechtliche Herausgabepflicht voraus, sondern könne sich allein auf die zivilrechtlich begründete Herausgabeverpflichtung beziehen. Ein berufsrechtlicher Verstoß könne mangels Bestimmtheit auch nicht auf die Generalklausel des § 43 BRAO gestützt werden.
2. a.) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es besteht nicht nur eine zivilrechtliche, sondern (auch) eine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe der Handakten. Die Herausgabepflicht ist zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt. Sie ist aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO i. V. m. §§ 675, 667 BGB und inzident auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen. Der Senat, ohnehin gem. § 358 Abs.1 StPO an die Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs gebunden, ist der Ansicht, dass die anlasslose Zurückbehaltung der Handakten ein gravierendes Fehlverhalten darstellt. Denn der Mandant übergibt dem Rechtsanwalt seine Unterlagen zur Besorgung des Auftrages in dem Vertrauen, dass dieser – sein Rechtsanwalt – sich für ihn einsetzt und sich zumindest rechtmäßig verhält. Kommt es, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Beendigung des Mandats und der Mandant verfolgt seine Rechtsangelegenheiten auf anderem Wege, etwa mit Hilfe eines anderen Rechtsanwalts weiter, kann er mit Fug und Recht erwarten, dass er seine dem früheren Bevollmächtigten ausgehändigten Originalunterlagen zurückerhält. Ist der Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Gebühren und Auslagen befriedigt, ist keinerlei Grund erkennbar, der ein solches Verhalten (Zurückhaltung der Handakten) rechtfertigen könnte. Mit einer gewissenhaften Berufsausübung ist das keinesfalls vereinbar, es widerspricht vielmehr in hohem Maße dem Vertrauen, dass der frühere Mandant in den Rechtsanwalt gesetzt hatte.„
Haben meine nie herausgegeben. So etwas mache man nie. Ebenso kompetent waren sie dann auch in den Verfahren, nämlich überhaupt nicht.