Im Juni ist in der Tagespresse, aber auch in den Blogs (vgl. hier Sex im Erlebnisbad) über das (junge) Pärchen berichtet worden, das Weihnachten 2014 in der „Erlebnisgrotte“ der Therme im Augsburger Vorort Neusäß bei sexuellen Handlungen – so wird es vom Bademeister berichtet – erwischt worden ist. Das AG Augsburg hatte die beiden wegen Erregung öffentlichem Ärgernisses (§ 183a StGB) zu zwei Wochen Dauerarrest bzw. einem Freizeitarrest verurteilt.
Die beiden jungen Leute haben dagegen Berufung eingelegt, die nun gestern – ging mal schnell – vor dem LG Augsburg verhandelt worden ist. Und? Natürlich 🙂 . Die Berufung ist verworfen worden (vgl. hier den Bericht aus der SZ). Dazu heißt es in der Pressenachricht:
„Vor dem Landgericht lief es nicht besser. Zu Beginn des Berufungsprozesses wirkten die Angeklagten, die immer noch ein Paar sind, optimistisch. Interessiert und ruhig folgten sie den Ausführungen des Gerichts. Diesmal äußerten sie sich nicht selbst zu den Vorwürfen, sondern ließen ihre Anwälte sprechen. Die blieben dabei: Es sei zu sexuellen Handlungen, nicht aber zum Geschlechtsverkehr gekommen.
Überzeugender waren aber wohl die Aussagen zweier Bademeister, die als Zeugen auftraten, und Aufnahmen einer Überwachungskamera. „Auf dem Video ist eindeutig zu sehen, dass sexuelle Handlungen stattgefunden haben“, erklärte der Richter. „So was geht gar nicht“, sagte einer der Bademeister, „es sind auch Kinder im Bad.“ Ein Badegast habe sich über die „Schweinerei“ beschwert.“
Na, dazu kann man eine Menge sagen. Und ob nun der Arrest das jeweils richtige Mittel war, wird man sicherlich auch diskutieren können (vgl. dazu hier: Juristen halten zweiwöchigen Arrest für überzogen). Was mich verfahrensmäßig interessiert: „Aufnahmen einer Überwachungskamera„? Ach ja? Und: Sind/Waren die Aufnahmen dieser Kamera – über oder unter Wasser? – denn eigentlich so ohne weiteres verwertbar? Mich würde interessieren, wie das LG damit umgegangen ist.
Ach so: Eine Entscheidung des OLG München werden wir in der Sache wohl nicht bekommen. § 55 JGG lässt grüßen.
§ 55 JGG ist echt eine Pest. Offensichtlich geben sich manche Berufungskammern mit ihren Urteilen überhaupt keine Mühe, solange keine Kontrolle durchh das OLG droht. 🙁
Wer in Augsburg Berufung zur Jugendkammer einlegt, ist selbst schuld. Man legt besser Sprungrevision zum OLG München ein. Die StA geht sowieso (fast) immer in Berufung, um das Verschlechterungsverbot zu umgehen. Dann bekommt der Mandant über § 335 Abs. 3 StPO doch seine 3 Instanzen. Wenn man es geschickt anstellt.
Auch wenn ich mich jetzt wie ein typischer Stammtischler anhören sollte: Andere bekommem für weitaus schlimmeres (Körperverletzung, Betrug, you name it) Geldstrafen oder Bewährung. Wo gegen zwei Jugendliche für ein bißchen rummachen also einsitzen müssen („Die Kinder“, dass ich nicht lache. Es war unter Wasser, und Kinder die von tuten und -gerade- blasen noch keine Ahnung haben werden wohl kaum mitbekommen, dass da nicht nur sichtbare Haut aneinander reibt, sondern angedockt wurde. Ohne Unterwasserkameras hätte es keiner mitbekommen. Was als nächstes – Kameras in der Umkleide?!?)).
Wo ist da bitte schön noch ein vernünftiges Verhältnis gegeben? Ja, ich weiß, formal ist das ein Unterschied weil’s nicht als Strafe gilt. Aber mal ehrlich: Freiheitsentzug in einer Anstalt ist für den betroffenen Freiheitsentzug in einer Anstalt. Und zwei Wochen, also 14 Tage(ssätze) – das muß man für was „richtiges“, gerade als Jugnedlicher, erst mal bekommen.
Und warum einmal zwei Wochen, einmal nur ein Wochenende? Altes bayrisches Denkmuster, dass das Mädel ja garnicht wirklich anders konnte und der Junge/Mann der treibende ist?
Tja, hinterher ist man immer schlauer aber da wäre die Sprungrevision, weg von diesem Augsburger Sumpf nach München zum OLG sicherlich die klügere Idee gewesen.
Zwei Wochen Arrest für ein Delikt, dass normalerweise schon von vorneherein abgesägt wird, ist schon eine erbärmliche Leistung der beiden Gerichte. Da war wohl jemand neidisch…
Klares Fehlurteil. Was sind denn das für Anwälte.
Hoffentlich legen die beiden Verfassungsbeschwerde ein. Ob Sex vorlag oder nicht ist egal. Es fehlt der Vorsatz.
(OLG Bamberg, Urt. v. 22. 2. 2011 – 3 Ss 136/10)
Der Tatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183 a StGB setzt in subjektiver Hinsicht hinsichtlich des sexuellen Charakters der Handlung und ihrer Erheblichkeit zwar nur bedingten Vorsatz voraus, der auch die Öffentlichkeit der Begehung umfassen muss. Bezüglich der Erregung des Ärgernisses muss der Täter jedoch in der Absicht handeln, Ärgernis zu erregen, d.h. es muss ihm entweder gerade darauf ankommen, dass er Ärgernis erregt, oder er muss wissen, nämlich als sicher voraussehen, dass dies geschieht, weshalb es nicht aus-reichend ist, wenn der Täter die Möglichkeit des Zusehens durch andere lediglich in Kauf nimmt.
Zur Frage Verwertbarkeit der Kameraaufnahmen: Im Beck-blog wurde das mit der Kamera schon vor Wochen thematisiert.
Offenbar ist es so:
Die „Erlebnisgrotte“ ist von außen nicht einsehbar. Es gibt eine Beschilderung, mit der auf die Kameraüberwachung hingewiesen wird. Die Überwachung dient dazu, dass Bademeister Notfälle wie z:B. im Wasser /unter Wasser treibende Personen erkennen können.
Hallo, ist ja schön, wenn der Beck-Blog das thematisiert hat. Ich habe aber auch noch was anderes zu tun.
Und ob die Bilder, die aus den Gründen gefertigt wurden, so verwendet werden dürfen….
@ Kabo. Das hilft eine VB wohl nicht weiter
Und das Sex-Video kann jeder Interessent „selbstverständlich“ bei der BILD-Zeitung online gegen Bezahlung direkt einsehen.
http://www.bild.de/bild-plus/news/inland/sex/das-feuchtroehliche-unterwasserspiel-im-video-41296616
Wer weiß, ob andere bloßstellende Aufnahmen der Badegäste nicht auch in ähnlich krimineller Weise zu Geld gemacht werden? Möglicherweise sind einige Angestellte ganz begeistert von der finanziell lukrativen Verwertung peinlicher Unterwasseraufnahmen. Aber das scheint für die Justiz vollkommen akzeptabel zu sein.
Also die Begründung für die Kamera-Aufzeichnung „nicht einsehbarer Bereich, kann ja was passieren (ertrinken)“ ist doch lächerlich! Nicht für die Kamera – aber Aufzeichnung? Wie war das mit Datensparsamkeit? Aber es wird im restlichen (einsehbaren) Teil des Bades vermutlich auch aufgezeichnet, lässt sich nachher ja so schön an die Bild verkaufen.
Eltern können Verfassungsbeschwerde einlegen, da ihre Erziehungsgewalt nach Artikel 6 beeinträchtigt wird.
Auch kann die Aussage des Jungen stimmen. Auf den Videos ist sichtbar, dass das Mädchen seine Bikinihose noch an hat. Es konnte also nicht in sie eindringen. Das Eindingen ist für ihn aber möglicherweise die Definition einer sexuellen Handlung. Aus seiner Sicht hat er also die Wahrheit gesagt. Kommt darauf an, wie man sexuelle Handlung definiert.
Die Anwälte hätten den fehlenden Vorsatz Ärgernis erregen zu wollen, viel stärker beanstanden müssen. Dann hätte das Landgericht niemals so entscheiden können.
Erzeihungsgewalt? Bei Volljährigen? Wie soll das den gehen? Es sei denn, Bayern hat eigenmächtig die Altersgrenze wieder raufgesetzt.
Wie dem auch sei, ich wage zu bezweifeln, dass so eine Beschwerde auch bei Minderjährigen Erfolg hätte – das hieße letztenendes, dass jedwede Jugendstrafe, und damit das gnaze Jugendstrafrecht, verfassungswidrig wäre. Ich hege „leichte“ Zweifel… 🙂
Bzgl. der Bikinihose: Das habe ich mich auch gefragt. Klar, man kann die Hose auch zur Seite schieben. Aber das soll doch erstmal bewiesen werden. Allerdings habe ich bei Bild nur ein Foto des Videos gesehen, nicht das ganze Video. Gut möglich also, dass das Höschen auch noch fällt.
Stimmt, die sind ja Volljährig.
Können also selber eine Verfassungsbeschwerde einreichen. Ihre Rechte sind dahingehend verletzt, weil nicht klar ist, ob überhaupt eine strafbare Handlung vorliegt. Die Tatsache, dass Sex in der Öffentlichkeit stattgefunden hat erfüllt noch nicht den Straftatbestand nach § 183 a StGB. Und wenn keine Straftat vorliegt, kann auch kein Freiheitsentzug angeordnet werden.
Aber das scheint hier niemanden zu interessieren.
Die Beweislast, das Absicht oder Wissen vorgelegen hat, hat das Gericht. Hier findet ein ganz traumatischer und rechtswidriger Eingriff in die Grundrechtliche zweier junger Menschen statt. So etwas sollte uns alle Bedrohen, vor allem Eltern.