Vor dem Gebührenrätsel zum Wochenausklang dann noch eine Entscheidung zum Gebührenrecht, und zwar zur Frage der Erstreckung nach § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG. Die Frage spielt bei der Pflichtverteidigung, wenn Verfahren hinzuverbunden werden, eine Rolle. Da geht es dann darum, ob auch in den hinzuverbundenen Verfahren, wenn der Rechtsanwalt dort tätig war, die gesetzlichen Gebühren abgerechnet werden können.
Der LG Braunschweig, Beschl. v. 19.06.2015 – 11 Qs 115/15 – behandelt eine verfahrensrechtliche Problematik aus dem Komplex, nämlich die Frage der Zeitpunkts des Erstreckungsantrags, und zwar: Kann der auch noch nach (rechtkräftigem) Abschluss des Verfahrens gestellt werden? Das LG sagt – zutreffend: Ja:
„Der Verteidiger war nicht gehindert, den Erstreckungsantrag noch nach rechtskräftigem Abschluss des Erkenntnisverfahrens zu stellen (KG, Beschl. vom 27.09.2011, 1 Ws 64/10, Rn. 5, zitiert nach juris).
Eine nachträgliche Erstreckungsentscheidung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn in dem hinzuverbundenen Verfahren eine Bestellung als Pflichtverteidiger ohne die Verbindung unmittelbar bevorgestanden hätte (LG Berlin, JurBüro 2006, 29). Es handelt sich mithin um eine dem Einzelfall angemessene Entscheidung, die nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffen ist (OLG Braunschweig, Beschl. vorn 22.04.2014, 1 Ws 48/14, Rn. 34, zitiert nach juris).
Das LG hat die Sache daher an das AG zurückgegeben, weil das noch entscheiden muss. Und das LG sagt dann auch gleich, wie es sich die Entscheidung vorstellt:
„Hier liegt der Fall jedoch anders. Es wird vorsorglich bereits jetzt darauf hingewiesen, dass einiges dafür spricht, dass im Verfahren 801 Js 45615/14 eine Pflichtverteidigerbeiordnung unmittelbar bevorstand. Denn der inzwischen Verurteilte befand sich im Verfahren 801 Js 24745/14 bereits seit dem 01.08.2014 in Untersuchungshaft, so dass ihm in dem später hinzuverbundenen Verfahren 801 Js 45615/14 gem. § 140 4s. 1 Ziff. 4, 141 Abs. 3 Satz 4 StPO unverzüglich ein Pflichtverteidiger hätte bestellt werden müssen.“
Dazu gibt es bereits eine ganze Menge Rechtsprechung. Steht alles im RVG-Kommentar 🙂 .