Archiv für den Monat: März 2015

(Zu) Flotte Fahrt auf der Elbe

entnommen wikimedia.org Torsten Bolten - Own work

entnommen wikimedia.org
Torsten Bolten – Own work

Mit „Flotte Fahrt auf der Elbe – rechtswidrige Untersagung der Lotsentätigkeit“ ist die PM des OLG Schleswig zum OLG Schleswig, Urt. v. 15.01.2015 – 11 U 23/14 – überschrieben. Die PM datiert vom 27.01.2015 – nun liegt der Volltext des Urteils vor. Im Verfahren beim OLG ging es um Staatshaftungsansprüche eines Seelotsen, die dieser gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht hatte, und zwar rund 40.000 € Verdienstausfall. Hintergrund: Dem Kläger war von Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord in Kiel vorläufig die Ausübung seiner Tätigkeit als Seelotse untersagt und aufgegeben worden, ein seeärztliches Zeugnis zum Nachweis seiner verkehrspsychologischen Eignung vorzulegen. Die Behörde hatte das damit  begründet, dass der Kläger in den letzten zwei Jahren seiner Lotsentätigkeit vier Mal die empfohlene sichere Geschwindigkeit überschritten habe. So hatte er im Februar einen Frachter durch das Gebiet der Elbmündung gelotst. Dabei fuhr das Schiff schneller als die empfohlene Geschwindigkeit, unter anderem mehr als 18 Knoten statt empfohlener 12 Knoten. Die Geschwindigkeitsempfehlungen ergaben sich aus einem Flyer, den die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Hamburg unter dem Titel „Gefährdung durch Sog und Wellenschlag“ herausgegeben hatte.

Das OLG Schleswig hat dem Lotsen Recht gegeben. Dazu heißt es in der PM des OLG:

„Die vorläufige Untersagung der Seelotsentätigkeit durch die Wasser- und Schifffahrtsdirektion war rechtswidrig, so dass der Kläger Verdienstausfall in Höhe von mehr als 40.000 Euro als Schaden von der Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Wasser- und Schifffahrtsdirektion verlangen kann. Nach dem Seelotsgesetz kann einem Seelotsen die Berufsausübung vorläufig nur untersagt werden, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die „Bestallung“ (Zulassung als Seelotse) widerrufen werden wird und zudem die Sicherheit der Schifffahrt diesen Schritt erfordert. Die Zulassung als Seelotse ist zu widerrufen, wenn der Seelotse die ihm obliegenden Pflichten gröblich verletzt hat und sich hieraus ergibt, dass er ungeeignet ist, seinen Beruf weiter auszuüben. Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Pflichtvergessenheit des Klägers anlässlich der Lotsenfahrt am ‌13‌.‌02‌.‌2011‌ ein derartiges Ausmaß erreicht hatte, gab es zum Zeitpunkt der vorläufigen Untersagung nicht. Nach den Regeln der Seeschifffahrtstraßen-Ordnung haben Fahrzeuge mit einer sicheren Geschwindigkeit zu fahren und ihre Geschwindigkeit rechtzeitig soweit zu vermindern, wie es erforderlich ist, um Gefährdungen durch Sog und Wellenschlag zu vermeiden. Die vom Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg herausgegebenen Empfehlungen zu den zu fahrenden Geschwindigkeiten stellen allerdings keine Anordnung von Höchstgeschwindigkeiten dar, sondern sind lediglich Orientierungswerte, bei deren Erreichen es für den Schiffsführer bzw. für den Lotsen Anlass gibt, die Geschwindigkeit mit Blick auf gegebene Gefährdungen durch Sog und Wellenschlag zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Dies ergibt sich aus den Informationen des Wasser- und Schifffahrtsamtes Hamburg. In dem Flyer ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Schiffswellen am Elbufer erhebliche Schäden verursachen können, wenn die Bestimmungen der Seeschifffahrtstraßen-Ordnung nicht ausreichend beachtet werden und keine Orientierung an den Richtgeschwindigkeiten erfolgt. Das Wort „Orientierung“ weist darauf hin, dass die Richtgeschwindigkeit gerade keine Obergrenze der erlaubten Geschwindigkeit sein soll.

Ich habe da mal eine Frage: Wie ist das mit den Gebühren im Klageerzwingungsverfahren?

Fotolia © AllebaziB

Fotolia © AllebaziB

Die folgende Anfrage eines Kollegen schlummert schon etwas länger in meinem RVG-Frage-Ordner. Heute will ich sie dann endlich posten. Allerdings nicht so, wie der Kollege mich angeschrieben hat, sondern mit einem aus der Anfrage abgeleiteten Sachverhalt. Daraus wird m.E. klarer, worum es geht. Also:

„Der Kollege war Verteidiger des Beschuldigten in einem Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Das Verfahren wurde eingestellt. Dagegen hat die Geschädigte Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 172 Abs. 2 StPO gestellt. Der Antrag ist nach § 174 StPO zurückgewiesen worden. Nach der Kostenentscheidung des OLG hat die Antragstellerin gem. § 177 StPO die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschuldigten zu tragen.

Der Verteidiger/Kollege hat dann im Kostenfestsetzungsverfahren die Auffassung vertreten, dass sich die Kostenentscheidung des OLG nicht lediglich auf das Klageerzwingungsverfahren, sondern auch auf das gesamte Strafverfahren bezieht und hat die Gebühren Nr. 4100, 4104 VV RVG geltend gemacht. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat demgegenüber eingewandt, dass eine unmittelbare Tätigkeit des Verteidigers im Klageerzwingungsverfahren nicht ersichtlich sei. Die Rechtspflegerin beim OLG hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen.“

Die Frage, die der Kollege gestellt hat und die ich hier weitergebe, lautet: Richtig?

Flucht ist kein „Widerstand gegen die Polizei“

© rcx - Fotolia.com

© rcx – Fotolia.com

Wenn ich mich an meine Strafkammerzeit erinnere – lang, lang ist es her – dann erinnere ich mich auch noch daran, dass Verfahren, in denen es um Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) ging, nicht sehr beliebt waren. Denn häufig hatte man zwei gänzlich unterschiedliche Sachverhaltsdarstellungen durch die involvierten Polizeibeamten und durch den (angeblich) Widerstandleistenden. Die Erinnerung kam wieder, als ich den BGH, Beschl. v. 15.01.2015 – 2 StR 204/14 – gelesen habe. Da konnte die Kammer allerdings offenbar eindeutige Sachverhaltsfeststellungen treffen, sie hat sie „nur“ nicht richtig gewürdigt.

Ausgangspunkt war folgender Sachverhalt. Beamte einer zivilen Ermittlergruppe verfolgten mit drei zivilen Fahrzeugen einem von dem Angeklagten, der nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, gesteuerten PKW Smart, in dem sich Diebesgut und Einbruchswerkzeuge befanden, um einen gegen den Mitangeklagten S. , der auf dem Beifahrersitz saß, bestehenden Haftbefehl zu vollstrecken. Als der PKW Smart an einer roten Ampel hielt, erfolgte der Zugriff der Polizeibeamten. Der PKW Opel Astra mit den Polizeibeamten F. und A. stellte sich quer vor den Smart, der PKW Vectra mit den Beamten E. und St. hielt rechts neben dem Smart in einem Abstand von 40 cm an, der PKW Suzuki mit den Polizeibeamten G. und K. stellte sich schräg dahinter. Die Polizeibeamten stiegen aus ihren Fahrzeugen aus. Jedenfalls die Polizeibeamten G. , E. und F. trugen ihre Dienstausweise offen und gut sichtbar, so dass sie als solche erkennbar waren. G. und K. riefen laut und deutlich „Polizei! Türen auf! Aussteigen!“, G. und St. zogen ihre Waffe und nahmen die Sicherungshaltung ein. Der Angeklagte D. , der er-kannt hatte, dass es sich um einen Polizeieinsatz handelte, legte abrupt den Rückwärtsgang ein, lenkte stark nach rechts und setzte das Fahrzeug hastig zurück, um sich der Festnahme zu entziehen. Dabei wurde der Opel Vectra beschädigt. Außerdem wurde der Polizeibeamte E. zwischen der hinteren Ecke des PKW Smart und dem hinteren linken Radhaus des Opel Vectra eingeklemmt, wodurch er am Knie verletzt wurde. Der Angeklagte D. nahm die Beschädigung des Opel Vectra zu Fluchtzwecken billigend in Kauf. Die Kammer konnte dagegen nicht feststellen, dass der Angeklagte D. annahm, auch hinter dem Smart befänden sich Polizeibeamte.

Die Strafkammer hat diesen Sachverhalt als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 und 3 StGB sowohl in Tateinheit mit Sachbeschädigung (§§ 303 Abs. 1, 303c StGB, als auch mit Fahren ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG) gewertet. Indem der Angeklagte D. versucht habe, sich der Polizeikontrolle durch Festnahme zu entziehen und zu diesem Zweck den PKW Smart abrupt trotz der ihn einkeilenden drei Fahrzeuge zurücksetzte, habe er bewusst und gewollt mit Gewalt Widerstand gegen die rechtmäßige Diensthandlung der Polizeibeamten geleistet.

Der BGH sagt: Nein, ist nicht richtig, denn:

„…Unter Widerstand ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten mit Nötigungscharakter zu verstehen, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll (BGH NStZ 2013, 336). Nach dem Schutzzweck des § 113 StGB muss die Gewalt gegen den Amtsträger gerichtet und für ihn – unmittelbar oder mittelbar über Sachen – körperlich spürbar sein (BGHSt 18, 133; Lackner/Kühl, 28. Aufl. 2014, § 113 StGB Rn. 5). Bloße Flucht vor der Polizei ist kein (gewaltsamer) Widerstand, auch wenn dadurch gegebenenfalls Dritte gefährdet oder unvorsätzlich verletzt werden (BGH NStZ 2013, 336; Fischer StGB, 62. Aufl. 2015, § 113 Rn. 23).

Danach fehlt es hier an einem Widerstandleisten im Sinne von § 113 StGB. Da der Polizeibeamte E. vom Angeklagten unbemerkt um das Heck des PKW Smart herumlief, als der Angeklagte das Fahrzeug zurücksetzte, fehlt es bereits an der für den äußeren Tatbestand erforderlichen, gewaltsamen, gegen die Person des Vollstreckenden gerichteten Handlung. Ebenso wenig wird der für die Verwirklichung des § 113 StGB notwendige Vorsatz deutlich, durch eine nötigende Handlung gegen den Vollstreckungsbeamten die Vollstre-ckungsmaßnahme zu verhindern oder zu erschweren; festgestellt ist lediglich, dass der Angeklagte D. die Beschädigung des Opel Vectra billigend in Kauf nahm, nicht jedoch, dass er die Verletzung eines der Polizeibeamten im Rechtssinne gebilligt hat.“

Platz 2. für den BOB bei „Bestes JuraBlog 2015“ – sehr schön

entnommen wikimedia.org Vater von Oktaeder Original uploader was Oktaeder at de.wikipedia

entnommen wikimedia.org
Vater von Oktaeder Original uploader was Oktaeder at de.wikipedia

Es ist gelaufen. Die Abstimmung „Bestes JuraBlog 2015“ ist beendet. Gestern hat der Kollege Johannes Zöttl vom Kartellblog das Ergebnis veröffentlicht. Gesehen hatte ich es schon, aber dazu melden konnte ich mich noch nicht, weil ich unterwegs war – referieren in einem FA-Kurs in Hannover. Nun:

Mein Blog war nicht nur bei der Abstimmung dabei, sondern es hat auch – zusammen mit dem Kollegen Vetter von Lawblog den 2. Platz belegt. Hinter dem Kollegen Hoenig aus Berlin, der mit seinem Blog – wie auch schon 2014 – unangefochten wieder den Platz 1 belegt hat. Dazu dem Kollegen auch von hier aus herzlichen Glückwunsch. Auf Platz 3 dann „mein Blogwart“ mit der „Strafakte„, also auch er auf dem Treppchen 🙂 . Hier dann die Ergebnisse im Einzelnen, ich hoffe, man kann es lesen, sonst geht es hier besser:

Abstimmung 2015

 

 

 

 

 

Wenn ich mir das Ergebnis so anschaue und mit den Zahlen aus 2014 vergleiche, bin ich ganz zufrieden. Natürlich, wer wäre nicht gerne (auch) auf Platz 1 – aber da sitzt nun mal offenbar der Kollege aus Kreuzberg fest im Sattel. Er hat gegenüber 2014 seinen Anteil sogar noch steigern können, alle Achtung. Aber mein Blog hat dann auch „zugelegt“, der Stimmenanteil ist von 13 auf 22 % gestiegen (die ein oder andere politische Partei würde bei einer solchen Stimmenanteilsteigerung ein „Champagner-Gelage“ starten 🙂  und das bedeutet einen Anstieg im Ranking 4 von Platz auf Platz 2. Die Namens- und Betreiberänderung hat also keinen Einfluss gehabt. Sehr schön. Das freut mich alles und ist Ansporn, auf dem eingeschlagenen Weg weiter zu machen. Schauen wir mal, wie es im nächsten Jahr (?) aussieht. Herr Kollege: Wir kommen 🙂 .

Wie ist das immer noch nach einer Wahl? Da wird am Wahlabend allen gedankt. Hund, Katze, Mutter und Vater usw. Nun so weit, will ich nicht gehen, jedoch: Ich danke aber dem Kollegen Zöttl für seine Mühe mit der Abstimmung, vielleicht/hoffentlich macht er sich die Mühe in 2016 auch wieder. Ein herzliches Danke-schön natürlich auch an alle diejenigen, die meinen Blog gewählt haben und damit das schöne Ergebnis ermöglicht haben. Wie gesagt: Freut mich.

Und jetzt: Nun, jetzt geht es weiter. Ganz normal und in der „bekannten Qualität“. Entscheidungen und Ereignisse, über die ich berichten kann, gibt es genug.

Ach so: Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht. Die Blumen sind nicht für mich, sondern für den Kollegen Hoenig.

Klassischer Fehler XXIV: Die Fragen um die Schreckschusspistole beim Raub sollten bekannt sein

© J.J.Brown - Fotolia.com

© J.J.Brown – Fotolia.com

Wer kennt ihn nicht? Den Satz aus dem Film „Die Feuerzangenbowle“, der da lautet: „“Was ist eine Dampfmaschine“. An den wurde ich erinnert, als ich den BGH, Beschl. v. 20.01.2015 – 3 StR 523/14 – gefunden und gelesen habe. Nun, es geht nicht um eine Dampfmaschine 🙂 . Aber es geht um eine Frage, die die Rechtsprechung und vor allem auch den BGH immer wieder beschäftigt, nämlich: Wann ist eine Raubtat nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB qualifiziert und/oder welche Feststellungen sind beim Einsatz einer Schreckschusspistole erforderlich? Die Frage ist schon Gegenstand einer Entscheidung  des Großen Senats für Strafsachen gewesen, und zwar schon vor mehr als 10 Jahren. Sollte also bekannt sein – daher „Klassischer Fehler/Anfängerfehler“ -, so dass die nachfolgenden Ausführungen des BGH an sich überflüssig sein müssten:

„Der den Angeklagten M. betreffende Schuldspruch wegen besonders schweren Raubes hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die vom Landgericht angenommene Qualifizierung der Tat wegen der Verwendung einer Waffe oder eines gefährlichen Werkzeugs (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) wird von den Feststellungen nicht getragen.

Bedroht der Täter einer Raubtat das Opfer mit einer geladenen Schreckschusswaffe, erfüllt er den Qualifikationstatbestand nur, wenn nach deren Bauart der Explosionsdruck beim Abfeuern der Munition nach vorne durch den Lauf austritt (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48,  197). Feststellungen dazu hat die Strafkammer nicht getroffen; sie waren auch nicht entbehrlich, denn der Austritt des Explosionsdrucks nach vorne kann nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden (BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2010 – 3 StR 17/10, NStZ 2010, 390; vom 10. September 2013 – 4 StR 331/13, juris). Auch eine Typenbezeichnung oder eine sonstige Beschreibung der verwendeten Schreckschusspistole, die eine Beurteilung ihrer bauartbedingten Wirkungsweise im Revisionsverfahren ermöglicht hätte (vgl. insoweit etwa BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 – 3 StR 57/11, NStZ 2011, 702; Beschluss vom 11. November 2014 – 3 StR 451/14, juris Rn. 4 mwN), findet sich in dem angefochtenen Urteil nicht. Der neue Tatrichter wird deshalb zur Bauart der Waffen ergänzende Feststellungen zu treffen haben. Die übrigen Feststellungen zum Tathergang und zur Person des Angeklagten M. sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können deshalb bestehen bleiben.“

Ich kann nur hoffen, dass es dem BGH nicht langweilig wird ….