Heute dann mal ein „Berufsrechts-Tag“ mit zwei berufsrechtlichen Entscheidungen. Die eine ist der im BGH, Beschl. v. 01.12.2014 – AnwZ (Brfg) 29/14 – vgl. dazu bereits das Posting:“… weil wir bei Betrug keinen Spaß verstehen und schon gar nicht, wenn ein Rechtsanwalt der Betrüger ist!!!!” -, die andere ist dann jetzt das BGH, Urt. v. 03.11.2014 – AnwSt (R) 5/14 -, in dem um die Frage eines/des Zurückbehaltungsreechts an den Handakten gegangen ist. In dem Verfahren hatte der Rechtsanwalt seine Mandanten in drei Gerichtsverfahren vertreten. Nachdem der Rechtsanwalt in eine Kanzlei in K. eingetreten ist, hatte ein anderen die Vertretung der Mandanten übernommen und in deren Namen den ersten Rechtsanwalt gebeten, die ihm durch die Eheleute überlassenen und für diese erhaltenen Schriftstücke herauszugeben. Die Herausgabe ist nicht erfolgt. Das AnwG und auf der AnwGH haben den Rechtsanwalt aus Rechtsgründen freigesprochen, weil keine berufsrechtliche Pflicht zur Herausgabe der Handakten bestehe. Die Revision der GStA hatte dann beim BGH Erfolg:
Der BGH hat eine Berufspflicht zur Herausgabe der Handakten bejaht. Diese sei zwar nicht ausdrücklich in § 50 BRAO geregelt, sei aber aus der Generalklausel des § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB und inzidenter auch der Vorschrift des § 50 BRAO zu entnehmen. Er hat es dahingestellt sein lassen, ob sich eine berufsrechtliche Herausgabepflicht unmittelbar aus § 43 BRAO ergibt; sie sei jedenfalls § 43 BRAO in Verbindung mit §§ 675, 667 BGB zu entnehmen. Und:
„c) Die anlasslose Zurückbehaltung der Handakten stellt auch, anders als der Anwaltsgerichtshof meint, ein gravierendes Fehlverhalten dar. Der Mandant übergibt dem Rechtsanwalt seine Unterlagen zur Besorgung des Auftrags in dem Vertrauen, dass dieser – sein – Rechtsanwalt sich für ihn einsetzt und sich zumindest rechtmäßig verhält. Kommt es, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Beendigung des Mandats und der Mandant verfolgt seine Rechtsangelegenheiten auf anderem Wege, etwa mit Hilfe eines anderen Rechtsanwalts weiter, kann er mit Fug und Recht erwarten, dass er seine dem früheren Bevollmächtigten ausgehändigten Originalunterlagen zurückerhält. Das Vorenthalten von Originalunterlagen kann, gerade in anhängigen Verfahren, zu einer erheblichen Schädigung des Mandanten führen. Ist der Rechtsanwalt hinsichtlich seiner Gebühren und Auslagen befriedigt, ist keinerlei Grund erkennbar, der ein solches Verhalten rechtfertigen könnte. Mit einer gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 BRAO) ist es keinesfalls vereinbar, widerspricht vielmehr in hohem Maße dem Vertrauen, dass der frühere Mandant in den Rechtsanwalt gesetzt hatte.“
Unfassbar, dass das sowohl AnwG als auch AGH der Auffassung waren, der Anwalt brauche zur Mandatsausführung überlassene (Original-)Unterlagen nach Mandatsausübung nicht zurückzugeben.
Noch so ein Knaller: AGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 07.11.2014, Az. 2 AGH 9/14:
Die Pflicht zur Erteilung von Ampfangsbekenntnissen nach § 14 BORA soll nicht für Zustellungen von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO) gelten, da die Rechtssetzungskompetenz in § 59b Abs. 2 Nr. 6 lit b. BRAO sich nur auf Pflichten gegenüber Gerichten und Behörden, nicht gegenüber RAen beziehe. Außer Acht gelassen hat der AGH natürlich, dass mit einer Empfangsverweigerung die Tätigkeit der Justiz im Allgemeinen behindert wird und dass eine derartige Zustellung ggü. dem Gericht die gleiche Wirkung entfaltet wie eine gerichtliche Zustellung. Eine Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Auffassung unterbleibt natürlich. Dafür wird lang ausgeführt, welche Versuche der Anwalt unternommen haben will, sich über seine Berufspflichten zu informieren … Na ja, wenigstens hat der AGH NRW zumindest die abstruse Würdigung des AnwG, dass die Unterzeichnung eines Empfangsbekenntnisses einen Parteiverrat darstellen soll (so noch AnwG Düsseldorf, Urteil vom 17.03.2014 – 3 EV 546/12), offengelassen.
Die anwaltliche Selbstverwaltung ist ja eine wichtige und m.E. richtige Sache, aber bei solchen Entscheidungen fragt man sich schon, welche Krähen da als Richter entscheiden…
Der BGH erkennt sogar das Recht zur Zurückbehaltung von Originalunterlagen des Mandanten bis zur Befriedigung in Bezug auf Gebühren und Auslagen an. Was will man mehr? 🙂
@n.n., das habe ich mich auch gefragt.
Im Artikel sollte vielleicht noch § 50 Abs. 4 erwähnt werden. Nacht dass es da zu Missverständnissen kommt, was überhaupt herauszugeben ist. In der Regel macht sich der Anwalt Kopien (Scans) der Unterlagen des Mandanten und leitet alle Schriftstück an ihn zur Kenntnis- / Stellungnahme weiter. Die Dinger, mit denen unterm Arm man Anwälte ins Gericht laufen sieht, gehören dem Anwalt (heutzutage teilweise auch die Dateien auf dem Tab o.ä.). Die muss er nicht herausgeben. Nur die Schriftstücke, die der Mandant aus welchem Grund auch immer nicht bekommen hat oder die er dem Anwalt im Original gegeben hat.
Gewissenhafte Berufsausübung?
Der BGH sollte lieber selbst gewissenhaft arbeiten! Die Handakten sind ja wohl nie herauszugeben, denn der BGH meint offensichtlich Originalunterlagen des Mandanten. Dann soll er das doch schreiben und nicht nicht falschen Oberbegriffen Stimmung machen.
Das würde letztlich auch für diese Blogüberschrift gelten.
ich tausche noch den Rechtschreibfehler des doppelten „nichts“ gegen ein „mit“
so ist das mit dem „gewissenhaft“
Ich habe immerhin meinen Fehler korrigiert, der offensichtlich ein Rechtschreibfehler war. Originalunterlagen des Mandanten sind aber NICHT Handakte. Fällt es Richtern schwer Fehler einzuräumen?
ich kaufe zumindest ein „ehemalige“. Im Übrigen bleibt doch Ihre Beanstandung im Netz, was also noch?
mir gefällt es nicht, wenn Sie sich inhaltlich mit meiner Kritik nicht auseinandersetzen, sondern lieber spöttisch reagieren.