In einem beim LG Augsburg anhängigen Verfahren hat der BGH im BGH, Beschl. v. 21.08.2014 – 1 StR 320/14 – zum zweiten Mal eine Entscheidung einer Strafkammer des LG aufheben müssen. Es geht um die Verhängung der Sicherungsverwahrung, die das LG beim Angeklagten offenbar „anordnen möchte“/muss. In der ersten Aufhebungsentscheidung, dem BGH, Beschl. v. 26.06.2012 – 1 StR 158/12 – hatte der BGH moniert, dass dem Angeklagten ein insoweit erforderlich rechtlicher Hinweis gemäß § 265 StPO nicht erteilt worden ist. Also eine verfahrensrechtliche Beanstandung (vgl. dazu: Allgemeines “Geplausche” in der HV reicht nicht für Sicherungsverwahrung).
Jetzt ging es um die Sache. Die nunmehr zuständige Strafkammer des LG Augsburg hatte nämlich erneut die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Bei der Prüfung der Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung hat sie einen Hang des Angeklagten zu strafrechtsrelevanten Rechtsbrüchen im Bereich der Sexualdelikte (§ 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB) auch darauf gestützt, dass er schon seit früher Jugend die Neigung aufweise, aus Bestrafungen nichts zu lernen, und keinerlei Anstrengungen unternommen habe, sich mit den Taten auseinanderzusetzen; ebenso habe er keine Angebote der JVA wahrgenommen, eine Sexualtherapie durchzuführen, da er seine Taten bis zum heutigen Tag abstreite. Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose hat die Strafkammer ausgeführt, dass mehrere Angebote der JVA, den Angeklagten in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter unterzubringen, an der mangelnden Bereitschaft des Angeklagten, die Taten einzuräumen, gescheitert seien. Das passt dem BGH nicht, denn:
Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit eines Angeklagten verwertet werden (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2001 – 5 StR 250/01, NStZ 2001, 595, 596; BGH, Beschluss vom 4. August 2009 – 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 271; Beschluss vom 20. März 2012 – 1 StR 64/12). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatelli-siert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zuläs-siges Verteidigungsverhalten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 9, 10). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10; BGH, Beschluss vom 5. April 2011 – 3 StR 12/11, StV 2011, 482). Auch wenn mit der Entscheidung des Senats vom 26. Juni 2012 der Schuld- und Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, durfte dem Angeklagten, solange über die Anordnung der Sicherungsverwahrung noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen war, nicht vorgeworfen werden, die ihm zur Last liegenden Sexualstraftaten nicht eingeräumt zu haben, zumal gerade auf diese bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abzustellen ist. Zwar hätte das Landgericht berücksichtigen dürfen, dass Umstände, die seiner möglicherweise bestehenden Gefährlichkeit entgegenwirken, nicht vorhanden sind. Hier hat das Landgericht aber schon die Gefährlichkeit mit dem Leugnen der verfahrensgegenständlichen Taten begründet.“
Da fehlt dann aber schon ein wenig Basiswissen, oder?