In einem beim AG Backnang anhängigen Verfahren, das seinen Ursprung in einem Bußgeldverfahren wegen überhöhter Geschwindigkeit hatte, das das AG den Angeklagten wegen übler Nachrede verurteilt. auffiel. Der hatte sich nach der Zustellung des Bußgeldbescheides an die zuständige Bußgeldstelle gewendet und dort gegenüber einer Zeugin geäußert, dass er mit dem Bußgeldbescheid nicht einverstanden sei, da sein Auto altershalber nicht mehr in der Lage sei, so schnell zu fahren wie im Bußgeldbescheid aufgeführt. Zudem behauptete er bewusst wahrheitswidrig, einer der eingesetzten Polizeibeamten sei alkoholisiert gewesen. In einem weiteren Gespräch benannte er dann den PHM A. namentlich und führte aus, dass er den Alkoholkonsum durch entsprechenden Atemgeruch festgestellt habe. Das hat dem Angeklagten im AG Backnang, Urt. v. 01.07.2014 – 2 Cs 96 Js 69894/13 (2) – eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 100 € wegen übler Nachrede eingebracht. Das AG ist davon ausgegangen, dass der Polizeibeamte nicht alkoholisiert war (zum Glück 🙂 ).:
“Durch die Tat hat sich der Angeklagte der üblen Nachrede schuldig gemacht. Die von ihm behauptete Tatsache, der Geschädigte PHM A. habe nach Alkoholkonsum seinen Dienst versehen, ist ersichtlich ehrenrührig. Von einem Polizeibeamten wird erwartet, dass er vor oder während des Dienstes keinerlei Alkohol zu sich nimmt, damit er den vielfältigen und schwierigen Aufgaben, die sein Amt mit sich bringt, pflichtgemäß nachkommen kann. Die Unterstellung, der Zeuge PHM A. habe gegen diese selbstverständliche Pflicht verstoßen, ist offenkundig geeignet, ihn verächtlich zu machen.
Das Gericht teilt nicht die Auffassung der Verteidigung, wonach die Äußerung des Angeklagten von Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG gedeckt sei. Dabei wurde nicht verkannt, dass es im sogenannten “Kampf ums Recht” verfassungsrechtlich erlaubt sein kann, zur plastischen Darstellung der eigenen Position auch starke und eindringliche Ausdrücke zu benutzen. Ob eine geäußerte -auch bewusst scharfe oder überspritzte- Kritik auch hätte anders formuliert werden können ist nicht von Relevanz, da auch die Form der Meinungsäußerung grundsätzlich der durch Artikel 5 Abs. 1 GG geschützten Selbstbestimmung unterliegt (so schon BVerfGE 54, 129).
Bei der vom Angeklagten getätigten Äußerung, PHM A. sei alkoholisiert gewesen und habe entsprechend nach Alkohol gerochen, handelt es sich aber nicht um ein Werturteil, sondern um die bewusste Behauptung einer unwahren Tatsache. Die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen bleibt jedoch von vornherein außerhalb des Schutzbereichs des Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG (BVerfG, Beschluss vom 29.02.2012, 1 BvR 2883/11).
Der Angeklagte hat einen Alkoholkonsum des PHM A. nicht lediglich als möglich in den Raum gestellt, sondern eine konkrete entsprechende Tatsachbehauptung aufgestellt. Zur Untermauerung hat er explizit behauptet, der Geschädigte habe nach Alkohol gerochen, diesen habe er wahrgenommen. Der Fall liegt mithin anders als der Sachverhalt in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der der Betroffene ausgeführt hatte, ein Polizeibeamter habe “wohl zu lange in der Sonne gestanden oder bei einem Fest mitgefeiert”. Die in diesem Verfahren zugrunde liegende strafrechtliche Verurteilung hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, weil der Betroffene dort wertend zum Verhalten eines Beamten Stellung genommen und nicht ein tatsächliches Geschehen zum Beweis angeboten habe. Vorliegend liegt jedoch keine wertende Stellungnahme vor. Vielmehr wurde wie bereits ausgeführt eine konkrete Tatsache behauptet, die erweislich unwahr ist. Auch handelte es sich nicht um eine spontane Unmutsäußerung im Stile von “der war doch besoffen” , vielmehr handelte der Angeklagte wohlüberlegt. Der Bußgeldbescheid war zum Zeitpunkt des mit dem Zeugen zuletzt geführten Telefonats bereits mehrere Tage zugestellt, und das Telefonat kam auf Initiative des Angeklagten zustande. Das Gericht geht deshalb davon aus, dass ihm die Wirkung seiner Äußerung sehr wohl bewusst war. Schlussendlich entlastet es den Angeklagten auch nicht, dass die Äußerungen “nur” gegenüber einer Behörde getätigt wurden. Der Tatbestand der üblen Nachrede setzt nicht voraus, dass die strafbare Äußerung gegenüber Privatpersonen getätigt wird. Darüber hinaus fielen die Äußerungen nicht gegenüber der Polizei, sondern gegenüber der Stadt Backnang, wobei dem Angeklagten klar war, dass er mit dem Zeugen G. nicht den zuständigen Sachbearbeiter im Bußgeldverfahren zum Gesprächspartner hatte. Ihm war bereits durch die Zeugin D. mitgeteilt worden, dass die Sachbearbeiterin nicht anwesend war. Dem Angeklagten ging es mithin nicht darum, seine Verteidigungsposition im Bußgeldverfahren zu untermauern. Nach alledem steht Art. 5 GG der Strafbarkeit des Angeklagten nicht entgegen.”
Der Angeklagte sieht es inzwischen auch so: Er hat seine Berufung gegen das Urteil zurückgenommen.