Wegen der materiellen Fragen zum Vollrausch hatte ich ja bereits über den OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.07.2014 – 1 Ss 36/14 – berichtet (vgl. Vollrausch), auf den ich dann noch einmal zurückkomme. Zu dem PostingBeschluss hatte es übrigens einen sehr schönen 🙂 Kommentar eines Lesers gegeben, der sich auf die Segelanweisung des OLG an das LG bezog, nämlich in der neuen Hauptverhandlung einesn Sachverständigen beizuziehen:
“[…]berufene Kammer für die Beurteilung der Schuldfähigkeit schon wegen des Cannabiskonsums einen Sachverständigen wird heranziehen müssen.[…]”
Jetzt braucht die Kammer schon einen Sachverständigen, da sie wegen des eigenen Cannabiskonsums nicht mehr zur Beweiswürdigung in der Lage ist. Justizskandal 2.0„.
Nun, ganz so schlimm wird es (hoffentlich) nicht (gewesen) sein. Wenn man jedoch die Ausführungen des OLG zur landgerichtlichen Strafzumessung liest, hat man allerdings schon den Eindruck, dass das LG bei der Strafzumessung nicht ganz auf der insoweit erforderlichen juristischen Höhe war, – aus welchen Gründen auch immer. Denn das OLG hat gleich drei Fehler festgestellt:
„3. Dem Landgericht sind darüber hinaus weitere Rechtsfehler bei der Strafzumessung unterlaufen:
So ist die Kammer zwar gemäß § 323 a Abs. 2 StGB vom Strafrahmen des § 315 c Abs. 3 StGB (Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren) ausgegangen, sie hat aber nicht die gebotenen Feststellungen zu einer etwaigen Strafmilderung nach §§ 49 Abs.1, 21 StGB getroffen. Solche Feststellungen wären erforderlich gewesen, weil die Kammer Schuldunfähigkeit nicht ausschließen konnte und lediglich von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen ist (UA S. 14). Ist das Verhältnis von Vollrausch und Rauschtat ein Stufenverhältnis, das die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ rechtfertigt, dürfen einem Angeklagten keine Nachteile aus seiner Anwendung erwachsen. Die Kammer hätte deshalb die Milderung des Strafrahmens erwägen müssen (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 17.10.1991, 4 StR 465/91, juris, Rn. 7; BGH, NStZ-RR 1996, 290; BGH, Urteil vom 28.06.2000, 3 StR 156/00, juris, Rn. 14; Münchner Kommentar/Geisler, § 323 a StGB, Rn. 80).
Sodann durfte das Landgericht die Höhe der Blutalkoholkonzentration von 2,15 g Promille, die aus Sicht der Kammer ein besonderes Maß an Pflichtwidrigkeit offenbare (UA S. 15), nicht strafschärfend berücksichtigen. Das Landgericht hat damit in unzulässiger Weise den Grund der Strafbarkeit, nämlich den Rausch, strafschärfend gewertet haben (vgl. hierzu: BGHR § 46 Abs. 3 StGB Vollrausch 1).
Ein weiterer Fehler ist der Kammer unterlaufen, als sie den hohen Schaden des Pkw (ca. 9000,- €) zulasten des Angeklagten gewertet hat (UA S.6, 16). Diesen Schaden durfte die Kammer zwar als besondere Folge der Tat berücksichtigen, obgleich sich die Strafzumessung grundsätzlich an den tatbezogenen Umständen der Rauschtat zu orientieren hat (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 323 a Rn. 22) und die Gefährdung des Täterfahrzeugs bei § 315 c StGB nicht vom Schutzbereich erfasst wird (BGHSt 27, 40; BGH, Beschluss vom 19.01.1999, 4 StR 663/98, juris, Rn. 9; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 315 c Rn. 15 c). Das Landgericht hätte den Schaden jedoch nicht – wie geschehen – auf der Grundlage einer bloßen „Einschätzung des Zeugen B.“ ermitteln dürfen, weil nicht erkennbar ist, weshalb der Zeuge (Polizeibeamter) über die erforderliche Sachkunde verfügt.“