Der OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.07.2014 – 1 Ss 36/14 – behandelt zunächst mal „nur“ einen Vollrausch (§ 323a StGB) Problematik, zu der ich hier nur die Leitsätze des OLG einstellen will, da sich die m.E. von selbst erschließen und nichts wesentlich Neues enthalten, nämlich
1. Ein Rausch i. S. d. § 323a StGB verlangt den sicheren Nachweis, dass sich der Täter in einen Zustand versetzt hat, der ihn so beeinträchtigt, dass mindestens der Bereich verminderter Schuldfähigkeit erreicht ist.
2. Es gibt keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz, der dazu berechtigt, allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration auf eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit zu schließen. Liegt der Wert der Blutalkoholkonzentration über 2 g Promille besteht zwar Anlass, die Frage der verminderten Schuldfähigkeit zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen, jedoch bedeutet dies für sich allein noch nicht, dass eine verminderte Schuldfähigkeit tatsächlich sicher anzunehmen wäre.
3. Die sog. Maximalrechnungsmethode (maximaler Abbauwert von 0,2 g Promille je Stunde sowie einmaliger Sicherheitszuschlag von 0,2 g Promille) führt zu besonders hohen Blutalkoholkonzentrationen und darf deshalb nicht zur Anwendung kommen, wenn sich die Höhe der Blutalkoholkonzentration – wie hier bei der Feststellung des Tatbestands – zum Nachteil des Täters auswirkt.
4. Ist das Verhältnis von Vollrausch und Rauschtat ein Stufenverhältnis, das die Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ rechtfertigt, dürfen einem Angeklagten keine Nachteile aus seiner Anwendung erwachsen.
So weit, so gut, da weiß das LG dann wie es nach Aufhebung durch das OLG mit dem Verfahren umgehen soll/muss, vor allem weil das OLG dann in der „Segelanweisung“ – ggf. sicherheitshalber – gleich noch eine weitere Vorgabe macht:
„Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass die nunmehr zur Entscheidung berufene Kammer für die Beurteilung der Schuldfähigkeit schon wegen des Cannabiskonsums einen Sachverständigen wird heranziehen müssen. Außerdem wird sie bei der Frage der Schuldfähigkeit ein größeres Augenmerk auf psychodiagnostische Umstände legen müssen. In diesem Zusammenhang erscheint es auf der einen Seite von Bedeutung, dass der Angeklagte nach dem Feststellungen der Kammer (UA S. 5 f.) immerhin in der Lage war, das Fahrzeug von Göttingen bis Hillerse zu steuern. Auf der anderen Seite wird die Kammer aber auch das ungewöhnliche Nachtatverhalten des Angeklagten, der trotz des Unfalls in dem Wagen blieb und sich erst einmal schlafen gelegt hat (UA S. 6), in ihre Überlegungen einbeziehen müssen. Ebenso gilt dies für die Frage, ob eine fahrlässige oder aber vorsätzliche Begehungsweise anzunehmen ist, denn auch letztere erscheint, gerade wegen der kombinierten Rauschmittel, durchaus möglich.“
Also danach kann dann ja nun gar nichts mehr falsch gemacht werden, zumal das OLG auch Anmerkungen zur Strafzumessung hatte. Aber auf die komme ich noch mal gesondert zurück.
„[…]berufene Kammer für die Beurteilung der Schuldfähigkeit schon wegen des Cannabiskonsums einen Sachverständigen wird heranziehen müssen.[…]“
Jetzt braucht die Kammer schon einen Sachverständigen, da sie wegen des eigenen Cannabiskonsums nicht mehr zur Beweiswürdigung in der Lage ist.
Justizskandal 2.0
oder Vollrausch beim OLG? 🙂