Nicht selten stecken/kommen Verteidiger bei inhaftierten Mandanten in ein Dilemma, wenn es nämlich um die Frage geht, welche Sachen und Nachrichten, vor allem Briefe, er an seinen Mandanten weitergeben kann/darf. Die Frage und vor allem die richtige Antwort ist für den Verteidiger vor allem auch deshalb von Bedeutung, weil die falsche Antwort zu einem Verstoß gegen § 115 Abs. 1 OWiG (die Vorschrift des § 258 StGB lassen wir mal außen vor) und ggf. sogar zu einem Ausschluss nach § 138a Abs. 1 StPO als Verteidiger führen kann. Ein wenig Licht ins Dunkel bzw. eine Abgrenzung lässt sich dem OLG Karlsruhe, Beschl. v. 03.02.2014 – 2(6) SsBs 628/13-AK 166/13 – entnehmen. Da hatte die Staatsanwaltschaft einen Verstoß gegen § 115 Abs. 1 OWiG angenommen, weil der Verteidiger in einem Strafverfahren mit dem Vorwurf der Vergewaltigung gegen den Mandanten, diesem die Kopie eines Briefes übermittelt hatte, den das mutmaßliche Opfer der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat an ihn geschrieben hatte. Das AG hatte den Verteidiger frei gesprochen, das OLG hat den Freispruch bestätigt und das Verhalten des Verteidigers als durch das sog. Verteidigerprivileg des § 148 Abs. 1 StPO gedeckt gesehen.
„Da ein ungehinderter Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer wirksamen Strafverteidigung gehört (vgl. BVerfG NJW 2007, 2749), muss die Verteidigung von jeder Behinderung oder Erschwerung freigestellt, der Anwalt wegen seiner Integrität als Organ der Rechtspflege jeder Beschränkung enthoben sein (BGHSt 27, 260 <262>; 53, 257 <261>; NJW 1973, 2035). Allerdings ist der Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nur für die Zwecke der Verteidigung frei. Das Verteidigerprivileg des § 148 Abs. 1 StPO ist deshalb auf solchen Verkehr beschränkt, der unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung dient, und umfasst daher nur Schriftstücke, die unmittelbar das Strafverfahren betreffen (BVerfG NJW 2010, 1740; BGHSt 26, 304; OLG Dresden NStZ 1998, 535; LG Tübingen NStZ 2008, 643; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 115 Rn. 21; Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, §115 Rn. 33; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 115 Rn. 24; krit. Wieder StV 2010, 146).
Der vom Betroffenen übermittelte Brief wies indes einen solchen direkten Bezug zur Verteidigung auf. Zwar hatte sich das mutmaßliche Opfer darin nicht zu dem Vergewaltigungsvorwurf selbst geäußert. Die in dem Schreiben zum Ausdruck gebrachte positive Einstellung der Absenderin gegenüber dem Adressaten war jedoch – insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil an – für die Glaubhaftigkeit der Aussage des mutmaßlichen Tatopfers und damit für die Beurteilung des dem Beschuldigten gemachten Tatvorwurfs, der maßgeblich auf den Angaben des mutmaßlichen Tatopfers beruhte, von Bedeutung und betraf deshalb unmittelbar die Verteidigung des Beschuldigten gegen diesen Tatvorwurf.
M.E. zutreffend, aber: Dennoch Vorsichtig!!
Ein Staatsanwalt, der sich in einem derartigen Fall den unmittelbaren Bezug zur Verteidigung vom OLG erklären lassen muss, weil ihm die Ausführungen des AG nicht genügen, hat eindeutig den falschen Beruf ergriffen.