Eine der zum RVG immer noch heftig umstrittenen Fragen ist die danach, wie eigentlich der (bestellte) Zeugenbeistand seine Tätigkeiten abrechnet: Nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG als Einzeltätigkeit oder nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG. Da geht es in der Rechtsprechung mehr oder weniger fröhlich in und her, die Literatur ist einhellig der (zutreffenden) Auffassung: Teil 4 Abschnitt1 VV RVG. Klarheit hat da auch das 2. KostRMoG nicht gebracht. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung enthielt zwar eine Klarstellung der Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG, die die Frage entschieden hätte – im Sinne der Literatur, die Bundesregierung hat dann aber vor den Bundesländern gekniffen. Die hatten Angst ums Geld- vornehmer ausgedrückt heißt das: Man befürchtet nicht „sachgerechte“ Ergebnisse. Jedenfalls kann man m.E. aber deutlich aus dem Entwurf entnehmen, was der Gesetzgeber sich 2004 bei Schaffung des RVG gedacht hat. Also sollte man m.E. erwarten, dass nun die Rechtsprechung sich bewegt und das umsetzt. Mitnichten. Sie bewegt sich zwar, aber z.T. in die andere Richtung. Ein „schönes“ Beispiel ist da der OLG München, Beschl. v. 04.03.2014 – 4c Ws 51/14 – in dem das OLG seine frühere richtige Rechtsprechung aufgibt und nun nur noch nach Teil 4 Abschnitt 3 VV RVG vergütet. Die Argumente sind bekannt und ausgetauscht, insoweit nichts Neues. Für mich nicht nachvollziehbar. Aber: Das OLG setzt sich wenigstens mit der geplanten und nicht durchgeführten Klarstellung auseinander:
dd) Der Bewertung der Tätigkeit des für die Vernehmung beigeordneten Zeugenbeistandes als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziffer 4 VV RVG stehen auch die Gesetzesmaterialien nicht entgegen. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfes sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren eines Rechtsanwaltes für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden. Der Rechtsanwalt soll zwar bei diesen Tätigkeiten die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten (BT-Drucksache 15/1971 S. 220). Dagegen sollen nach dem Gesetzeswortlaut in der Vorbemerkung die Regelungen nur entsprechend anwendbar sein (Teil 4 Ziffer 1 VV RVG). Der Versuch der Bundesregierung im Jahre 2012, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, den Meinungsstreit über die Vergütung des Zeugenbeistandes zu beenden, indem die Vorbemerkung zu Teil 4 Ziffer 1 VV RVG die Regelung erhalten sollte, dass „der Rechtsanwalt die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger im Strafverfahren“ für entsprechende Beistandsleistungen erhalten sollte und damit eine entsprechende Formulierung wie bei der Vorbemerkung zu Teil 5 Absatz 1 VV RVG zu wählen (BT-Drucksache 17/11471 S. 123), ist gescheitert. Der Bundesrat hat diese Änderung mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Vergütung an Art und Umfang der erbrachten Leistung orientieren soll. Die Verantwortung des Zeugenbeistandes könne jedoch nicht mit der eines Verteidigers, der seinen tat-sächlich mit dem konkreten Strafvorwurf konfrontierten Mandanten umfassend vertritt, gleichgesetzt werden. Der Zeugenbeistand könne lediglich unzulässige Fragen beanstanden und solle die sachgerechte Ausübung von Zeugnisverweigerungsrechten er-möglichen. Er habe ein Recht zur Anwesenheit nur während der Vernehmung des von ihm vertretenen Zeugen, nicht während der gesamten Verhandlung. Seine Tätigkeit ende mit dem Abschluss der Vernehmung des von ihm vertretenen Zeugen. Er habe kein Antrags- und Fragerecht im Termin. Er habe ein Akteneinsichtsrecht nur im Rahmen des § 475 StPO. Es sei daher nicht sachgerecht, für diese begrenzte Tätigkeit die gleichen Gebühren anzusetzen wie für das Wirken eines Verteidigers (BR- Drucksache 517/1/12 Seiten 94 und 95).“
ee) Auch der Umstand, dass die Vorbemerkung Teil 5 Ziffer I für Bußgeldsachen folgende Regelung enthält: „Für die Tätigkeit als Beistand oder Vertreter eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligen, eines Zeugen oder eines Sachverständigen in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil bestimmen, entstehen die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren“ führt zu keiner an-deren Betrachtung. Es handelt sich um einen gesetzgeberischen Widerspruch, der nicht aufgeklärt werden kann. Trotz des Hinweises im Gesetzgebungsverfahren durch die Bundesregierung (BT-Drucksache 17/11471 S. 123 zu Nr. 60), wurde der Wortlaut der Vorbemerkung zu Teil 4 Ziffer 1 nicht abgeändert bzw. der Vorbemerkung zu Teil 5 Ziffer I angepasst.“