Um es vorsichtig auszudrücken: Die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO – in Zusammenhang mit Verständigungsgesprächen – hat im Moment beim BGH – nach der Entscheidung des BVerfG vom 19.03.2013 zur Absprache – heute ist also Jahrestag – einen Lauf. Gefühlt vergeht m.E. derzeit keine Woche, in der nicht auf der HP des BGH eine Entscheidung veröffentlicht wird, die mit § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO zusammenhängende Frage behandelt. Und ich habe den Eindruck, dass die Mitteilungspflicht immer weiter ausgedehnt wird. Nun, dass das Wetter am Tag, an dem die Verständigung zustande gekommen ist, auch mitgeteilt worden ist, ist sicherlich ein wenig weit, aber die Mitteilungspflicht geht immer weiter. Vielleicht liegt das ja daran, dass man/das Revisionsgericht über § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO „Verständigungen kippen“ kann.
Ein Beispiel ist der BGH, Beschl. v. 13.02.2014 – 1 StR 423/13. Verfahrensablauf war verkürzt wie folgt: Vor der Hauptverhandlung kam es am im September 2011 nach einer ersten Einreichung der Anklageschrift zu einem Gespräch zwischen dem Vorsitzenden, dem Berichterstatter, dem zuständigen Staatsanwalt und den beiden damaligen Verteidigerinnen des Angeklagten. Zu einer Einigung kam es zu diesem Zeitpunkt nicht, weil die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft eine solche Verständigung ablehnten. Nach dem Gespräch reichte die Staatsanwaltschaft eine ergänzte und teilweise neu gefasste Anklageschrift bei Gericht ein, die schließlich unter Eröffnung des Hauptverfahrens unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Am 21.01.2013 kam es zu einem weiteren Gespräch zwischen den drei Berufsrichtern der Kammer, dem zuständigen Staatsanwalt und den Verteidigerinnen, in dem ebenfalls die Möglichkeit einer Verständigung erörtert wurde. Zu Beginn der Hauptverhandlung teilte der Vorsitzende nach Anklageverlesung lediglich mit, dass es am 21.01.2013 ein Gespräch zwischen den Verfahrensbeteiligten gegeben habe, in dem die Möglichkeit einer Verständigung erörtert worden sei. Das reicht nicht, sagt der BGH:
„b) Demnach musste der Vorsitzende im Rahmen seiner Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO auch nähere Angaben zu dem Gespräch vom 20. September 2011 machen, denn in diesem Gespräch ging es inhaltlich da-rum, die Möglichkeit einer Verständigung im Sinne von § 257c StPO abzuklären. Die Mitteilung bloß des letzten vor der Hauptverhandlung zwischen den Verfahrensbeteiligten geführten Gesprächs, dessen Gegenstand die Möglich-keit einer Verständigung war, reicht nicht aus.
c) Dass – wie in den Urteilsgründen mitgeteilt – die Anklage im Januar 2011 zur „Nachbesserung“ an die Staatsanwaltschaft zurückgegeben und erst im Juni 2012 mit Änderungen und Ergänzungen neu eingereicht wurde, woraufhin das Hauptverfahren im Oktober 2012 eröffnet wurde, führt zu keiner anderen Bewertung.
Die Mitteilungspflicht aus § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO betrifft sämtliche, auf eine Verständigung abzielenden Erörterungen vor Eröffnung des Hauptverfahrens (vgl. § 202a StPO). Eine Einschränkung der Mitteilungspflicht für den (gesetzlich ohnehin nicht vorgesehenen) Fall einer Rückgabe einer Anklageschrift zur „Nachbesserung“ enthält das Gesetz nicht. Durch die Einreichung einer geänderten und ergänzten Anklageschrift wird auch nicht etwa ein völlig neues Verfahren in Gang gesetzt, das die Mitteilung vorheriger Gespräche entbehrlich machen würde. Schließlich kann die Änderung der Anklage gerade Ergebnis vorheriger, auf eine Verständigung abzielender Gespräche der Verfahrensbeteiligten sein. Auch der Sinn und Zweck der Norm gebietet insoweit keine Einschränkung der gesetzlichen Mitteilungspflicht, denn der Angeklagte, die Schöffen und die Öffentlichkeit haben auch in diesen Fällen ein berechtigtes Interesse an der Kenntnis solcher Vorgespräche. Weitergehender Vortrag zu diesem Punkt – etwa die Mitteilung der früheren und der geänderten Anklageschrift – kann deshalb nicht verlangt werden.
2. Anders als der Generalbundesanwalt kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht…..“