Der Kollege, dem der OLG Naumburg, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 Ws (s) 7/14 – gilt, hat ihn mir mit dem dazu gehörenden Schriftwechsel zu kommen lassen.Und da stehen dann in dem Beschluss „starke Worte“ des OLG, die mich ob ihrer „Stärke“ dann doch erstaunen. Ich kann mich nicht erinnern, dass der Senat, dem ich angehöre, mal so formuliert hat. Und ich frage mich auch, ob das sein muss?
In der Sache geht es um den Dauerbrenner Terminsverlegung. Der Kollege hat einen Termin bei der Berufungskammer mit dem Vorsitzenden abgesprochen. Danach flattert ihm eine Ladung in einer Kindschaftssache auf den Tisch; den Termin hatte das AG nicht abgesprochen. Der Kollege beantragt unter Hinweis auf § 155 FamFG – kannte ich bisher auch nicht 😉 – die Verlegung der Strafkammertermins. Die wird abgelehnt und der Kollege geht in die Beschwerde. Im Verfahren hatte er auf die Rechtsprechung hingewiesen, die davon ausgeht, dass Gericht versuchen muss, Terminskollisionen des Verteidigers abzustellen/zu überwinden.
Mitnichten in Naumburg, denn man antwortet dort wie folgt:
„Der Vorsitzende hat den Termin mit dem Verteidiger abgestimmt. Hinsichtlich des Termins, den der Verteidiger vor dem Amtsgericht Aschersleben wahrzunehmen beabsichtigt, gilt folgendes: Entweder die Anwesenheit des Verteidigers im Termin vor dem Amtsgericht Aschersleben ist nicht unabdingbar, etwa weil der Termin auch von einem anderen Anwalt wahrgenommen werden kann, dann ist dies sowieso kein Grund, den abgesprochenen Termin in der Strafsache aufzuheben. Oder Rechtsanwalt R. muss unbedingt vor dem Amtsgericht Aschersleben in jener Sache erscheinen. Dann ist er gehalten, die Verlegung des Termins vor dem Amtsgericht Aschersleben zu betreiben, etwa unter Hinweis auf die unterbliebene Terminsabstimmung.
Die Vorstellung der Verteidigung, es sei Sache der Gerichte, Terminskollisionen zu vermeiden, ist an Absurdität nicht mehr zu überbieten. Es ist dem Vorsitzenden der 6. kleinen Strafkammer ebenso wenig wie allen anderen Richtern zuzumuten, bei allen Spruchkörpern aller deutschen Gerichte anzufragen, ob der Verteidiger dort möglicherweise kollidierende Termine hat.“
So m.E. mit Sicherheit nicht richtig, wenn ich die vom Kollegen zitierte Rechtsprechung, die sich auch in meinen Handbüchern findet, richtig verstehe (ich will nicht gleich mit dem Wort „abwegig“ kommen 🙂 ). Im Übrigen passt die Argumentation auch nicht. Der Kollege hatte das, was der Senat ihm unterstellt zu meinen: „Erkundigungs-/Anfragepflicht“ gar nicht gemeint/geschrieben. Zudem ging es auch gar nicht mehr um eine allgemeine Anfrage bei/vor einer Terminierung, sondern um eine Terminskollision und um deren Beseitigung. Wie gesagt: „starke“, aber m.E. nicht unbedingt richtige Worte aus Naumburg.
Ich werfe einfach mal die Frage auf, warum der Kollege nicht versucht hat, die Kindschaftssache zu verlegen? Immerhin hat er den Termin mit dem LG selbst ausgemacht. Ich finde die Argumentation des OLG insoweit nicht abwegig:
„Oder Rechtsanwalt R. muss unbedingt vor dem Amtsgericht Aschersleben in jener Sache erscheinen. Dann ist er gehalten, die Verlegung des Termins vor dem Amtsgericht Aschersleben zu betreiben, etwa unter Hinweis auf die unterbliebene Terminsabstimmung.“
Der letzte von Ihnen zitierte Satz des OLG mit der Absurdität ist allerdings ziemlich neben der Spur, da gebe ich Ihnen Recht.
Der Kollege verweist auf § 155 FamFG. Ich gebe Ihnen Recht, dass der Weg über das AG vielleicht einfacher gewesen wäre.
Es ging mir auch mehr um den letzten Satz im Beschluss
§ 155 FamFG dürfte doch lediglich den Familien-, nicht aber den Strafrichter binden, gilt das FamFG doch nur für das Verfahren in Familiensachen sowie in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 1 FamFG.
Einheitlichkeit der Rechtsordnung? 🙂
Muss dann aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung der Familienrichter seinerseits einen abgestimmten Termin verlegen, weil der Strafrichter in einer dem Beschleunigungsgebot unterfallenden Führerscheinsache ohne Abstimmung auf denselben Tag terminiert?
Der Tonfall des OLG ist sicher nicht angemessen (wobei mich allerdings der in der Beschwerdebegründung angeschlagene Tonfall auch interessieren würde, manchmal hallt es ja so aus dem Wald heraus, wie man vorher hineingerufen hat), andererseits: ich verstehe den RA nicht: weshalb wird, wie hier zurecht schon gefragt wurde, nicht die Verlegung des später be- und nicht abgestimmten Termins beim AG beantragt? Und wenn man das schon nicht macht: warum greift man nicht zum Telefon und schildert dem Vorsitzenden sein Problem, idealerweise verbunden mit der Unterbreitung eines Vorschlags für einen Alternativtermin? Und: eigentlich hätte man wissen können, dass die Ablehnung der Verlegung eines abgestimmten Termins kaum als derart neben der Spur liegend werten kann, dass eine Beschwerde auch nur halbwegs erfolgversprechend wäre.
sorry, aber darum geht es mir gar nicht. Telefon ist immer gut.
Es geht um den Ton des OLG. Die Beschwerdebegründung war m.E. ok.
Ok, dann bleibt für den Senat eigentlich nur noch der Rat, vor der nächsten Beschlussfassung zru Abregung eine Runde Holzhacken zu gehen oder kalt zu duschen… 😉
@ DB:
Aus 155 FamFG hätte ich jetzt eher den Schluss gezogen, dass sich der Familienrichter bei der zügigen Neuterminierung seiner Sache mal so richtig Mühe geben muss. Nicht aber, dass er in die Terminierungen anderer Gericht eingreifen kann.
Aber sonst bin ich ganz auf Ihrer Seite.
@TH
Diesen Senat möchte ich mir nicht mit Äxten in den Händen vorstellen. Auch nicht beim Holz hacken. 😉
Ich verstehe gar nicht, warum der Beschluss eines Oberlandesgerichts, an dem ein ganzer Senat straffrei Rechtsbeugung (BVerfG, NJW 2005, 2685 und 1 Ws 504/07) begehen kann, überhaupt noch erwähnenswert ist.
Wenn Anstand und Rechsstaatlichkeit in Sachsen-Anhalt Inhalt gegeben werden würde, würde dieses Gericht aufgelöst werden.
Naumburg, Naumburg … War da nicht schon mal was mit den Richtern eines Zivilsenats des OLG Naumburg? So um 2004, 2006 herum? Woran dann auch eine Strafkammer in Halle beteiligt wurde? Haben die in Naumburg schlechte Luft oder sowas?
😉
Schlechte Luft vielleicht nicht… aber offenbar schlechte Laune. 🙂
Naumburg!
Vor vielen Jahren hatte ich mit dem Präsidenten des Gerichtes einen Schriftwechsel um die Frage, ob ich für meinen Laptop den Strom aus der Dose der Gerichte entnehmen darf. Er hat es tatsächlich untersagt.
Der gedankliche Fehler – genauer: die Rechtsunkenntnis- liegt in der zweiten Alternative:
„Oder Rechtsanwalt R. muss unbedingt vor dem Amtsgericht Aschersleben in jener Sache erscheinen. Dann ist er gehalten, die Verlegung des Termins vor dem Amtsgericht Aschersleben zu betreiben, etwa unter Hinweis auf die unterbliebene Terminsabstimmung.“
Eben dies ist dem RA nicht möglich; eine andere Terminierung, sei sie auch zeitlich noch so weiter vorher gewesen oder telefonisch abgestimmt, ist kein „zwingender Grund“ iSd § 155 IV S 4 FamFG. Da gibt es an den Familiengerichten keine zwei Meinungen; ansonsten liefe das Beschleunigungsgebot nämlich leer. Natürlich KANN man als RA versuchen, den Familienrichter zu einem anderen Termin zu überreden (Hinweis darauf, dass man vor dem OLG Naumburg verhandelt – und Sie wissen ja, wie beknackt Ihre Kollegen da sind, nicht wahr?), aber möchte man DAS in Naumburg?!
Dass es an manchen Familiengerichten keine zwei Meinungen gibt mag sein, gleichwohl ist der Vorschrift keine über den Geltungsbereich des FamFG hinausreichende Bindungswirkung beizumessen. Der Familienrichter steht nicht über dem Straf- oder Zivilrichter. Wenn er für eine Abstimmung seiner Termine keine Zeit/keine Lust hat oder sich dafür zu fein ist, ist das nicht das Problem des Strafrichters, der seine Termine abstimmt.
@Hoenig/Jede/Matthias:
Gibt es jetzt auf Jahre hinaus Sippenhaft für die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Gericht/Gerichtsbezirk?
Was ist denn, wenn demnächst wieder einmal in einem RAK-Bezirk ein Anwalt wegen Untreue verurteilt wird (eine google-Abfrage liefert nicht wenige Treffer).. Sind dann alle RAe aus diesem Bezirk auch gleich potentielle Verbrecher, denen kein Mandant über den Weg trauen darf?
Soweit ich weiß hat man in Karlsruhe bei Görgülü zuerst auch nicht unbedingt ohne Zaunpfahl aus Straßburg Aktivität entfaltet.
@meine5cent
An diesem Gericht zu arbeiten oder gar zu urteilen heißt, sich der Rechtsbeugungsgeschichte dieses Gerichts zu stellen. .
Oder um es mit Willi zu sagen, man kann nicht durch die Jauche waten ohne zu stinken.
@ihre5cent:
lesen sie doch mal tucholsky, das ist amüsant und erweitert den horizont ungemein:
„Kollektivurteile sind immer ungerecht, und sie sollen und dürfen ungerecht sein. Denn wir haben das Recht, bei einer Gesellschaftskritik den niedersten Typus einer Gruppe als deren Vertreter anzusehen, den, den die Gruppe grade noch duldet, den sie nicht ausstößt, den sie also im Gruppengeist bejahend umfaßt.“
http://www.textlog.de/tucholsky-deutsche-richter.html
@ kollege mohr:
haben sie sich das so vom familienrichter ihres vertrauens erklären lassen? 😉
nur leider stimmt es nicht. aus dem beschleunigungsgrundsatz folgt allein die pflicht zur zeitnahen terminierung, nicht aber das recht, wie die axt im walde zu terminieren. 😉
@n.n. : hier im Blog geht es aber in der Regel nicht um fundamentale Gesellschaftskritik, da kann man alles mögliche dumme Zeug daherreden, seine Schubladen so zusammenzimmern und sich die Bretter vor den Kopf nageln, wie es jedem gefällt. Es geht um eine einzelne Beschwerdeentscheidung eines Spruchkörpers. Wenn man mit derartigen Kollektivurteilen bei konkreten Einzelfällen diskutiert, braucht man gar nicht diskutieren, denn dann endet alles darin, dass Strafverteidiger sowieso nur skrupellos ebenso skrupellose Verbrecher und niederträchtige Subjekte gegen möglichst viel Geld heraushauen wollen, Richter stinkfaule Rechtsbeuger auf den Spuren von Freisler sind und was sonst noch so an Dummheiten durch die Hirne geistert. Das dürfte vermutlich nicht im Sinne von Herrn Burhoff sein.
In der Gesetzesbegründung zu § 155 FamFG heisst es (BT-DRs 16/6308, S. 236)
Kein ausreichender Grund ist das Vorliegen einer Terminskollision für einen Beteiligtenvertreter in einem anderen Verfahren, sofern es sich nicht ebenfalls um eine der in Absatz 1 aufgeführten Angelegenheiten handelt. Dieser hat vielmehr in der anderen Sache einen Verlegungsantrag zu stellen, dem das Gericht wegen des Vorrangs der Kind- schaftssache stattzugeben hat.
aus berufenem Mund. Danke.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich bin der Kollege, der Herrn Kollegen Burhoff die hier diskutierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg übermittelt hat und auf dessen Beschwerde hin diese Entscheidung ergangen ist.
Anlässlich einer Fortbildungsveranstaltung mit dem Richter am Oberlandesgericht Brandenburg, Herrn Götsche, im Jahre 2008 in Magdeburg wurde das Problem des § 155 Abs. 2 S. 4 FamFG von mir bereits angesprochen. Bereits damals habe ich meine Bedenken geäußert, dass diese Regelung von den Strafrichtern und Strafgerichten wahrscheinlich keine Beachtung finden wird und unterminimiert werden wird. Am Ende wird der Verteidiger die sich hieraus ergebenden Probleme allein bewältigen müssen.
Nachdem zumindest das Landgericht Magdeburg in einer Entscheidung, die von mir erstritten wurde und die ich in der Beschwerde auch anführte, den Intentionen des Gesetzgebers, auf die Herr Burschel weiter oben bereits hinwies, folgte, haben nun das Landgericht Magdeburg und auch das Oberlandesgericht in Naumburg diese Intentionen des Gesetzgebers erneut unbeachtet gelassen.
Neben der partiellen Rechtsunkenntnis des Oberlandesgerichts, die meines Erachtens aus der Entscheidung spricht, hat das Oberlandesgericht offensichtlich verkannt, dass die Gerichte, somit auch die Strafgerichte, zur Behebung von (bereits entstandenen) Terminskollisionen des Verteidigers verpflichtet sind. Hierzu gibt es mittlerweile eine gefestigte Rechtsprechung, die ich in der Beschwerdebegründung anführte und die auch bei Kollegen Burhoff nachzulesen ist.
Es kann, und dies habe ich in der von mir vorgelegten Beschwerde nicht als Erwartung zum Ausdruck gebracht, nicht die Aufgabe eines Gerichts sein, mit allen in Deutschland vorhandenen Gerichten Vorabgespräche zu führen, um Termine abzustimmen und Terminskollisionen zu vermeiden.
Auf eine solche Idee muss man auch erst einmal kommen …
Solches meinte das Oberlandesgericht wohl – völlig unzutreffend und unbegründet – in meiner Beschwerde erblicken zu wollen oder zu müssen.
So etwas ist natürlich von keinem Gericht zu erwarten und zu verlangen, sondern die Gerichte trifft nur die Pflicht zur Behebung von entstandenen Terminskollisionen.
Insofern ist sicherlich auch die von dem Oberlandesgericht gewählte Formulierung nicht die für die Begründung eines Judikats geeignetste, sie ist auch nicht nur unhöflich.
Im übrigen haben Berufskollegen der Richter des Naumburger Senats diese Rechtsprechung entwickelt.
Von daher dürfte es nach meiner Auffassung auch mehr als unfein sein, auf welche Art und Weise das Oberlandesgericht Naumburg die von ihren Berufskollegen zu verantwortende und hier zitierte einschlägige Rechtsprechung einer Bewertung unterzieht.
Die Kommentierung in der familienrechtlichen Literatur folgt den Intentionen des Gesetzgebers an der von Herrn Burschel an o.g. genannten Stelle soweit erkennbar jedenfalls einhellig.
§ 156 Abs. 2 S. 4 FamFG legt fest, dass eine Verlegung des Termins nur aus zwingenden Gründen möglich ist.
Erhebliche Gründe im Sinne von § 32 Abs. 1 S. 2, § 227 ZPO sollen nicht ausreichen (BT-Drs. 16/6308, 236). Ein zwingender Grund liegt vor, wenn eine Teilnahme am Termin tatsächlich unmöglich ist (BT-Drs. 16/6308, 236). Als Beispiel nennt der Gesetzgeber die Erkrankung (BT-Drs. 16/6308, 236) wohl eines Beteiligten bzw. eines Verfahrensbevollmächtigten. Eine Erkrankung als solche im Sinn einer Arbeitsunfähigkeit dürfte nicht ausreichen; zu fordern ist eine Erkrankung, die eine Wahrnehmung des Termins unmöglich macht. Eine Terminskollision ist kein zwingender Grund im Sinne dieser Vorschriften (Heilmann NJW 2012, 887 (888)), es sei denn, es handelt sich um eine Angelegenheit nach Abs. 1. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist in der kollidierenden Angelegenheit ein Verlegungsantrag zu stellen, dem das Gericht wegen des Vorrangs der Kindschaftssache stattzugeben hat.( BeckOK FamFG § 155 Rn 19–20; Beck’scher Online-Kommentar FamFG Hrsg: Hahne/Munzig; Haußleiter Familienverfahrensgesetz 1. Auflage § 155 Rn. 12; Johannsen/Henrich, Familienrecht 5. Auflage 2010 Büte Familienverfahrensgesetz § 155 Rn. 11, Keidel, FamFG 18. Auflage 2014, Rn. 10; Musielak/Borth, FamFG 4. Auflage 2013 § 155 Vorrang- und Beschleunigungsgebot Rn. 6)
Die Verschärfungen der Anforderungen an einen Terminsverlegungsantrag in Abweichung von § 227 ZPO haben ihren Grund in dem Vorrang-und Beschleunigungsgebot in Kindschaftssachen gemäß § 155 Abs. 1 FamFG.
Die rechtliche Situation ist durch den Gesetzgeber sauber und eindeutig geregelt.
Gleichwohl wird man meines Erachtens weiter mit Problemen von Seiten der Strafgerichte als Verteidiger zu rechnen haben.
In diesem Sinne vielsagend ist die in der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts Magdeburg anzutreffende, eine gewisse Bockigkeit und Ignoranz gegenüber anderen Gerichten offenbarende Argumentation, der Termin sei doch mit dem Verteidiger vorher abgestimmt worden, wie kann der Verteidiger da überhaupt noch einen Terminsverlegungsantrag stellen.
Einer solchen Argumentation könnte nach meiner Auffassung nur zugrundeliegen, dass ein Richter oder ein Gericht das Vorhandensein und das Arbeiten weiterer Gerichte neben ihm nicht geneigt ist zur Kenntnis zu nehmen, dass eben auch nach einer telefonischen Vorab-Absprache eines Termins zwischen dem Vorsitzenden einer Strafkammer und dem Verteidiger noch eine Ladung in einem vorrangigen Verfahren den gleichen Verteidiger erreichen kann.
Es ist jedenfalls immer wieder erstaunlich, welch enormes Potenzial zur Steigerung der Qualität der Rechtsprechung bei manchen Gerichten noch vorhanden ist…
Ich würde es sehr begrüßen, wenn weitere Entscheidungen zu dem hier diskutierten Problemkreis veröffentlicht werden würden.
The Show must go on ! – Um jeden Preis?
Der eigentliche Skandal in der gleichen Rechtsangelegenheit folgte aber erst danach.
Die Berufungskammer des Landgerichts Magdeburg verhandelte mit vermeintlichem Rückenwind aus Naumburg dann doch zu der anberaumten Terminsstunde, zu der ich als bestellter Pflichtverteidiger des Angeklagten nicht erscheinen konnte, da ich den vorrangigen Termin in einer Kindschaftssache beim Amtsgericht wahrzunehmen hatte.
Nach erster kurzer Mitteilung des Angeklagten verlief die Hauptverhandlung so, dass der Vorsitzende dem Mandanten mitteilte, „Herr Römer ist jetzt raus“ und er habe jetzt einen neuen Verteidiger.
Der Mandant fühlte sich hierdurch völlig überrumpelt.
Es fand sich dann wohl auch ein Verteidiger und die Verhandlung nahm ihren Verlauf, dessen Ergebnis mir der Mandant allerdings nicht so richtig mitteilen konnte.
Das Landgericht Magdeburg hat mich somit, nach den kurzen Schilderungen meines Mandanten, kurzerhand als Pflichtverteidiger entpflichtet und dem Mandanten als Angeklagten in der Hauptverhandlung über seine Berufung gegen ein erstinstanzlich ergangenes amtsgerichtliches Urteil einen anderen Rechtsanwalt beigeordnet und die Hauptverhandlung durchgeführt.
Aus den unpräzisen und nur bruchstückhaften Äußerungen des Mandanten konnte ich zumindest heraushören, dass das Landgericht Magdeburg das gegen den Angeklagten geführte Strafverfahren, indem er erstinstanzlich zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten ohne Aussetzung zur Bewährung verurteilt worden war, eingestellt hat gegen den Rechtsmittelverzicht den der Mandant an Ort und Stelle abgeben sollte in Bezug auf ein anderes Verfahren, in dem der Mandant erstinstanzlich zu zweieinhalb Jahren frei Freiheitsstrafe verurteilt wurde und in dem ebenfalls noch die Berufung bei dem Landgericht Magdeburg anhängig ist und ich ebenfalls die Verteidigung führe bzw. führte.
Die von mir bei dem Landgericht Magdeburg beantragte Akteneinsicht, insbesondere durch Übersendung des Protokolls der Hauptverhandlung, wurde bislang nicht gewährt. Auf telefonische Nachfrage meines Büros wurde durch die Geschäftsstelle mitgeteilt, der Vorsitzende habe verfügt, dass ich kein Verteidiger mehr sei und deswegen auch keine Akteneinsicht mehr bekomme.
Ich habe zunächst namens und in Vollmacht des Mandanten gegen meine Entpflichtung als Pflichtverteidiger Beschwerde eingelegt.
Das von dem Landgericht Magdeburg gewählte Verfahren, soweit es mir der sich im Strafvollzug befindliche Mandant schildern konnte, dürfte erheblich prozessordnungswidrig sein.
Ebenso stellt sich für mich die Frage nach der Bewertung des Verhaltens des vom Gericht bestellten Berufskollegen als neuer Pflichtverteidiger des Angeklagten.
Dieser dürfte weder die Akte in der verhandelten Sache noch die vielen anderen Strafverfahren des Mandanten, in denen ich den Mandanten als Pflichtverteidiger verteidige, zum Termin der durchgeführten Hauptverhandlung gekannt haben. Gleichwohl sah er sich nach den Bekundungen meines Mandanten veranlasst, ihm zudem vom Gericht gewählten Verfahren zuzuraten.
Dieser Kollege hat sich auch nicht mit mir in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, dass er vom Landgericht Magdeburg nunmehr an meiner Stelle als Pflichtverteidiger bestellt worden sei.
Ich möchte dies hier zunächst mitteilen und werde weiter informieren.
Zuallererst ist der Familienrichter selbst dafür verantwortlich, Terminkollisionen zu verhindern, er kann dies ebensowenig auf andere Gerichte delegieren wie umgekehrt der Strafrichter, der in Haft- und Führerscheinsachen ebenfalls einem Beschleunigungsgebot unterliegt. Der Familienrichter kann nicht vogelwild drauflos terminieren und dann von anderen Gerichten erwarten, die durch ihn entstandenen Probleme zu lösen.
Und schon gar nicht entfaltet die Gesetzesbegründung zum FamFG eine Bindungswirkung für den Strafrichter. Dies möge sich der eine oder andere Politiker so vorgestellt haben, bleibt aber trotzdem falsch. Niemand wird etwa ernsthaft verlangen können, dass das Strafgericht in einer Haftsache einen Termin verlegt (am besten gleich um ein paar Monate), weil der Verteidiger noch ein Fam-Mandat annimmt. Täte das Strafgericht dies doch, wäre die mit wüsten Worten garnierte Haftbefehlsaufhebung durch das Obergericht unmittelbare Folge.
Im Übrigen wird letztlich auch jeder RA einsehen müssen, dass auch sein Tag nur 24 Stunden hat; daran können auch die Gerichte nichts ändern. Ich bin in meiner Praxis bestimmt nicht stur, was vielleicht der Umstand belegt, dass ich im Mittel jährlich allenfalls zwei Verlegungsanträge ablehne. Nur ist der Richter jedenfalls bis jetzt noch nicht Servicekraft des Anwalts, die diesem eine möglichst unbegrenzte Annahme von Mandaten zu garantieren hat. Und nochmals – auch wenn es dem Selbstverständnis des einen oder anderen Familienrichters zu entsprechen vermag, so stehen diese Kollegen doch nicht über den anderen Gerichten.
Ein Zitat will ich dann doch noch aufgreifen.
„Einer solchen Argumentation könnte nach meiner Auffassung nur zugrundeliegen, dass ein Richter oder ein Gericht das Vorhandensein und das Arbeiten weiterer Gerichte neben ihm nicht geneigt ist zur Kenntnis zu nehmen….“
Dann möge dder werte Kollege Familienrichter sich dies zu Herzen nehmen und seinerseits die Arbeit u.a. der Strafgerichte zur Kenntnis nehmen und seine Eiltermine gefälligst selbst abstimmen.