Als ich den mir vom Kollegen Hanschke vom KG übersandten KG, Beschl. v. 27.01.2014 – (4) 161 Ss 2/14 (11/14) – gelesen habe, war ich dann doch erstaunt – na, eher: not amused. Aber nicht über den Beschluss, der die Frage behandelt, inwieweit im Rahmen einer Akupunkturbehandlung ein Anvertrautsein i.S. des 174c Abs. 1 StGB vorliegen kann, sondern über den Vortrag und die Rechtsansicht des Verteidigers. Im Rahmen einer Akupunkturbehandlung ist es zu sexuellen Handlungen des Angeklagten an einer Patientin gekommen. Und der Senat des KG war offenbar auch „not amused“; das zeigt sich m.E. deutlich an der Wortwahl, denn mit „verfehlt“ wird nun doch nicht so häufig von den Revisionsgerichten formuliert. Da heißt es:
„Der Senat bemerkt zu den Ausführungen der Verteidigung lediglich das Folgende: Es besteht kein Zweifel daran, dass der Angeklagte die auf dem Behandlungsverhältnis beruhende spezifische Vertrauenssituation bewusst ausgenutzt hat, wobei nach den Feststellungen darüber hinaus einiges dafür spricht, dass der Angeklagte den Zustand ungewohnter Müdigkeit der Nebenklägerin, der ersichtlich auf der neuen, in den vorangegangenen Sitzungen nicht vorgenommenen Behandlungsmethode des Setzens zweier Nadeln im Nackenbereich beruhte, gezielt herbeigeführt hat, um die sexuellen Handlungen zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Die Bezeichnung dieser Handlungen – u.a. das Kneten des Gesäßes, das (unter dem Vorgaukeln einer Behandlung gegen Brustkrebs vorgenommene) Massieren der unbedeckten Brüste und Manipulieren an den Brustwarzen, jeweils verbunden mit der Frage, ob dies „schön“ sei, das Saugen an beiden Brustwarzen mit dem Mund, die Frage an die Geschädigte, ob sie „feucht“ sei, der Griff in den Slip mit dem Eindringen eines Fingers in die Vagina und gezielter Manipulation der Klitoris bei gleichzeitigem Spielen an einer Brustwarze, verbunden mit der Mitteilung, seine Frau trenne sich gerade von ihm, und der Ankündigung, „beim nächsten Mal“ werde es „noch schöner“, der erneute Griff an das Gesäß, als die Nebenklägerin sich bereits anzog – als reine Gefälligkeit oder Freundschaftsdienst zugunsten der (fast 20 Jahre jüngeren) Geschädigten erscheint dem Senat genauso verfehlt, wie die vom Verteidiger geäußerte Rechtsansicht.“
M.E. wirklich „verfehlt“, was da vorgetragen worden ist.
Aus Absatz 2 der Beschlußgründe ergibt sich allerdings, daß es sich offenbar um die Einlassung des Angeklagten handelte, die da vorgetragen wurde. Daran kommt man manchmal nicht vorbei. Wenn der Mandant sich trotz aller Belehrungen nicht davon abbringen lassen will, eine vielleicht auch lebensfremde Einlassung, die auf seine Unschuld abzielt, vorzutragen, kann man als Verteidiger schlecht sagen, das sei Unsinn und werde nicht vorgetragen. Wer, wenn nicht der Verteidiger, soll (und muß nach der Rspr.) denn zu dem Angeklagten stehen? Wenn’s am Ende, wie sich erst nach Rechtskraft herausstellen kann, ein Fehlurteil war (weil die Handlungen sexuellen Handlungen vielleicht doch einvernehmlich waren und die Zeugin gelogen hat), wird’s dem Verteidiger auf’s Brot geschmiert, weil er seinen Mandanten im Stich gelassen habe. Im Wiederaufnahmeverfahren ist dann gerne vom Versagen des ersten Verteidigers die Rede. Soll vorkommen.
So verfehlt können die Ausführungen des Verteidigers im übrigen nicht gewesen sein, wenn der Senat sich veranlaßt sah, sich damit ausführlich zu beschäftigen. Dann hätte der Tenor (§ 349 Abs. 2 StPO) genügt. Das Wort „verfehlt“ ist m.E. auch kein besonders starker Ausdruck. „Abwegig“ oder „absurd“ wäre schlimmer gewesen.
„erscheint dem Senat genauso verfehlt, wie die vom Verteidiger geäußerte Rechtsansicht“