Eine in der Praxis häufigere Verfahrenssituation ist Ausgangspunkt für den BGH, Beschl. v. 05.11.2013 – 2 StR 265/13 – gewesen. Das LG Koblenz hat den Angeklagten u.a. wegen Geiselnahme in Tateinheit mit Körperverletzung verurteilt. Seine Feststellungen zur Tatbegehung durch den Angeklagten und zu den Einzelheiten des Geschehens hat das LG auf die durch den Angeklagten erklärte Bestätigung der Richtigkeit des Vortrags seines Verteidigers zur Sache gestützt. Dadurch habe sich der Angeklagte so schwer belastet, dass die Strafkammer „keine weitere Veranlassung“ gesehen habe, „das Geständnis auf eine unzutreffende Selbstbezichtigung hin“ zu überprüfen. „Ausdrücklich offen blieb bei der Einlassung, ob und gegebenenfalls wer und wie sich weitere Personen an den Tatgeschehen in zwei ausgeurteilten Fällen beteiligten oder sonst daran partizipierten, wobei der Angeklagte keinen Zweifel daran ließ, dass er aus Eigennutz die bestimmende Rolle -jeweils einem Alleintäter gleichkommend – einnahm“. Die Beantwortung ergänzender Fragen durch die Strafkammer oder durch andere Verfahrensbeteiligte hatte der Angeklagte abgelehnt.
Dem BGH reicht das so nicht und er erinnert das LG an seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO):
„Diese Ausführungen belegen, dass die Strafkammer sich ihre Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auf unzureichender Basis verschafft hat, was der Senat bereits auf die Sachrüge zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. April 2013 – 3 StR 35/13, StV 2013, 684).
Aus dem verfassungsrechtlich verankerten Schuldprinzip folgt im Strafprozess die Verpflichtung der Gerichte, von Amts wegen den wahren Sachverhalt zu erforschen (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1060). Die Amtsaufklärungspflicht darf schon wegen der Gesetzesbindung des Richters (Artz. 20 Abs. 3 GG) nicht dem Interesse an einer einfachen und schnellstmöglichen Erledigung des Verfahrens geopfert werden. Es ist unzulässig, dem Urteil einen Sachverhalt zu Grunde zu legen, der nicht auf einer Überzeugungsbildung unter Ausschöpfung des verfügbaren Beweismaterials beruht. Dies gilt auch dann, wenn sich der Angeklagte geständig gezeigt hat.
Zwar unterfällt auch die Bewertung eines Geständnisses dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO. Das Tatgericht muss aber, will es die Verurteilung des Angeklagten auf dessen Einlassung stützen, von deren Richtigkeit überzeugt sein (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juni 1998 – 2 StR 156/98, BGHR StPO § 261 Überzeugungsbildung 31). Es ist deshalb stets zu untersuchen, ob das Geständnis den Aufklärungsbedarf hinsichtlich der erforderlichen Feststellungen zur Tat erfüllt, ob es in sich stimmig ist und auch im Hinblick auf sonstige Erkenntnisse keinen Glaubhaftigkeitsbedenken unterliegt. Durchgreifende rechtliche Bedenken bestehen nach diesem Maßstab gegen die hier vorliegende Ablehnung einer Geständnisüberprüfung durch die Strafkammer, die sie im Hinblick darauf erklärt hat, dass die anwaltliche Erklärung zur Sache „nach gemeinsamer Aufarbeitung der Anklagevorwürfe“ mit dem Angeklagten erfolgt sei. Diese Vorgehensweise der Verteidigung außerhalb der Hauptverhandlung gestattet dem Gericht keine Nachprüfung der Gründe für die Einzeltaten der anwaltlich formulierten Sacheinlassung. Es genügt auch nicht, das Geständnis des Angeklagten durch bloßen Abgleich des Erklärungsinhalts mit der Aktenlage zu überprüfen, weil dies keine hinreichende Grundlage für die Überzeugungsbildung des Gerichts aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung darstellt (vgl. BVerfG, aaO, NJW 2013, 1058, 1063).
Da der Angeklagte auch keine ergänzenden Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten in der Hauptverhandlung an ihn zugelassen hat, ist bereits ein wesentliches Mittel für die Geständnisüberprüfung, die dem Gericht im Hinblick auf seine Aufklärungspflicht nicht zur Disposition gestellt ist, entfallen. Andere Mittel hat das Landgericht nicht genutzt. Dies wiegt hier umso schwerer, als gerade bei den schwersten Anklagevorwürfen ausdrücklich offen geblieben ist, ob und wie eine weitere Person an der Tatbegehung mitgewirkt hat.“
Ganz so einfach und so schnell, wie das LG es sich gedacht hat, geht es dann doch nicht. Wenigstens ein bisschen Aufklärung muss sein….
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