Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Strafvollstreckungsverfahren ist (leider) immer noch die Ausnahme. Um so erfreuter ist man dann, wenn man doch hin und wieder auf einen Beschluss stößt, in dem dem Verurteilten doch ein Pflichtverteidiger bestellt worden ist. So im OLG Naumburg, Beschl. v . 02.10.2013 – 1 Ws 591/13:
„Jedoch ist nunmehr vorliegend von einer schwierigen Sach- und Rechtslage auszugehen.
Das Vollstreckungsverfahren wirft nun in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht Fragen auf, die über die Probleme hinausgehen, die in einem die Aussetzung einer Reststrafe betreffenden Verfahren regelmäßig zu beurteilen sind. Von erheblicher Bedeutung für die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer über die Reststrafenaussetzung sind jetzt die Ergebnisse des von ihr eingeholten und inzwischen auch erstatteten kriminologischen Gutachtens zur Frage einer fortbestehenden Gefährlichkeit des Verurteilten.
Für die notwendige Auseinandersetzung eines Verurteilten mit einem derartigen Gut-achten ist dann von der Erforderlichkeit einer Pflichtverteidigerbestellung auszugehen, wenn das Gutachten etwa psychiatrisch-neurologische, psychoanalytische oder auch kriminologische Fragestellungen aufwirft, mit deren fachlicher Beurteilung ein Verurteilter überfordert ist (vgl. KG Berlin, NStZ-RR 2006, 284 f.; OLG Hamm, StraFo 2005, 391 f.). Abzustellen ist insoweit auf die Verständnismöglichkeiten des konkreten Verurteilten, wobei hei der erwähnten Art von Gutachten dessen Überforderung zunächst typischerweise zu vermuten ist (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 24.10.2007 — 2 Ws 450/07 (244/07) —, juris).“
Das vorliegende Gutachten, das einen Umfang von 51 Seiten aufweist, enthält zahlreiche psychiatrisch-neurologische Fachbegriffe (S. 33 ff.) und setzt sich detailliert mit den für eine Gefährlichkeitsprognose maßgebenden Gesichtspunkten, namentlich psycho-analytischen Fragen, auseinander. Ein derartiges Gutachten aber wirft rechtlich und tatsächlich schwierige Fragestellungen auf, die das Verständnis des Verurteilten und seine Fähigkeit übersteigen, sich damit angemessen auseinanderzusetzen (vgl. auch KG, StraFo 2006, 342). Hinzu kommt, dass der Verurteilte durch den Inhalt des Gutachtens tatsächlich beschwert ist, weil dessen Ausführungen eine vorzeitige Haftentlassung gerade nicht nahelegen.