Ein Beweisantrag, der keiner (mehr) ist

© Corgarashu – Fotolia.com

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„Ein Beweisantrag, der keiner (mehr) ist“ – eine Überschrift zu diesem Posting, die wahrscheinlich auf den ersten Blick erstaunt. „Ein Beweisantrag, der keiner ist“, das hatten wir schon häufiger. Aber: „…. keiner (mehr) ist..“ Ein solches Posting hatte zumindest ich hier noch nicht. Grundlage für das Posting ist der KG, Beschl. v. 17.09.2013 – (4) 121 Ss 141/13 (175/13).

Da hatte der Verteidiger des Angeklagten in einem Verfahren wegen Körperverletzung  in der Berufungshauptverhandlung beim LG einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen gestellt. Die Vorsitzende hatte daraufhin mit dem Zeugen im Wege des Freibeweises telefoniert und das Ergebnis ihres Gesprächs – Beseitigung einer Unklarheit, die zu dem Beweisantrag geführt hatte – in der Hauptverhandlung mitgeteilt. Die im Anschluss daran hat sie dann die Verteidigung gefragt, ob an dem Antrag festgehalten werde. Die hatte der Verteidiger ohne nähere Erläuterung bejaht. Die Kammer lehnte daraufhin den Antrag auf Vernehmung des M. unter Bezugnahme auf § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ab.

Das KG hat dieses Vorgehen nicht beanstandet. Sein Beschluss ist mit folgenden Leitsätzen versehen:

  1. Ein Antrag kann die Eigenschaft eines nach § 244 Abs. 3 bis 6 StPO zu bescheidenden Beweisantrages verlieren, wenn der Antragsteller in Kenntnis der freibeweislichen Widerlegung der Beweisbehauptung an diesem festhält, ohne sich dazu zu verhalten, warum er (weiterhin) davon ausgehen kann, dass die förmliche Beweiserhebung zur Bestätigung der Beweisbehauptung führen wird.
  2. Die gilt jedenfalls dann, wenn die beantragte Beweiserhebung durch Vernehmung eines Zeugen der Beseitigung einer tatsächlichen Unklarheit – hier: der vom Antragsteller gesehenen Mehrdeutigkeit einer zuvor durch Verlesung zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemachten Urkunde durch Vernehmung des Urhebers der Urkunde – dient und im Freibeweisverfahren diese mögliche Unklarheit bereits beseitigt worden ist, weil der Zeuge, der kein unmittelbarer oder mittelbarer Tatzeuge ist, bei freibeweislicher Befragung aus eigener sicherer Erinnerung das Gegenteil der in die Beweisbehauptung gekleideten Vermutung des Antragstellers bekundet hat.
  3. Hat die Beweisbehauptung nach dem Ergebnis der freibeweislichen Befragung des Zeugen nicht mehr die Vermutung ihrer Richtigkeit für sich und wird sie vom Antragsteller aufs Geratewohl ins Blaue hinein oder gar wider besseres Wissen aufrecht erhalten, weil die Bestätigung der Beweisbehauptung aus der Sicht eines verständigen Antragstellers auf der Grundlage der von diesem nicht in Frage gestellten Tatsachen unwahrscheinlich geworden ist, handelt es sich um einen tatsächlich nicht zum Zwecke der Wahrheitsermittlung, sondern vielmehr nur noch aus Gründen sachwidriger Prozesstaktik gestellten, missbräuchlichen Scheinbeweisantrag.
  4. Das Gericht hat danach – nur noch – zu prüfen, ob es unter Aufklärungsgesichtspunkten (§ 244 Abs. 2 StPO) zu der beantragten Beweiserhebung gedrängt ist.

Ob das so richtig und im Grunde die an sich in der Hauptverhandlung im Strengbeweisverfahren durchzuführende Beweiserhebung durch ein Freibeweisverfahren ersetzt werden konnte/durfte, erscheint mir zweifelhaft. Das KG umschifft das aber und lässt die Frage offen, indem es sich auf das Argument: Nach der Mitteilung der Vorsitzenden kein Beweisantrag i.e.S. mehr, zurückzieht.

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