Das LG Regensburg teilt mit seiner PM vom heutigen Tage zu dem Wiederaufnahmeantragsverfahren von G. Mollath mit:
„Wiederaufnahmeanträge ohne Erfolg.
Das Landgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 24.Juli 2013 die Wiederaufnahmeanträge zugunsten des Untergebrachten Gustl Mollath als unzulässig verworfen. Es kann weder im Wiederaufnahmeantrag des Untergebrachten noch im Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft einen zulässigen Wiederaufnahmegrund erkennen und sieht daher keine Möglichkeit für eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
Das Gesetz erlaubt nur in engen Grenzen die Wiederaufnahme eines rechtskräftigen Urteils. Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach am 08.August 2006 Herrn Mollath wegen Schuldunfähigkeit frei und ordnete gleichzeitig seine Unterbringung an. Die hiergegen eingelegte Revision vor dem BGH blieb erfolglos. Das Urteil wurde damit rechtskräftig. Ausschließlich die im Gesetz genannten Gründe können einen zugunsten eines rechtskräftig Verurteilten gestellten Wiederaufnahmeantrag rechtfertigen.
Nicht ausreichend ist, wenn im Rahmen eines Urteilsverfahrens Fehler gemacht werden oder ein Urteil Sorgfaltsmängel erkennen lässt.Die zuständige Strafkammer begründet ihre Entscheidung im Einzelnen wie folgt:
1. Unechte Urkunde:
Es handelt sich bei dem Attest vom 03.Juni 2002, welches dem Gericht bei seiner Entscheidung vorlag, um keine unechte, sondern um eine echte Urkunde. Das Attest ist die Zweitschrift eines Attests vom 14. August 2001. Dieses Attest wurde zwei Tage nach dem Tatgeschehen vom 12. August 2001 durch einen approbierten Arzt nach vorgehender Untersuchung ausgestellt. Dieser hat auch die Zweitschrift erstellt. Der ausstellende Arzt unterschrieb das Attest mit dem Zusatz ?i.V.? (?in Vertretung?) und gebrauchte dabei berechtigt Briefkopf und Praxisstempel der Praxis, in der er seine Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin absolvierte. Zum Zeitpunkt der Untersuchung befand er sich im fünften Jahr der Facharztausbildung. Bei der Erstellung der Zweitschrift war er bereits Facharzt für Allgemeinmedizin. Ein Wiederaufnahmegrund nach § 359 Nr. 1 StPO liegt daher im Ergebnis nicht vor.2. Aussage des Zeugen B.:
Die nunmehr erfolgte Aussage des Zeugen B. ist nicht geeignet, die Urteilsfeststellungen aus dem Jahr 2006 zu erschüttern, da sie nicht im Widerspruch zu ihnen steht. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin M. wird durch die Aussage nicht erschüttert. Mit der Motivlage der ehemaligen Ehefrau des Untergebrachten ? und nur in diesem Zusammenhang ist die Aussage des Zeugen B. überhaupt von Bedeutung ? hat sich bereits das damals erkennende Gericht auseinandergesetzt. Die Aussage steht damit nicht im Widerspruch zur Beweiswürdigung des Ausgangsgerichts.3. Einbeziehung des Dr. W.:
Ebenso wenig wird das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. durch die jetzt erfolgten Angaben des Dr. W. in Frage gestellt. Bereits das der Unterbringung zugrunde gelegte Gutachten des Sachverständigen Dr. L. führt aus, dass der Untergebrachte für die Einbeziehung von weiteren Personen ? in geradezu klassischer Weise? eine ?für ihn logische Erklärung? biete. Die aus Sicht des Untergebrachten bestehende Erklärbarkeit für die Einbeziehung des Dr.W., die das Wiederaufnahmevorbringen zum Gegenstand hat, ist damit bereits Gegenstand des Gutachtens gewesen.4. Verfahrensfehler und Sorgfaltsmängel:
Im Strafverfahren gegen den Untergebrachten kam es zu Verfahrensfehlern. Für eine Wiederaufnahme gemäß § 359 Nr. 3 StPO können von vorneherein nur die durch die damals entscheidende Kammer verursachten Fehler relevant sein, und diese auch nur insoweit es sich um strafbare Verletzungen der Amtspflicht handelt. Dabei ist ein Antrag, der sich auf die Behauptung einer Straftat gründet, grundsätzlich nur dann zulässig, wenn wegen dieser Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist. Eine solche Verurteilung ist vorliegend nicht erfolgt und könnte selbst bei Erweislichkeit einer Amtspflichtverletzung mittlerweile wegen eingetretener Verjährung auch nicht mehr erfolgen. Eine strafbare Amtspflichtverletzung insbesondere Rechtsbeugung kann ein Wiederaufnahmegrund sein, wenn sie als Straftat feststeht.
Es wird eine Vielzahl von Verfahrensfehlern durch das entscheidende Gericht bzw. seinen Vorsitzenden behauptet. Diese Fehler, soweit sie überhaupt vorliegen, rechtfertigen nicht den Vorwurf der Rechtsbeugung und hatten im Übrigen auch im Ergebnis keine Auswirkungen auf das Urteil. Aus Sicht der Kammer ist ein deutlicher Verfahrensverstoß vor allem darin zu sehen, dass die Vernehmung des Untergebrachten nach Vollzug der einstweiligen Unterbringung nicht unverzüglich erfolgte. Dies bedeutet aber keinen die Annahme einer Rechtsbeugung rechtfertigenden elementaren Rechtsverstoß. Die Annahme eines bewussten Regelverstoßes liegt nicht nahe. Es handelt sich zudem nur um eine Verzögerung der Anhörung, denn die Entscheidung über die Fortdauer der einstweiligen Unterbringung wäre nicht anders ausgefallen, wenn die Vernehmung des Untergebrachten unverzüglich erfolgt wäre.
Die Urteilsfeststellungen enthalten Sorgfaltsmängel. Für eine bewusste Sachverhaltsverfälschung ergeben sich aber keinerlei Anhaltspunkte. Der dazu erfolgte Vortrag im Wiederaufnahmeantrag des Untergebrachten ist überwiegend nicht schlüssig. Der Vorwurf, dass der Vorsitzende der damals zuständigen Kammer bewusst Sachverhaltsverfälschungen begangen habe, ist eine durch konkrete Tatsachen nicht gestützte Spekulation. So hat sich beispielsweise das im Urteil geschilderte Festnahmegeschehen, so wie dargestellt, tatsächlich ereignet; lediglich der Zeitpunkt wurde mit dem einer anderen Festnahme des Untergebrachten verwechselt.5. Der Revisionsbericht der HypoVereinsbank:
Auch dieser ist nicht geeignet, das Urteil zu erschüttern, da es im Urteil bei der Überprüfung der Schuldfähigkeit von Herrn Mollath explizit für möglich gehalten wird, dass es Schwarzgeldverschiebungen von verschiedenen Banken in die Schweiz gegeben hat.Der Pressesprecher weist ergänzend auf Folgendes hin:
Vor dem Landgericht Regensburg ging es ausschließlich um die Frage, ob das Verfahren gegen Herrn Mollath, das durch Urteil rechtskräftig abgeschlossen wurde, im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens erneut durchzuführen ist. Fragen der Verhältnismäßigkeit oder der bestehenden oder nicht mehr bestehenden Gefährlichkeit mussten bei dieser Prüfung, ob Wiederaufnahmegründe vorliegen, außer Betracht bleiben.
Es laufen derzeit zwei verschiedene Verfahren parallel. Die zuständige Vollstreckungskammer in Bayreuth hat zu überprüfen, ob die Unterbringungsvoraussetzungen zum jetzigen Zeitpunkt immer noch vorliegen, insbesondere der Untergebrachte im Falle seiner Freilassung wegen seines Zustands für die Allgemeinheit gefährlich wäre...“
Die Frage: Und nun? beantwortet sich sicherlich schnell und einfach. Sofortige Beschwerde ist möglich und wird der Kollege Strate sicherlich auch einlegen. Das letzte Worte ist in der Sache noch lange nicht gesprochen. Also: Auf nach Nürnberg.
Zusatz um 18.45 Uhr: Den anonymisierten Volltext des Beschlusses kann man als PDF-Dokument unter dem folgenden Link abrufen: PDF-Dokument
Ich habe leider grade keinen StPO-Kommentar zur Hand aber ist es wirklich so, dass Verfolgungsverjährung gegen einen Amtsträger zum Wegfall des Wiederaufnahmegrundes führen kann? Das wäre ja eine quasi-Befristung dieses Wiederaufnahmegrundes. Kaum vorstellbar
Ohne die Gründe explicit zu kennen: Ich finde dazu bei Meyer-Goßner nichts. Bin allerdings auch nicht tief im Wiederaufnahmerecht drin. Darum halte ich mich da mal lieber zurück :-).
Das ist ein Fehler der Pressemeldung. In dem Beschluss heißt es dazu (S. 17):
„Liegt ein rechtskräftiges Urteil in Bezug auf die strafbare Amtspflichtverletzung nicht vor – wie hier –, muss sich aus dem Antrag nach dieser Ansicht mindestens der konkrete Verdacht der behaupteten Straftat ergeben (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl. 2013, Rz. 1 zu § 364; Karlsruher
Kommentar zur StPO/Schmidt, 6. Aufl. 2008, Rz. 6 zu § 364). Der auf diesen Wiederaufnahmegrund gestützte Antrag ist demnach zur Begründetheitsprüfung zuzulassen, wenn unter Zugrundelegung des Tatsachenvorbringens des Untergebrachten – nicht seiner Wertungen des Sachverhalts – ein konkreter Verdacht für die behauptete Straftat spricht, der entsprechend § 152 Abs. 2 StPO wenigstens zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Richter ausreichen würde. Da diese Ansicht überwiegend vertreten wird, wendet sie das erkennende Gericht im Folgenden an und nimmt die Zulässigkeitsprüfung zugunsten des Untergebrachten unter Zugrundelegung ihrer geringeren Anforderungen an die Zulässigkeit eines auf § 359 Nr. 3 StPO gestützten Antrags vor.“
Abschließend führt die Kammer dann noch aus (S. 56):
„Erforderlich ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts vielmehr ein konkreter Verdacht, der die Stärke eines im Ermittlungsverfahren zur Anklageerhebung erforderlichen hinreichenden Verdachts erreicht (so auch KG Berlin, Beschluss vom 31. Juli 2009, 2 Ws 200/09, in juris, dort Rz. 32 zu § 359 Nr. 2 StPO m. w. N.).“
@ Gast: Wenn es so stimmt – wovon ich ausgehe – danke für den Hinweis. Ich bin noch nicht zum Lesen gekommen. 🙁
Der BGH spricht in seiner Entscheidung BGH 3. Strafsenat
Entscheidungsdatum: 03.12.1992
Aktenzeichen: StB 6/92
nicht über Verjährung.