Was das (Rechts)Leben nicht alles so bietet: Ein Verurteilter verbüsst eine Freiheitsstrafe in der JVA Tegel. Der Postverkehr ist in der Anstalt so geregelt, dass das dortige Briefamt die abgehende Gefangenenpost zur Beförderung an die deutsche Post AG übergibt. Der Verurteilte verfasst eine Vielzahl von Schreiben, die er regelmäßig entgegen den allgemeinen Postbestimmungen nicht frankiert und dennoch der JVA zur Postbeförderung übergibt. In der Zeit zwischen dem 23. 04.bis 03. 05. 2012 hat die Haftanstalt die Weiterleitung von zwölf unfrankierten (an verschiedene Gerichte, Verfassungsorgane und Behörden adressierte) Briefsendungen des Gefangenen verweigert und ihm die Sendungen zurückgegeben, um ihn an ein ordnungsgemäßes Verhalten zu gewöhnen. Dagegen wendet sich der Verurteilte. Die Strafvollstreckungskammer untersagt daraufhin dem Leiter der JVA Tegel, die der Haftanstalt zur Beförderung übergebene Post des Verurteilten Nicht- oder Unterfrankierung anzuhalten. Dagegen die Rechtsbeschwerde des Leiters der JVA, die mit dem KG, Beschl. v. 12.10.2012 – 2 Ws 357/12 Vollz – Erfolg hat:
„…Die Frage, ob die Haftanstalt daher grundsätzlich die Weiterleitung eines einzelnen Briefes nicht verweigern darf, nur weil er unfrankiert ist (vgl. OLG Zweibrücken NStZ-RR 2001, 188; Callies/Müller-Dietz a.a.O. § 30 Rdn 1), braucht der Senat hier nicht zu entscheiden. Denn so liegt der Fall hier nicht.
b) Der Rechtsanspruch des Gefangenen auf Briefverkehr kann nur durch gesetzliche Einschränkungen begrenzt werden (vgl. Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 28 Rdn. 2). Es ist auch anerkannt, dass einzelne Schreiben nur aus den in § 31 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 StVollzG abschließend aufgezählten Gründen angehalten werden dürfen. Damit trägt der Gesetzgeber hinsichtlich der ausgehenden Schreiben der Gefangenen insbesondere dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung (vgl. OLG Thüringen, Beschluss vom 2. Oktober 2007 – 1 Ws 285/07 – bei juris; Senat, Beschluss vom 14. Dezember 2006 – 5 Ws 480/06 Vollz – bei juris; OLG Koblenz NStZ 2004, 610; Callies/Müller-Dietz a.a.O., § 31 Rdn. 1; Arloth a.a.O., § 31 Rdn. 1).
Vorliegend durften die Briefe auf Grundlage des § 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG angehalten werden.
„Eine Gefährdung des Vollzugsziels (§ 31 Abs. 1 Nr. 1 StVollzG) liegt bei einer Gefahr für die Eingliederung des Gefangenen in die Gesellschaft vor; der Anhaltegrund ist somit mit § 25 Nr. 2 StVollzG identisch. Ziel des Vollzugszieles ist es, den Strafgefangenen zu befähigen, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (§ 2 Satz 1 StVollzG). Dies gebietet es, dem Gefangenen ein Mindestmaß an Achtung der Rechtsgüter anderer zu vermitteln (vgl. Böhm/Jehle in SBJL a.a.O., § 2 Rdn. 12) und ihn an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen (vgl. Arloth a.a.O. Rdn. 3, Schwind in SBJL a.a.O., § 30 Rdn. 2).
Dieses wird hier dadurch gestört, dass der Antragsteller eine Vielzahl von unfrankierten Briefen an unterschiedliche Adressaten versendet hat. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die auf den Umschlägen genannten Adressaten, hier sämtlich öffentliche Institutionen, kein Interesse daran haben, das mit der Entgegennahme der Sendungen notwendigerweise verbundene Nachentgelt zu leisten, mit der Folge, dass die Schreiben an den Absender zurückzugeben sind. Der durch die Weiterleitung unfrankierter Schreiben für die Anstalt entstehende Aufwand ist daher, wie auch dem Antragsteller bewusst ist, von vornherein sinnlos; sein Handeln bezweckt nicht, von dem ihm zustehenden Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG Gebrauch zu machen, sondern der Anstalt unnützen Aufwand zu verursachen, und ist somit ersichtlich rechtmissbräuchlich. Seine Forderung, die Schreiben gleichwohl zu transportieren, ist daher mit dem Vollzugsziel, den Gefangenen an ein geordnetes Zusammenleben zu gewöhnen, nicht zu vereinbaren.“