Archiv für den Monat: Mai 2012

Man muss nicht beweisen/erklären, was man nicht beweisen/erklären kann

© Dan Race - Fotolia.com

Das in einem Zivilverfahren ergangene BGH, Urt. v. 17.02.2012 – V ZR 254/10 – lohnt auch einen Hinweis für das Strafverfahren, da es eine Zustellungs-/Fristversäumnisproblematik zum Inhalt hat, die auch im Straf-/Bußgeldverfahren auftreten kann.

Zum Sachverhalt. Die Beklagte legt Berufung ein. Ablauf der Berufungsbegründungsfrist ist am 13. 07.2010. Am Morgen des 14.07.2010 wird die Berufungsbegründung in dem Nachtbriefkasten des OLG vorgefunden und erhält, weil sie sichnach Darstellung des zuständigen Wachtmeisters hinter der um Mitternacht fallenden Klappe befand, den Eingangsstempel 14.07. 2010. Der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten behauptet hingegen, die Berufungsbegründung vor Mitternacht in den Nachtbriefkasten eingeworfen zu haben. Er habe sich in seiner – unstreitig etwa 5 Gehminuten von dem OLG gelegenen – Kanzlei noch um 23:15 Uhr mit seinem Kollegen darüber unterhalten, dass er die Berufungsbegründung nun ausdrucken und einreichen wolle. Der Ausdruck der Statistik der Anwaltssoftware zeige, dass die Endversion der Berufungsbegründung gegen 23:30 Uhr ausgedruckt worden sei. Sodann sei er zum OLG gegangen und habe den Schriftsatz eingeworfen. Kurz nach dem Einwurf habe die Uhr seines Mobiltelefons 23:52 oder 23:53 Uhr gezeigt. Er habe dann den Entschluss gefasst, seine Geldkarte aufzuladen, was ausweislich des Kontoausdrucks um 0:02 Uhr erfolgt sei. Die Wegstrecke vom OLG zur Bank könne nicht in zwei Minuten zurückgelegt werden. Das OLG hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Bevollmächtigten der Beklagten und des für die Leerung des Nachtbriefkastens zuständigen Wachtmeisters. Ferner hat der Berichterstatter die Funktionsfähigkeit der Klappe überprüft, indem er die Uhr auf 23:57 Uhr vorstellen ließ und beobachtete, dass die Klappe um 0:00 Uhr fiel. Das OLG hat die Berufung durch Urteil als unzulässig verworfen.

Der BGH hat auf die Revision hin aufgehoben und das wie folgt begründet:

„…2. Unzutreffend ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, das Fehlen einer plausiblen Erklärung, wie der Eingangsstempel vom 14. Juli 2010 auf die Berufungsbegründung gelangt sei, gehe infolge bestehender Beweislast zu Lasten der Beklagten. Dies verkennt, welchen Beweis die Beklagten zu erbringen haben.

a) Der Eingangsstempel beweist, dass das Schriftstück zu einem bestimmten Zeitpunkt bei Gericht eingegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2000 – IX ZR 251/99, NJW 2000, 1872, 1873). Der nach § 418 Abs. 2 ZPO zu führende Gegenbeweis geht folglich dahin, dass das Schriftstück zu einem an-deren Zeitpunkt in den Herrschaftsbereich des Gerichts gelangt ist. Diesen Beweis haben die Beklagten erbracht, wenn die Darstellung ihres Bevollmächtigten, er habe die Berufungsbegründung um 23:52 oder 23:53 Uhr in den Nachtbriefkasten eingelegt, wie von dem Berufungsgericht angenommen, in den Details plausibel und widerspruchsfrei ist und konkrete Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bevollmächtigten nicht bestehen.

b) Nicht beweisen müssen die Beklagten hingegen, wie es trotz rechtzeitigen Einwurfs der Berufungsbegründung dazu gekommen ist, dass diese den Eingangsstempel des Folgetages trägt. Dass eine ernstlich in Betracht zu ziehende Erklärung hierfür fehlt, führt deshalb nicht dazu, dass der von ihnen zu erbringende Beweis misslungen ist. Bedeutung gewinnt dieser Aspekt nur im Rahmen der Beweiswürdigung. Erscheint ein Fehler im Verantwortungsbereich des Gerichts als unwahrscheinlich, kann dies im Einzelfall die Glaubhaftigkeit einer Aussage des Inhalts in Zweifel ziehen, ein Schriftsatz sei rechtzeitig in den Gerichtsbriefkasten eingelegt worden, und damit zur Folge haben, dass sich das Gericht nicht die erforderliche Überzeugung von deren Richtigkeit verschaffen kann. Auf Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage des Bevoll-mächtigten der Beklagten oder an dessen Glaubwürdigkeit ist das Berufungsur-teil jedoch nicht gestützt worden.“

Also: Man muss nicht beweisen/erklären, was man nicht beweisen/erklären kann. Oder – so der Leitsatz des BGH:

Steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ein Schriftstück zu einem anderen Zeitpunkt als aus dem Eingangstempel ersichtlich bei Gericht eingegangen ist, ist der Beweis der Unrichtigkeit des Eingangsstempels auch dann erbracht, wenn unerklärlich bleibt, wie dieser auf den Schriftsatz gelangt ist.


 

Munition im Kampf um die Terminsverlegung: Verteidiger verhindert, Termin i.d.R. zu verlegen

Der mir von einem Kollegen zugesandte KG, Beschl. v. 09.05.2012, 3 Ws (B) 260/12

© froxx - Fotolia.com

behandelt eine in der Praxis häufigere Konstellation:

Nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wird Hauptverhandlungstermin anberaumt, der dreimal verlegt werden muss. Der Betroffene ist vom neu anberaumten Termin nicht entbunden. Am Terminstag – Termin soll um 13.00 Uhr stattfinden – teilt der Verteidger mit, er sei bettlägerig erkrankt und beantragt, den Termin zu verlegen.  Das AG verlegt nicht, sondern verwirft in der Hauptverhandlung nach § 74 Abs. 2 OWiG. Das KG hebt das Urteil auf:

„Das Nichterscheinen des Betroffenen im Termin vom 27. Februar 2012 war nämlich nicht unentschuldigt, denn der Betroffene war vom Büro seines Verteidigers über den gestellten Antrag auf Terminsverlegung informiert worden und ihm war die Mitteilung erteilt worden, dass er angerufen werde, falls der Termin doch noch stattfinden sollte: Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung der Mitarbeiterin des Verteidigers steht fest, dass diese nach Übersendung des Antrages auf Terminsaufhebung bei Gericht angerufen hatte, wo ihr eine Mitarbeiterin mitgeteilt hat:, dass sich jemand im Verteidigerbüro melden würde, wenn der Termin stattfinden würde. Ein Rückruf erfolgte jedoch nicht mehr, sodass die Mitarbeiterin des Verteidigers den Betroffenen entsprechend informierte und ihm mitteilte, dass er nicht zum Termin erscheinen müsse.

 Das Ausbleiben des Betroffenen im Hauptverhandlungstermin war hier im Sinne des § 74 Abs. 2 StPO als entschuldigt anzusehen, da es auf der Information seines Verteidigers beruht (vgl. Senat, Beschluss vom 15. August 2007 – 3 WS-(B) 440/07; BayObLG VRS 104,. 302, .304; OLG Hamm JMBl. NW.1972, -32, 33). Ein Vertrauen auf einen derartigen Hinweis des Verteidigers ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn sich dem Betroffenen nach der konkreten Sachlage Zweifel aufdrängen müssen, ob die  Äußerung seines Verfahrensbevollmächtigten zutreffend ist (Senat, BayObLG und OLG-Hamm, a.a.O.).“

 So weit bringt der Beschluss nichts wesentlich Neues. Das hatten wir schon in der Rechtsprechung, dass der Beschuldigte der auf (falsche) Auskünfte seines Verteidiger vertraut und deshalb nicht zur Hauptverhandlung erscheint, nicht unentschuldigt ist. Aber interessant der letzte Absatz:

„Für derartige Zweifel bestand jedoch keine Veranlassung, zumal der Hauptverhandlungstermin ja-bereits drei Mal vom Gericht verlegt worden war. Außerdem hatte das Gericht durch das Fax des Verteidigers noch rechtzeitig vor dem Termin Kenntnis von dem Antrag auf Terminsverlegung erhalten, was dem Betroffenen ja auch so mitgeteilt worden ist. Hat der Betroffene einen Verteidiger und hat dieser rechtzeitig vor dem Termin einen begründeten Verlegungsantrag wegen seiner Verhinderung gestellt, so hat das Gericht über einen solchen Antrag nach pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden (Senat, NZV 03, 433; OLG Karlsruhe, NZV 06, 217), wobei bei einem bestreitenden Betroffenen einem solchen Antrag sogar in der Regel zu entsprechen ist (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Die Verhinderung des Verteidigers kann somit durchaus auch geeignet sein, auch den Betroffenen zu entschuldigen. Das Amtsgericht Tiergarten hätte daher den Einspruch gegen Bußgeldbescheid nicht gemäß 74 Abs. 2 OWiG verwerfen dürfen.“

Nach dem OLG Karlsruhe nun zu dieser Frage also auch das KG. Das ist zwar auch nicht neu, gibt aber „Munition“ im Kampf um die Terminsverlegung.

 

 

„Gut Ding will Weile haben“ oder „Eile mit Weile“ – so schliddert man in die Ablehnung

Nicht aus dem Strafverfahren, sondern mal aus einem Zivilverfahren stammt der OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.03.2012 – 1 W 5/12-, der eine Ablehnungsfrage behandelt. Es geht um die mehrfach zögerliche Behandlung von Anträgen udn Stellungnahmen der Parteien durch einen Richter. Dieser hatte mehrmals Zeitspannen von bis drei Monaten und mehr verstreichen lassen, bevor er auf sachliche Eingaben einer Partei reagiert hat, wohl nach dem Satz „Gut Ding will Weile haben. Die Partei hatte damit die Besorgnis der Befangenheit begründet. Und sie hat beim OLG Brandenburg Recht bekommen. Aus den Gründen:

Die Verfahrensdauer des seit dem 05.04.2005 rechtshängigen Prozesses ist ein nachvollziehbarer Anlass für die Besorgnis des in eigener Sache auftretenden Klägers. Dazu gehört die Leitung des Verfahrens zwischen der Übersendung des Gutachtens am 27.04.2006 an die Parteien und dem Beweisbeschluss vom 18.12.2006. Die Parteien hatten zuvor bis 12.09.2006 Stellung genommen, erst am 18.12.2006 erging jedoch ein weiterer Beweisbeschluss. Entgegen dem Vorbringen des Klägers sind zwar nicht 8 Monate ohne eine Tätigkeitwerden des Richters bis zum Erlass eines weiteren Beweisbeschlusses vergangen, da der Richter den Parteien das rechtliche Gehör zu den Ausführungen des Sachverständigen ordnungsgemäß eingeräumt hat, sondern 3 Monate. Dies mag zunächst seine Ursache in dem Umfang und auch der Schwierigkeit der Sache gehabt haben. In der Folgezeit setzte sich diese Vorgehensweise jedoch fort. Der Schriftsatz des Klägers vom 27.11.2008 führte nach den im Laufe des Dezember 2008 eingegangenen Stellungnahmen der Verfahrensbeteiligten zu einem Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs gegen den Sachverständigen am 08.04.2009, mithin ebenfalls nach 3 Monaten. Zur Gegenvorstellung des Klägers vom 01.10.2009 gegen den Beweisbeschluss vom 14.09.2009 haben die Parteien bis 19.10.2009 Stellung genommen. Am 11.12.2009 erfolgte ein telefonischer Hinweis des Richters zu beabsichtigten weiteren Vorgehensweise an den Kläger, mithin nach annähernd 2 Monaten.“

Wenn man weiter: Auch der weitere Zeitablauf passt dem OLG nicht:

„Insoweit sind die weiteren Umstände der Verfahrensverzögerung in Übereinstimmung mit der Ansicht des Klägers zwar zu kritisieren, begründen jedoch nicht das Vorliegen von Ablehnungsgründen.“

Immerhin ist inzwischen aber terminiert :-).

Sonntagswitz: Heute zu Pfingsten …

🙂 Zunächst allen ein schönes- und hoffentlich weiterhin sonniges – Pfingstwochenende, zu dem ich heute ein paar geistliche Witzchen beisteuern möchte:

Der Pfarrer wollte an Pfingsten der Gemeinde anschaulich helfen, den Heiligen Geist zu verstehen. Er machte mit dem Mesner aus: „Wenn ich an der Türe die Leute verabschiede, dann rufe ich laut: „Komm Heiliger Geist!“- und dann lässt du oben aus dem Turmfenster die weiße Taube fliegen!“

Gesagt, getan. Am Ende des Gottesdienstes ging der Pfarrer zur Tür und fing an, die Gottesdienstbesucher zu verabschieden. Plötzlich rief er: „Komm, heiliger Geist!“. Die Leute sahen den Pfarrer erstaunt an – aber nichts passierte. Noch mal und noch lauter rief er: „Komm, Heiliger Geist!“ – aber nichts passierte. Während die Leute noch irritierter schauten, rief er zum dritten Mal: „Komm, Heiliger Geist!“

Da kam von oben eine verzagte Stimme: „Den Heiligen Geist hat die Katze gefressen!“
____________________________________
Ein amerikanischer Werbemanager ist gestorben und steht vor Petrus. Der fragt ihn: „Wollen sie in den Himmel oder in die Hölle?“ Da entgegnet der Werbemanager: „Ja, kann ich mir Himmel und Hölle mal anschauen? Das würde mir die Entscheidung erleichtern.“ „Sicher.“ antwortete Petrus und zog mit dem Werbemanager los.

Zuerst kamen sie über eine große Wiese, auf der viele Menschen in kleinen Gruppen zusammensassen. Sie sangen Lieder, waren vergnügt, und die friedliche Atmosphäre wurde von Harfenklängen untermalt. „Das ist der Himmel.“ sagte Petrus.

Sie gingen weiter. Da sahen sie vor sich einen großen Swimmingpool. Es herrschte Partystimmung. Den Menschen im Pool wurden von leicht bekleideten Mädchen Drinks serviert. „Das ist die Hölle.“, sagte Petrus. „Also, für was entscheiden sie sich?“. „Na, wenn das so ist, dann ich möchte in die Hölle!“

Kaum hatte der amerikanische Werbemanager diese Worte gesagt, bogen um die Ecke zwei grässliche Teufel, die nach Schwefel stanken. Sie zerrten den Werbemanager, der sich heftig wehrte, mit sich zu einem großen Topf mit kochendem Öl. „He“, rief der empört, „was soll das! Vorhin sah das hier noch ganz anders aus, so mit Pool und Mädchen und Drinks!“.
„Tja“, entgegnete einer der Teufel, „da haben sie wohl unsere Werbeabteilung gesehen!“
___________________________________

Ein Amerikaner, ein Engländer und ein deutscher Beamter: Der Amerikaner ist blind, der Engländer sitzt im Rollstuhl und der deutsche Beamte hat einen gebrochenen Arm. Plötzlich steht Jesus vor ihnen und fragt, was er für sie tun kann.

Der Amerikaner sagt, dass er wieder sehen möchte. Jesus streicht ihm über die Augen und der Amerikaner kann wieder sehen.

Dann streicht Jesus dem Engländer über die Beine und der Engländer kann wieder gehen.

Sagt der deutsche Beamte: „Bevor du jetzt irgendetwas machst, denk daran, ich bin noch vier Wochen krank geschrieben.“

Wochenspiegel für die 21. KW., das war der Besetzungsstreit beim BGH, das Diktieren am Steuer und der gefangene Kollege

Wir berichten am Pfingstsonntag über:

  1. nochmals den Besetzungsstreit beim BGH,
  2. die dazu passenden Rücktrittsforderungen gegenüber dem BGH-Präsidenten,
  3. Plagiatsfälle bei Juristen oder bloggende Plagiatoren,
  4. ein Rechtsbeugungsurteil,
  5. die Schwierigkeiten des Rechtsanwalts, an sein Honorar zu kommen, aber vielleicht gibt es ja einen Schlüssel zu einem höheren Honorar,
  6. das (fast) alkoholfrei Bier,
  7. das Diktieren am Steuer§ 23 Abs. 1 StVO lässt grüßen,
  8. über die Verzweifelung des Kollegen mit dem DIP-System des Bundestages – ich teile seine Verzweifelung, – :-),
  9. die Hemmschwellentheorie des BGH,
  10. und das war da noch der Kollege, der 17 Tage Gefangener der Telekom war :-(, aber immerhin in Münster 😀