§ 119 StPO ist durch das Gesetz zur Änderung des Untersuchungshaftrechts vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2274) mit Wirkung zum 01.01.2010 neu gefasst worden. Die Anwendung der Änderungen hat in der Praxis Schwierigkeiten gemacht und macht sie teilweise heute noch bzw. hat seine Nachwehen. das zeigt sich sehr schön an einem Rechtsprechungsmarathon, der nun im KG, Beschl. v. 24.02.2012 – 4 Ws 53/10 sein Ende gefunden hat:
Folgender Verfahrensablauf:
- Am 23. 12.2009 trifft der Strafkammervorsitzende eine Sicherungsanordnung getroffen. Er ordnet an: Der Empfang von Besuchen und die Telekommunikation bedürfen der Erlaubnis; Besuche, Telekommunikation und der Schrift- und Paketverkehr des Angeklagten sind zu überwachen; die Übergabe von Gegenständen bei Besuchen bedarf – mit Ausnahme der in der JVA aus den Automaten erworbenen Waren – der Erlaubnis; der Angeklagte ist von dem (damaligen) Mitangeklagten D. zu trennen.
- Dagegen die Beschwerde.
- Das KG hebt dann am 18.05.2010 die Anordnung des Vorsitzenden hinsichtlich der Übergabe von Gegenständen bei Besuchen und der Trennungsanordnung auf und verwirft die weitergehende Beschwerde.
- Dagegen die Verfassungsbeschwerde zum Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin
- Der stellt fest, dass der Beschluss des KG den Angeklagten in seinen Grundrechten auf Schutz seiner Privatsphäre und auf Schutz seines Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses verletzt, soweit darin die Beschwerde gegen die vom Vorsitzenden der Strafkammer angeordnete Überwachung der Besuche und der Telekommunikation sowie des Schrift- und Paketverkehrs verworfen worden ist. Insoweit Aufhebung und Zurückverweisung an das KG.
- Dort dann der KG, Beschl. v. 24.02.2012, in dem sich das KG nun dem VerfGH Berlin anschließt:
„Der Antrag ist begründet. Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO sind nur dann zu treffen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine reale Gefahr für die darin genannten Haftzwecke (Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr) besteht. Die bloße Möglichkeit, dass ein Untersuchungsgefangener seine Freiheiten missbraucht, genügt nicht (vgl. BerlVerfGH StV 2011, 165).
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Haftzweck durch den unkontrollierten Kontakt des Untersuchungsgefangenen mit der Außenwelt gefährdet war, bestanden nicht. Sie folgten nicht automatisch aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr, denn eine Flucht aus der Untersuchungshaftanstalt bedarf anderer Planungen und Anstrengungen als das Untertauchen eines Beschuldigten, der noch oder wieder auf freiem Fuß befindet (vgl. BerlVerfGH a.a.O.). Aus diesem Grund hätte die Überwachung der Kontakte des Verurteilten mit der Außenwelt nach § 119 StPO nicht angeordnet und durchgeführt werden dürfen.“
Eine interessante Fallschilderung. Das hätte ich nicht gedacht. Deutschland scheint also dann ein Rechtstaat zu sein, wenn man den richtigen Anwalt hat und sich den auch leisten kann. Dazu muss man bei seiner Anwaltswahl noch das glück haben, einen Anwalt zu haben, der sich nicht durch Justizjuristen unter Druck setzen lässt.
hallo, ich denke, Sie sollten/müssten nicht allzu überrascht sein. Denn berichtet wird i.,d.R. immer über Fehler/Fehlurteile pp. Das ist wie bei den Medizinern, auch da hören Sie wenig über gelungene Operationen/Behandlungen. So entsteht dann sicherlich häufig der Eindruck, es laufe alles schief. Das ist in der Juristerei aber eben so wenig der Fall wie bei den Medizinern :-).