Ich bin gerade von einem Blogleser auf Meldung bei Justiz-online NRW hingewiesen worden, die wohl auf einer dpa-Meldung basiert, über die auch an anderer Stelle berichtet wird (vgl. z.B. hier). In den Meldungen heißt es:
„Der Streit um eine Beförderung am Bundesgerichtshof eskaliert: Nach Informationen der Nachrichtenagentur dpa wurden einzelne Richter vor das Präsidium des Bundesgerichtshofs (BGH) zitiert und gefragt, wie sie sich im Konflikt um die Besetzung des 2. Strafsenats künftig verhalten wollen. Experten sehen die richterliche Unabhängigkeit in Gefahr. Möglicherweise könnten Entscheidungen des höchsten deutschen Strafgerichts wegen falscher Richterbesetzung aufgehoben werden.“
Und weiter:
„Nach der Entscheidung des Präsidiums kam es dann zu einem Vorgang, der Experten zumindest sehr merkwürdig erscheint. Drei Richter des Senats wurden einzeln vor das Präsidium geladen. Dort sollten sie sich dazu äußern, wie sie sich künftig verhalten würden. Es sei eine „verhörähnliche Situation“ gewesen, berichtet ein Teilnehmer. „Die Veranstaltung diente dazu, die Kollegen von ihrer Meinung abzubringen.“ Ein erfahrener Richter, der an der Sitzung teilnahm, spricht von einer „Inquisition, wie ich sie in der Justiz noch nie erlebt habe“. Teilnehmer beschreiben die Stimmung als „angespannt“ bis „extrem aggressiv“. „
Wenn das stimmt, dann ist das wirklich eine Eskalation oder „ein Ding“.
interessant. ich vermute, dass an anderen gerichten ein anderer umgangston gepflegt wird?
Es ist vor allem ein wenig transparenter dpa-„Bericht“, der vor Bewertungen („wurden…zitiert“) strotzt. Kurios ist vor allem der teilnehmende „erfahrene Richter“. Wenn er tatsächlich als Senatsmitglied vor den BGH-Präsidenten zu einem Einzelnen „zitiert“ wurde, hoffe ich doch, dass er auch erfahren ist und nicht frisch nach dem Referendariat beim BGH angefangen hat.
Dass sich BGH-Richter „zitieren“ lassen sollten, statt sich ggf. auf richterliche Unabhängigkeit zu berufen, würde ich seltsam finden. Ich denke, dass es durchaus Aufgabe des Präsidenten ist, bei der bestehenden Konfliktlage der Spruchgruppen und den unterschiedlichen Auffassungen zur Frage der Vertretung des Vorsitzenden des 2.Senats mit den Senatsmitgliedern zu sprechen, um zu einer Lösung zu kommen. Ob das dann schon eine Inquisition ist, kann ich nicht beurteilen.
Ich finde zwei Dinge bemerkenswert, wenn es denn zutriffrt:
1. Dass sich BGH-Richter vor das Präsidium rufen lassen, um dort zu ihrer Rechtsprechung Stellung zu nehmen -ohne das jetzt näher geprüft zu haben, dürfte es dafür keine Rechtsgrundlage geben.
2. Dass ein Präsidium „zitiert“.
Im Übrigen: Ich glaube nicht, dass das Präsidium auf die Spruchpraxis Einfluss nehmen kann/sollte.
@D. Burhoff.: Eben weil es keine Rechtsgrundlage gibt und zudem BGH-Richter vielleicht etwas mehr Standing haben sollten als ein Proberichter vor seiner ersten Beurteilung halte ich das angebliche „Zitieren“ vor das Präsidium für Journalistenphantasie.
Aber wenn die „zitierten“ und inquirierten Richter dann – so es keine Journalistenidee ist – wenigstens so viel Rückgrat hätten, zu offenbaren, wer sie sind und wie das Ganze tatsächlich abgelaufen ist, würde sich das vielleicht aufklären lassen.
wir sind gar nich so weit auseinander.
Mit der Anonymität ist das immer so eine Sache 🙂
Eine Anhörung von Richtern durch das Präsidium ist in § 21e Abs. 1 Satz 3 GVG vorgesehen. Daß das Präsidium allerdings nicht befugt ist, ein Tribunal über eine Rechtsmeinung abzuhalten, die ein Senat sogar schon in die Form eines Beschlusses gegossen hat, versteht sich von selbst. Es wäre ein eklatanter Verstoß gegen Art. 97 Abs. 1 GG.
Wer immer die Person oder Personen waren, die die Informationen an die Presse lanciert haben, es dürfte aus Parteilichkeit heraus geschehen sein. Die Informationen müssen deswegen aber nicht falsch sein. Gewissermaßen könnte man auch von einem Akt der Notwehr sprechen. Ich halte es für ein Unding, daß das Ergebnis der Sitzung vom 18. Januar erst drei Wochen später an die Öffentlichkeit gelangt und auch dann nicht einmal durch die Pressestelle des BGH.
Die drei angeblich „inquirierten“ Richter können ja nur die drei Richter sein, die den Beschluß vom 11. Januar im Verfahren 2 StR 346/11 trugen. Wenn man die Namen der fünf Richter, die an diesem Verfahren beteiligt waren, abgleicht mit den Namen der drei Richter, die an einem weiteren inzwischen vorliegenden Beschluß vom 9. Januar (2 ARs 405/11) beteiligt waren, in dem mehrheitlich keine Fehlbesetzung angenommen wurde, dann sind zwei der drei Richter Fischer und Eschelbach und der dritte entweder Ott oder Krehl.
hmm, § 21 e Abs. 1 Satz 3 GVG? Bei mir steht da etwas Anderes :-). wenn Sie § 21e Abs. 2 GVG meinen: damit ist wohl ein anderer Fall gemeint…
In der Tat, Abs. 2, ich bin verrutscht.
Meinen Sie nicht, daß wir hier einen Anwendungsfall für diese Vorschrift haben? Auch für die Sitzung am 18. Januar würde ich das bejahen. Denn es ging ja auch da um die Änderung (ggf. Rückänderung) eines Geschäftsverteilungsplans. Auch wenn die Änderung schließlich abgelehnt wurde. In einem Kommentar habe ich allerdings nicht nachgeschaut.
na ja, nach dem Tenor der dpa-Meldung ging es aber wohl offenbar nicht so sehr um die Fragen der Besetzung als vielmehr um das Verhalten in einer Rechtsfrage. Das ist wohl nicht die „Anhörung“ die § 21e Abs. 3 GVG meint :-).
Wahrscheinlich finden richterliche Unterredungen beim BGH demnächst nur noch mit anwaltlichem Beistand statt. Ich schlage eine verwaltungsgerichtliche Mediation vor. Da gibt es immer lecker Kaffee und Kuchen. Das entspannt die Atmosphäre.
und wenn es einem dann zu viel wird, kann man sich gegenseitig die Sahnetorte ins Gesicht knallen :-).
Sollte der Bericht stimmen, dann ist man sehr erfolgreich dabei den Ruf des BGH zu zerstören.
Das wird dann unweigerlich dazu führen, dass in der Bevölkerung unpopuläre Entscheidungen auf noch weniger Verständnis stoßen werden.
kaffee und sahnetorte. bgh-richter müsste man sein. 😉
Jungs,
ihr Juristen seid ganz schön abgedreht!
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