Der LawBlog bzw. sein Aushilfsblogger 🙂 beklagen unter der Überschrift „Verletzt, aber nicht befangen“ die fehlende Sprachgenauigkeit in der Presseberichterstattung über Gerichtsverfahren.
In der Tat ein Phänomen, dass mir auch immer wieder auffällt und das mich ärgerlich macht. Da ist es für mich nicht so sehr die schreibende Zunft, sondern eher die „Gerichtsreporter“ in Funk und Fernsehen. Ich finde es nämlich hochnotpeinlich, wenn sich zur wohl immer noch besten Sendezeit, die es im deutschen Fernsehen gibt – also Tagesschauzeit -, einer der Reporter hinstellt und seinen Bericht über ein landgerichtliches erstinstanzliches Verfahren mit den Worten abschließt: Der Verteidiger hat mitgeteilt, dass Berufung eingelegt werden wird“ oder „Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht entschieden, ob sie Berufung einlegen wird“.
Doch: Hat sie. Wird sie nämlich nicht, sondern sie wird Revision einlegen. Man bzw. ich frage mich dann immer: Gibt es eigentlich keine verantowrtlichen Redakteure, die sich den Bericht vorher mal anschauen und denen solche peinlichen Fehler auffallen. Schließlich zahlt man für den Service doch auch mehr als 50 €/Monat. Und demnächst noch mehr.
Die Staatsanwaltschaft legt am LG in der ersten Instanz nie Berufung ein? Das ist aber echt sophisticated.
Btw.: Ich rege mich auch immer wieder gern auf, wenn Fachanwälte für Verkehrsrecht den Unterschied zwischen Relativ- und Kollisionsgeschwindigkeit nicht kennen. 😉
Ich neige bei solchen Fehlern immer dazu, von der Qualität der Berichterstattung bei juristischen Phönomenen auf die Qualität der Berichterstattung in allen anderen Fachgebiet (Politik, Ausland, Wirtschaft, Kultur etc.) zu schließen. Wenn dieser Schluss halbswegs valide ist, sollte man seine Zeitung eigentlich abbestellen.
so hat jeder sein Päckchen zu tragen 🙂
wie bestelle ich das Fernsehen ab? 🙂
@VriLG: Ich denke, mit dem Schluss liegen sie nicht falsch!
Btw: _Warum_ legt die STA denn am LG in der 1. Instanz keine Berufung ein? Kann sie das nicht, darf sie das nicht oder will sie einfach nicht? 🙂
weil es gegen landgerichtliche Urteile (der 1. Instanz) keine Berufung gibt, sondern nur die Revision.
Aso. Danke! Damit gibt es dann wohl auch keine neue Beweisaufnahme (womit wieder ganze Berufsgruppen ausgegrenzt werden…) 😉
Ach, und einen guten Rutsch ins neue Jahr!
Hallo, nein, nur, wenn ggf. aufgehoben und zurück verwiesen wird. Revisions- und Rechtsbeschwerdeinstanz ist reine Rechtsinstanz. Das Urteil des AG/LG wird nur auf Rechtsfehler untersucht. Die Rechtsmittel haben i.d.R. auch nur Erfolg, wenn das Urteil auf diesen Fehlern beruht.
Guten Rutsch zurück…
Wieso mehr als 50,00 EUR im Monat?
ups, peinlich, hat einer gemerkt. 🙂 mehr als 50 €/drei Monate 🙂
Zynisch gefragt:
Gibt es zu wenige arbeitslose Juristen?
Oder sind die arbeitslosen Juristen nicht kameratauglich?
🙂 😉
„seinen Bericht über ein landgerichtliches erstinstanzliches Verfahren“
War es ein zivilrechtliches Verfahren?
@Burschel: Die Juristen sind wahrscheinlich arbeitslos, weil sie auch Berufung gegen das Urteil eingelegt hätten … !?
@ Ano Nüm: Der BGh hätte es – wenn es ihm behagt 🙂 – umgedeutet.
@Paul Schramm. Nee, war schon Strafreccht ;-.)
Viele Juristen sind leider nicht in der Lage, den Spagat zwischen Umgangssprache und Fachsprache anständig hinzubekommen. Und mal ehrlich, wer will einen Zeitungsartikel in der FAZ / SZ / Sueddeutsche/usw. lesen, der im Gutachten- oder Urteilsstil geschrieben ist? Von wenigen Juristen abgesehen sicherlich niemand.
Ich fände es z.B. schön, wenn in der juristischen Ausbildung auch ein Kurs „Deutsch für Juristen“ Pflichtbestandteil wäre. Und vielleicht auch gleich noch ein anständiger Rhetorikkurs.
Eigentlich ist das ja noch harmlos, wenn man bedenkt, was für juristische Böcke auch in öffentlich-rechtlichen Produktionen geschossen werden, seien es Krimis oder hahnebüchene familienrechtliche Konstellationen. Da kann man gegenüber den werbefinanzierten Privaten noch direkt Mitleid mit ihren Gerichtsshows bekommen….
Noch eine sprachliche Ungenauigkeit, nicht nur von Reportern, sondern auch von Juristen: „lebenslänglich“
Es heißt „lebenslang“, „länglich“ ist der Wurm.
Wenn Hochschullehrer für Strafrecht nicht firm sind in Rechtsmittelfragen, dann müssen wohl Journalisten als exkulpiert angesehen werden:
http://blog.delegibus.com/2011/06/06/kachelmann-rechtsmittel-prof-dr-monika-frommel-weis-was/
(könnte natürlich auch sein, daß ein Journalist hier die professorale Äußerung „verbessert“ hat)
Und wenn das nun Absicht wäre? Und zwar im Hinblick darauf, dass „Berufung“ im allgemeinen Sprachgebrauch nun einmal der generelle Begriff für „Nachprüfung durch eine höhere Gerichtsinstanz“ ist, garantiert mehr als 99% der Tagesschau-Zuschauer den technischen Unterschied zwischen den Rechtsmitteln nicht kennen (und mindestens zur Hälfte durch den ihnen in diesem Zusammenhang unbekannten Begriff der Revision eher verwirrt würden) und es einer allgemeinen Vorgabe für Nachrichten-Redaktionen entspricht, nicht zuviele Zuschauer durch übertriebene begriffliche Korrektheit abzuschrecken? Wenn lediglich die Aussage vermittelt werden soll, dass das Urteil von einem bestimmten Prozessbeteiligten nicht akzeptiert wird, ist gegen die untechnische Verwendung des Begriffs „Berufung einlegen“ m.E. gar nichts einzuwenden.
@ topic
freuen wir uns lieber, dass brauchbare strafjuristen im verhandlungssaal immer noch bessere plätze finden, als die im zuschauerbereich. 😀
@ OG
das ist frau frommel leider wirklich zuzutrauen. 🙁
Ich finde die Frage interessanter, warum es das Menschenrecht der Berufung grade in diesem Land nicht gibt.
Vielleicht wollen die „ahnungslosen“ Redakteure durch die städnige Wiederholöung ja genau das erreichen.
@ Matthias: wieso: es gibt das Rechtsmittel der Revision
@ burschi: gesund beten kann man alles
@ Kollege Hoheisel-Gruler: das ist noch schlimmer, ein Beweisverwertungsvernot nach dem anderen..
Jedes mal, wenn ich als Jurist eine Pressemitteilung vorbereite und dabei sehr genau auf die richtige Verwendung der juristischen Termini achte, werde ich von der Presseabteilung korrigiert, und zwar so, dass ausgerechnet diese Termini „verumgangssprachlicht“ werden. Dabei entstehen solche Perlen, wie Berufung statt Revision oder Urtel statt Beschluss etc. Die Begründung ist dann immer, dass die PM sich nicht zu juristisch anhören darf und die Leser eh keinen Unterschied zwischen Berufung und Revision sehen. Irgend-wann mal gibt man sich schlicht geschlagen 😉
Das ist also doch die schreibende Zunft, die schuld ist!
P.S. 50€/Monat war echt daneben 😉
ist doch repariert 🙂 Und ich kann es nicht auf die Presseabteilung schieben 🙂
Eine Revision und eine Berufung unterscheiden sich doch wesentlich, oder etwa nicht?
Das 7. Zusatzprotokoll zur MRK sieht es als ein Menschenrecht an, dass ein Angeklagter das Recht auf eine Berufung hat.
Ein Kompromissangebot:
Eine Revision wäre dann ausreichend, wenn Verteigerhandeln oder -unterlassen zum Nachteil des Angekalgten zur Aufhebung eines Strafurteils führen können.
Alles andere ist Scheinrechtsstaat.
Das kommt mir bekannt vor, jedesmal wenn im Tatort der Notar die Einladung zur Testamentseröffnung verschickt und dieses dann mit bedeutungsschwerer Stimme verliest frage ich mich, ob ich die letzten Jahre was verpasst habe…
Vllt. sind Rechtspfleger aber auch nicht kamerastauglich, so als buckliges Beamtenvolk…
nur als Täter 🙂
Filmtipp: „Mord mit Schönfelder“, diesen Sonntag im ARD, 20:15 ?