Gewogen und zu leicht befunden…….“von Verfassungs wegen nicht haltbar“

so kann man den BVerfG, Beschl. v. 2 BvR 15/11 überschreiben, in dem das BVerfG zum (nicht) ausreichenden Tatverdacht für die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung, die Grund für eine Durchsuchung beim Beschuldigten war, Stellung genommen hat. Das AG, bestätigt vom LG, hatte den Tatverdacht u.a. auf das Lichtbild vom Beschuldigten auf der Homepage der Firma, bei der er nach seinen Angaben unentgeltlich als Praktikant tätig war, gestützt. Das sei sonst so nicht üblich. Dem BVerfG hat das nicht gereicht:

Die Annahme eines ausreichenden Tatverdachts ist von Verfassungs wegen nicht haltbar. Der Verdacht der Verletzung der Unterhaltspflicht (§ 170 Abs. 1 StGB) beinhaltet als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die Leistungsmöglichkeit des Täters, denn dieser muss tatsächlich zu einer mindestens teilweisen Leistung imstande sein (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl. 2011, § 170 Rn. 8). In den angegriffenen Entscheidungen finden sich schon keine Angaben darüber, in welcher Höhe eine Unterhaltspflicht bestand und welche Einkünfte der Beschwerdeführer erzielt haben soll. Der Tatverdacht wird allein auf die pauschale Behauptung weiterer Einkünfte in der Strafanzeige der von dem Beschwerdeführer getrennt lebenden Ehefrau und den Internetauftritt eines Unternehmens gestützt, in welchem der Beschwerdeführer als Praktikant im Rahmen einer Umschulungsmaßnahme beschäftigt war. Hierbei handelt es sich indes nicht um zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer über dem notwendigen Selbstbehalt liegende Einkünfte erzielt. Allein aus dem Internetauftritt der >Firma P… kann nicht auf das Zahlen einer Vergütung geschlossen werden, zumal die Verantwortlichen des Unternehmens der Staatsanwaltschaft gegenüber mitgeteilt haben, dass dem Beschwerdeführer im Rahmen seines Praktikums gerade kein Entgelt gezahlt worden sei. Tatsachenfundierte Anhaltspunkte dafür, dass das Landgericht an den Angaben des Beschwerdeführers und der Firma P… hinsichtlich der fehlenden Entlohnung zweifeln durfte, zeigt das Landgericht nicht auf. Der pauschale Verweis auf die Lebenswirklichkeit reicht dafür nicht aus. Die Annahme einer Unterhaltspflichtverletzung beruhte daher auf bloßen Vermutungen, die den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre nicht zu rechtfertigen vermögen.“

Von Verfassungs wegen nicht haltbar“ ist schon ganz schön dicke.

 

Ein Gedanke zu „Gewogen und zu leicht befunden…….“von Verfassungs wegen nicht haltbar“

  1. RA Richtstein

    Der Vorwurf der Unterhaltspflichtverletzung hat einen starken familienrechtlichen Einschlag und wird daher von den meisten Staatsanwälten und Strafrichtern nicht kapiert. Daß man, um den Vorwurf erheben zu können, zunächst die gleichen Ermittlungen und Berechnungen anstellen muß wie ein Familienrichter und es nicht damit getan ist zu vermuten, der Beschuldigte beziehe irgendwoher irgendeine Art von Einkommen, welches der Höhe nach wohl reichen werde, um Unterhalt zu zahlen (unter Nichtberücksichtigung von weiteren Unterhaltsgläubigern und Verbindlichkeiten), ist anscheinend schwer begreiflich.

    Ganz düster wird es, wenn der Vorwurf gegen einen Selbständigen erhoben wird. Hier mangelt es regelmäßig auch an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Da wird in der Regel der ermittelt Bruttojahresumsatz als Nettogewinn zugrundegelegt und hieraus die Leistungsfähigkeit konstruiert. Gerne werden auch uralte Unterhaltstitel, sogar Vergleiche, als Grundlage für die angebliche Höhe der Unterhaltspflicht herangezogen, obgleich allein die Verletzung der (aktuellen) gesetzlichen Unterhaltspflicht unter gewissen weiteren Voraussetzungen strafbar sein kann. Diese Verfahren sind immer ganz traurig. Noch nie ist einer meiner Mandanten rechtskräftig wegen des Vorwurfs der Unterhaltspflichtverletzung verurteilt worden. Das hat sich stets alles in Schall und Rauch aufgelöst. Oftmals hat sich ergeben, daß der Angeklagte sogar zuviel Unterhalt gezahlt hat. Aber erst einmal wird kräftig durchsucht und angeklagt.

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