Durch die Blume formuliert der 3. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 29.09.2011 – 3 StR 295/11 – zum „Verfahrensrecht des LG“, das den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl verurteilt hatte. Wenn man den Beschluss zweimal liest, merkt man m.E. , was der BGH vom Vorgehen des LG hält: Nicht so ganz viel:
Punkt 1: Zulässigkeit
„1. Die Revisionen der Angeklagten sind zulässig. Der Senat ist an den Beschluss des Landgerichts vom 1. Juni 2011, ihnen nach Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, trotz der fehlenden Zuständigkeit des Landgerichts für diese Entscheidung (§ 46 Abs. 1 StPO) und trotz der unzureichenden Begründung der zum Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses schweigenden Anträge ohne Rücksicht auf die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung gebunden (BGH, Be-schluss vom 24. August 1978 – 4 StR 400/78; RG, Beschluss vom 24. September 1907 – 1678/07, RGSt 40, 271 ff.).“
Punkt 2: Abgekürztes Urteil
2. Das Urteil des Landgerichts, das nur in abgekürzter Form gemäß § 267 Abs. 4 StPO vorliegt, hat keinen Bestand.
a) Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Das Urteil ist auf die Sachrüge mit den Feststellungen aufzuheben, weil die vorliegenden nach § 267 Abs. 4 Satz 1 StPO abgekürzten Urteilsgründe keine genügende revisionsgerichtliche Überprüfung ermöglichen. In der Beweiswürdigung ist unter Ziffer III. der Urteilsgründe lediglich ausgeführt: ‚Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den geständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Einlassungen der Angeklagten sowie den Angaben der ausweislich des Sitzungsprotokolls vernommenen Zeugen. Eine weitere Beweiswürdigung erübrigt sich im Hinblick auf die Rechtskraft des Urteils‘ (UA S. 11). Das genügt nicht, um zu überprüfen, ob die Beweiswürdigung rechtsfehlerfrei ist.“
Dem schließt sich der Senat an.
b) Eine Rückgabe der Akten an das Landgericht zur Ergänzung der Urteilsgründe kommt nicht in Betracht. Die Frist zur Ergänzung nach § 267 Abs. 4 Satz 4, § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO ist abgelaufen. Sie beginnt regelmäßig unabhängig vom Zeitpunkt des Erlasses der die Wiedereinsetzung gewährenden Entscheidung im Falle einer Beschlussfassung durch das zuständige Revisionsgericht mit dem Eingang der Akten bei dem für die Ergänzung zuständigen Gericht, weil nur so gewährleistet ist, dass dem Richter die zur sorgfältigen Absetzung des nicht rechtskräftigen, revisionsgerichtlicher Überprüfung unterliegenden Urteils erforderliche Zeit tatsächlich zur Verfügung steht (BGH, Be-schluss vom 10. September 2008 – 2 StR 134/08, BGHSt 52, 349, 352). Gewährt indessen das für die Ergänzung zuständige Gericht unter Verstoß gegen § 46 Abs. 1 StPO Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Revision, beginnt die Frist nach § 267 Abs. 4 Satz 4, § 275 Abs. 1 Satz 2 StPO (aus-nahmsweise) bereits mit Erlass des Wiedereinsetzungsbeschlusses, da das Gericht zugleich Kenntnis über die Voraussetzungen einer Ergänzung erlangt. Die folglich am 1. Juni 2011 angelaufene Frist ist verstrichen.
Punkt 3: Und dann gibt es auch noch eine Segelanweisung:
3. Der Senat sieht Anlass für folgende Hinweise:
a) Den vom Landgericht trotz Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ergänzten Urteilsgründen lassen sich nicht alle Tatsachen entnehmen, die die gesetzlichen Merkmale der abgeurteilten Straftaten belegen (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO). Hinsichtlich der Einzelheiten nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts Bezug.-
b) Der neue Tatrichter wird sich unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) mit der Frage einer Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt zu befassen haben. Aufgrund der Feststellungen des Landgerichts, die beiden Angeklagten hätten die abgeurteilten Taten began-gen, um ihren Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren, drängte sich die Prüfung des § 64 StGB auf.
In meinen Augen wirklich peinlich, denn zumindest hätte der Kammer die Idee kommen können, nach Gewährung von Wiedereinsetzung das Urteil zu ergänzen. Denn dafür war die Kammer zuständig, nicht der BGH 🙂 :-).