Archiv für den Monat: November 2011

Freispruch im Münsteraner „Lustreisenprozess“

Ich hatte ja schon einige Male vom von der örtlichen Presse sogenannten „Lustreisenprozess“ beim LG Münster berichtet (vgl. hier und hier). Vorgeworfen wurde den Aufsichtsratsmitgliedern der Städtischen Wohnungsgesellschaft Untreue, begangen durch verschiedene Reisen. Übrig geblieben – teilweise sind die Verfahren nach § 153a StPO eingestellt worden – war jetzt noch der Geschäftsführer.

Gestern erfolgte nun der sich schon seit längerem abzeichnende Freispruch. Die StA hatte noch eine Geldstrafe von 30.000 € beantragt . Ich gespannt, ob die StA in die Revision gehen wird. Sie hat sich „Bedenkzeit“ erbeten.

Auch ein „nur „schlankes“ Geständnis“…

…konnte der BGH in dem landgerichtlichen Urteil, das seinem Beschl. v. 22.09.2011 – 2 StR 383/11 zugrunde gelegen hat, nicht finden.

Der BGH beanstandet, das Fehlen einer Beweiswürdigung im Sinne des § 261 StPO:

„Ausweislich der Urteilsgründe beruhen die Feststellungen zur Sache allein „auf der Anklageschrift“, welcher der Angeklagte D. sowie die Mitangeklagten P. und M. „nach Maßgabe“ der getroffe-nen Verständigung „nicht entgegengetreten“ sind (UA S. 26).

Das Urteil genügt damit nicht den Mindestanforderungen, die an die richterliche Überzeugungsbildung auch dann zu stellen sind, wenn die Entscheidung, wie hier, nach einer Verständigung ergangen ist. Auch bei einer Verständigung hat das Gericht von Amts wegen den wahren Sachverhalt aufzuklären (§ 257c Abs. 1 S. 2, § 244 Abs. 2 StPO). Die Bereitschaft eines Angeklagten, wegen eines bestimmten Sachverhalts eine Strafe hinzunehmen, die das gerichtlich zugesagte Höchstmaß nicht überschreitet, entbindet nicht von dieser Pflicht (vgl. BGH, NStZ 2009, 467; NStZ-RR 2010, 54; Senat, NStZ-RR 2010, 336; Beschluss vom 9. März 2011 – 2 StR 428/10). Nur ein Sachverhalt, der auf einer Überzeugungsbildung des Gerichts unter vollständiger Ausschöpfung des Beweismaterials beruht, kann die Grundlage einer Verurteilung bilden. Eine An-klageschrift kann auch dann nicht Grundlage sein, wenn ihr neben dem Angeklagten, wie vorliegend, seine wegen gemeinschaftlichem Handelns angeklag-ten Mittäter ebenfalls nicht entgegengetreten sind. Diesem Einlassungsverhalten lässt sich ein irgendwie geartetes – auch nur „schlankes“ – Geständnis, das einen als glaubhaft bewertbaren inhaltlichen Gehalt hätte, auf den einen Schuldspruch tragende Feststellungen gestützt werden könnten, nicht entnehmen (vgl. BGH, NStZ 2004, 509, 510). Es fehlt schon an einem tatsächlichen Einräumen des dem Anklagevorwurf zu Grunde liegenden Sachverhalts.“

Ähnlich bereits ja auch das OLG Celle, vgl. hier.

Sondermeldung: Mehr Geld für (Straf)Verteidiger – Referentenentwurf zum 2. KostRMoG bringt Neuerungen

Seit heute Morgen bin ich im Besitz des Referentenentwurfs des BMJ zum 2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz – 2. KostRMoG. Die im Gebührenrecht geplanten Änderungen pp. werden jetzt also öffentlich und auch öffentlich diskutiert werden. Der Entwurf ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Hammer, nämlich 441 Seiten dick. Der größte  Teil befasst sich natürlich mit der schon seit langem geplanten Änderung/Neufassung der KostO.

Aber Artikel des 8 des Entwurfs auch mit Änderungen im RVG. Und da haben mich natürlich die in Teil 4 und 5 VV RVG besonders interessiert. Dazu hier und heute – auf die Schnelle – folgende Kurzmitteilungen:

  1. Die Betragsrahmen werden (endlich) linar angehoben, das wird als „mit Rücksicht auf die gestiegenen Kosten und zur Teilhabe an der allgemeinen Einkommensentwicklung notwendig“ angesehen. Ich will jetzt hier nicht mit vielen Zahlen langweilen, zumal es ja auch erst mal nur eine Referentenentwurf ist, in den sich die Länder sicherlich noch einbringen werden :-(. Nur ein Beispiel: Verteidigung im vorbereitenden verfahren und im ersten Rechtszug beim AG mit einem HV-Tag bisher 856,80 €, zukünftig sollen es 1.011.50 werden. Insgesamt geht der Entwurf von einer prozentualen Steigerung von 11 % des Gebührenanteils aus.
  2. In Nr. 4141 Anm. 1 Ziff. 1 wird es demnächst „Strafverfahren“ heißen. Damit ist die Rechtsprechung der BGH zum (verneinten) Anfall der Nr. 4141 VV RVG bei Einstellung des Strafverfahrens und Übergang ins Bußgeldverfahren erledigt. Wer an der Stelle gerade kämpft, sollte darauf  – vor allem bei den RSV – hinweisen.
  3. Demnächst soll es auch in den Fällen des § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO die Nr. 4141 VV RVG geben.
  4. Außerdem wird klar gestellt, dass die Grundgebühr immer neben der Betriebsgebühr anfällt. Das hatte ich bisher anders gesehen. Mit der verteidigerfreundlichen Neuerung kann ich aber leben :-).

Alles andere demnächst. Mal sehen, was daraus wird. Geplantes Inkrafttreten 01.07.2013.

Update 22.11.2011: Der Entwurf ist im Internetangebot des DAV abrufbar:
http://www.anwaltverein.de/interessenvertretung/schwerpunkte/anwaltsgebuehren

Verzögerte Rückgabe der Akten – Strafvereitelung?

Im Forum bei HeymannsStrafrecht berichtet ein Kollege darüber, dass ihm ein Münchner Kollege berichtet habe, „dass er von 2 Verteidigern weiß, die einem Ermittlungsverfahren ausgesetzt sind. Vorwurf ist, dass sie die Ermittlungsakten nach Einsicht zu spät zurückgegeben hätten und dadurch das Verfahren so erheblich verzögert, dass hierin eine (versuchte) Strafvereitelung zu sehen wäre. Die Verzögerungen hätten je mehrere Wochen gedauert. Eine Entscheidungen hierzu sind noch nicht ergangen.“

Der Kollege fragt, ob den Forumsmitgliedern solche Vorgänge bekannt sind und/oder, ob es dazu bereits Entscheidungen gibt. Bisher liegen dazu noch keine konkreten Antworten vor.

Ich gebe die Frage hier mal weiter. Kennt jemand solche Verfahren?

Fernsehtipp: VUT im Verbrauchermagazin „Markt“ des WDR

Heute Abend soll im Verbrauchermagazin des WDR „Markt“ ab 21:00 Uhr die Langfassung des Beitrags „RADARFALLEN: Achtung Fehlmessungen“, der in Zusammenarbeit mit der VUT Püttlingen entstanden ist, gesendet werden. So hat es zumindest die Redaktion mitgeteilt. Vielleicht lohnt es sich ja.