Gratulation zum „Triumph im Vollmachtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht“

Der Kollege Wings berichtet in seinem Blog „Höchststrafe“ gerade über seinen „Triumph im Vollmachtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht„, den er im Streit mit dem AG Gladbeck um die Art und Weise und den Umfang der Akteneinsicht erzielt hat. Er hat den von ihm „erstrittenen“ BVerfG, Beschl. v. 14.09.2011 – 2 BvR 449/11 auf seiner HP eingestellt. Von da her habe ich ihn und ihn auch – im vermuteten Einverständnis mit dem Kollegen – bei mir eingestellt (vgl. hier).

Vorab: Gratulation zum Beschluss – im Wesentlichen ein glatter Durchmarsch. Es ist schon erstaunlich, dass das BVerfG die anstehenden Fragen entschieden und sich nicht gedrückt hat. Es hätte genug Stoff gegeben, um die Kurve anders zu drehen – so z.B. bei der Frage der Zulässigkeit bzw. beim noch bestehenden Rechtsschutzbedürfnis.

Nach meiner ersten Einschätzung wird der Beschluss mit Sicherheit Bewegung in die Diskussion bei der Frage bringen: Muss der Verteidiger bei einem Akteneinsichtsantrag eine Vollmacht vorlegen oder nicht?   Ein häufiger (beliebter [?]) Kampfschauplatz bei Verwaltungsbehörden – im OWi-Verfahren – und auch bei Amtsgerichten, obwohl m.E. die Rechtsprechung der Obergerichte an der Stelle eindeutig ist und zu einem klaren „Grds. Nein“ auf die Frage führt. Leider hat das BVerfG das nicht ausdrücklich bestätigt, allerdings meine ich, dass man zwischen den Zeilen herauslesen kann, dass das BVerfG wohl dieser Auffassung sein dürfte. Denn anders sind die m.E. harschen Worte zu der Entscheidung des AG nicht zu verstehen/zu deuten.

Aber: Ausreichend für die weitere Diskussion ist m.E. schon der Satz:

Es bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung, ob und gege­benenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Verteidiger einen Anspruch auf Überlassung oder Übersendung der Akten hat sowie unter welchen Vorausset­zungen von ihm die Vorlage einer Vollmachtsurkunde oder der sonstige Nachweis seiner Bevollmächtigung verlangt werden kann. Jedenfalls hat ein Verteidiger An­spruch darauf, dass über seinen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht und über deren Durchführung willkürfrei entschieden wird.

Und das bedeutet, wenn man dann die Entscheidung richtig einordnet, m.E.: Vorliegen müssen widerspruchsfreie, nachvollziehbare Gründe, mit denen die Versagung oder die Einschränkung der Akteneinsicht mit dem Argument: Keine Vollmacht vorgelegt“ begründet werden soll. Alles, was den Eindruck erweckt, dass man einen Verteidiger (nur) abstrafen will – den Eindruck hatte ich beim Lesen der Verfügungen des AG Gladbeck – reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht aus. Darüber hinaus: Nachvollziehbare Gründe; und die wird es nur in Ausnahmefällen geben. Es ist schon deutlich, wenn das BVerfG schreibt:

„Die angegriffenen Verfügungen des Amtsgericht Gladbeck vom 25. Januar 2011, durch die Akteneinsicht nur auf der Geschäftsstelle gewährt wurde, sind un­ter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar.“

Alles in allem: M.E. eine Entscheidung, die sich die Verwaltungsbehörden und auch die AG, die an der Stelle bislang „ein Fass aufgemacht haben“, werden hinter den berühmten Spiegel stecken müssen.


 

14 Gedanken zu „Gratulation zum „Triumph im Vollmachtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht“

  1. Jens

    „Von da her habe ich ihn und ihn auch – im vermuteten Einverständnis mit dem Kollegen – bei mir eingestellt (vgl. hier).“

    Wieso sollte es dafür ein Einverständnis brauchen?

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  3. meine5cent

    Dass sich das BVerfG mit dem einzigen sachlichen Grund, den das AG nennt (wahrheitswidrige Behauptung, vom Beschuldigten beauftragt zu sein, in einem früheren Verfahren) überhaupt nicht auseinandersetzt, ist mE etwas unbefriedigend. Immerhin wäre ein solcher Vorgang keine Petitesse. Aber vielleicht hätte das AG hierzu den Sachverhalt etwas genauer schildern müssen.

    Was ist , wenn das AG künftig generell nur noch Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle gewährt ohne den Zusatz: „weil keine Vollmacht vorgelegt wurde“: handelt es dann willkürfrei? Denn damit, dass generell nach der obergerichtlichen RSpr. kein Anspruch auf Übersendung besteht, hat sich das BVerfG nicht auseinandergesetzt (sondern es nur erwähnt).

  4. Detlef Burhoff

    ich will es mal vorsichtig formulieren: Müsste das AG diese „Verfahrensänderung“ im Hinblick auf § 147 Abs. 4 StPO und den Streit in Rspr. und Lit. dann nicht aber begründen. Und wie könnte das „willkürfrei“ geschehen? Sicherlich nicht unter allgemeinem Hinweis auf die Entscheidung des BVerfG.

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  6. Detlef Burhoff

    @Jens (Kommentar hing in der Warteschleife): Es braucht ddafür kein Einverständnis, aber warum nicht lieber doch eins oder ein vermutetes. Es ist „die Entscheidung des Kollegen“. 🙂 🙂

  7. RA Schult

    Im Ergebnis ist die Entscheidung zu begrüßen, verfassungsverfahrensrechtlich wurden aber großzügig einige Klippen umschifft, die sonst der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde entgegenstehen. Da wollte die Kammer anscheinend unbedingt helfen. Daß zu einem solchen Fall auch noch die Stellungnahmen des Präsidenten des BGH und des Generalbundesanwalts eingeholt werden, ist sehr ungewöhnlich.

  8. Walter

    Wieviel Prozent der Entscheidungen der Amtsgerichte sind eigentlich von Willkür getragen?

    Wäre für einen juristischen Laien doch mal interessant zu erfahren, ob eine solche Vorgehensweise System hat.

  9. Burschi

    @ Walter: In diesem Fall hier war es reine Schikane, keine Frage, und genau deshalb hat sich das Bundesverfassungsgericht des Falles ja auch nur angenommen (und annehmen dürfen).

    Aber Sie dürfen natürlich nicht stets für bare Münze nehmen, was die Herren Strafverteidiger in ihren Blogs so alles erzählen. Da wird Vieles doch recht einseitig wiedergegeben, mal ganz freundlich formuliert.

  10. Burschi

    Lieber Herr Burhoff,

    es ist Ihnen wirklich zu wünschen, dass Ihre neuen Kollegen die Beflissenheit, mit der Sie sich bei ihnen anbiedern, auch zu schätzen wissen. Die Erfahrung mahnt da aber zur Vorsicht: Allzu demonstratives Renegatentum schafft meist auf beiden Seiten keine Freunde.

    Trotzdem viel Erfolg wünscht
    Burschi (der mit der Justiz beruflich nichts zu tun hat, ehrlich)

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