„Kleider machen Leute“ heißt die Novelle von Gottfried Keller. Sie beschreibt den Werdegang des Schneiders, der zum Grafen wird. Übertragen kann man den Titel auch auf den offenbar neu entbrannten Krawattenstreit im Gerichtssaal, über den der Münchner Merkur, aber auch in verschiedenen Blogs schon berichtet worden ist (vgl. hier von der Krawattenfront, hier das Lawblog und hier).
Als ich den Zeitungsbericht gelesen habe, habe ich nur gedacht: Hatten wir doch alles schon – hatten wir in der Tat schon, den Streit um die Tragen der Robe und aber auch den Streit um das Tragen der Krawatte. So gibt es den Braunschweiger und den Kassler Robenstreit, auch das OLG München hat sich zum Tragen der Robe schon geäußert. Bei der Krawatte ist es m.E. schwieriger, denn § 20 BerufsO nennt die Krawatte nicht, sondern spricht von „als Berufstracht die Robe“.
Einige Gerichte, so das LG Mannheim und das VG Berlin zählen aber dennoch zur Amtstracht auch die Krawatte. Und nun offenbar auch das LG München mit der Folge, dass wir sicherlich dann bald eine bahnbrechende Entscheidung 🙂 des OLG München zu der wichtigen Frage erhalten werden, ob die Krawatte nun zur Amtstracht des Rechtsanwalts gehört oder nicht. Als Autor freut mich das natürlich, kann ich doch dann dem entsprechenden Stichwort in meinem „Handbuch für die Strafrechtliche Hauptverhandlung“ eine neue Entscheidung einfügen :-).
Im Übrigen fragt man sich, was es eigentlich bringen soll, wenn sich Richter und Rechtsanwalt/Verteidiger in dieser Frage streiten. Schnell fällt einem da der Satz ein: „Wenn es denn der Rechtsfindung dient“. Oder wie es der Kollege von der „Krawattenfront“ so schön formuliert hat: „Unter uns gesagt: ich will mich hier jetzt nicht (von mir eingesetzt) entscheiden müssen, ob in diesen Fällen jetzt der Richter oder der Anwalt kindischer ist.“ In der Sache bringt es m.E. in der Tat nichts. Weder für den angeklagten Mandanten noch für das Gericht. Der Rechtsanwalt ist bzw. wird ja im Übrigen nun auch nicht Verteidiger, weil er eine Krawatte trägt.
Und schließlich: Ob das Gericht ihn zurückweisen und die Hauptverhandlung aussetzen kann, auch da habe ich erhebliche Zweifel. Die h.M. sagt wohl zutreffend nein, so lange nicht eine Störung der Hauptverhandlung durch das Nichttragen der Krawatte vorliegt (§ 176 GVG). Man darf gespannt sein, wie das OLG München die Fragen, mit denen es sicherlich befasst werden wird, lösen wird.
Nachtrag 22.08.2011 – 11.30: Ein freundlicher Leser weist mich gerade darauf hin, dass die o.a. Kurzinhaltsangabe nicht ganz richtig ist. Sorry. Hier dann zur Inhaltsangabe (hoffentlich habe ich jetzt im Internet) das Richtige geunden.
Die Entscheidung des OLG München NJW 2006, 3079 betraf keinen Robenstreit, sondern die Frage: T-Shirt unter der Robe statt Hemd mit Krawatte und wurde ging zum Nachteil des T-Shirt+Robe-Trägers aus. Von daher ist vermutlich keine neue bahnbrechende Entscheidung zu erwarten.
Ich habe mich zwar – danke für Ihren Link-Hinweis – ein wenig ätzend über die Entscheidung des Gerichts geäußert, aber ich gebe den Kollegen durchaus Recht, die sagen, im Sinne des Mandanten ist es jedenfalls besser, den Bekleidungsvorschriften des Gerichts nachzukommen. Auch ich empfinde den Streit als „kindisch“. Für solche Fälle sollte man auch als Krawatten-Hasser immer einen Not-Schlips im Koffer haben, den man dann auf Aufforderung des Gerichts noch schnell umlegen kann – wobei man sich das Fritz-Teufel-Zitat – wiederum mit Rücksicht auf den Mandanten – verkneifen sollte, so sehr es auch auf der Zunge liegt.
Noch eine Anmerkung zum Ganzen: Vermutlich war die fehlende Krawatte gar nicht der Auslöser des Streits. Im an verschiedenen Stellen zitierten Artikel des“Münchener Merkur“ war die Rede davon, dass der Kollege im Sitzungssaal auf seine Sache wartete und während einer vorhergehenden Urteilsbegründung sein Handy herauszog, um zu telefonieren. So sehr ich den Kollegen Wolf sonst auch schätze, aber wenn das stimmt, wäre das nicht in Ordnung gewesen. Und wer dadurch den Richter gegen sich aufbringt, der muss sich nicht wundern. Andererseits ist es sicherlich auch nicht angemessen, wenn das Gericht die fehlende Krawatte dann als Anlass für eine Erziehungsmaßnahme hernimmt. Hier tragen wohl beide Seiten Verantwortung.
Drei Fragen hierzu:
1. Müssen weibliche Verteidiger auch eine Krawatte tragen und falls nein, nach welcher Norm darf ich als männlicher Verteidiger Schadensersatz nach dem AGG fordern?
2. Darf ich mich als (Pflicht-) Verteidiger weigern, an der Verhandlung mitzuwirken, wenn der Richter meine Augen durch ein kurzärmeliges Hemd (Robe rutscht beim Gestikulieren bis zu den Achselhaaren hoch) und eine Jeans unter der Robe beleidigt?
3. Warum darf der Richter in nichtöffentlichen Anhörungen (z.B. Haftbefehlsverkündung, StVK-Sachen) im Schlabberpulli, abgewetzter Cordhose und Sandalen erscheinen?
Eine solche Retourkutsche wäre/ist sicherlich auch kindisch. Da untersagt man besser gleich das Telefonieren bzw. bittet den RA das draußen vor der Tür zu tun. Tut man es nicht, schaukelt es sich hoch und das Ergebnis sind dann Blogbeiträge 🙂 🙂 :-).
interessante Fragestellungen. Ich überlegen, sie ggf. in die Neuauflage des Handbuchs HV aufzunehmen 🙂 🙂
Immer wenn es heiß wird, kocht das Roben/Krawattenthema hoch. Bei diesem Münchner Krawattenstreit hat die dortig fehlende das Fett abgekriegt, das eigentlich dem Handy zugestanden hätte, das im Gerichtssaal genauso lästig ist, wie in einem guten Restaurant. 2008 und 2009 gab´s wohl die heißen Sommer, weil da je ein Krawattenstreit hochköchelte. 2010 war Ruhe, es gab auch keinen heißen Sommen. Nun ist´s ein paar Tage heiß und es köchelt schon wieder … http://www.roben-shop.de/blog/2008/10/30/der-ausartende-krawattenstreit/
Fast ein Sommerloch 🙂 🙂 🙂
Es gibt wohl nur eine Möglichkeit, Leuten wie diesem Wolf beizubringen, in wessen Interesse (und i.d.R. auch: zu Lasten wessen Portemonnaies) sie da eigentlich sitzen: Der Mandant muss den Anwalt auffordern, sich schleunigst eine Krawatte/Robe umzuhängen, im Weigerungsfall sofort die fristlose Kündigung des Mandats erklären und die Mehrkosten für den nächsten Advokaten als Schadensersatz gegen den Schlipsverweigerer geltend machen.
Ich gestehe: Ich war in diesem schwülheißem Sommer an einem Tag einer mehrtätigen Strafverhandlung ohne weißen Langbinder. Den Tag zuvor war die Luft schon ekelhaft in dem Saal. Die drei Richterinnen und die Staatsanwältin trugen an allen Verhandlungstagen keinen weißen Seidenschal -die sind auch nicht wärmer als eine Krawatte – und die weißen Blusen waren nicht bis oben zugeknöpft. Da habe ich mich fast angepaßt (fast, weil ich im Gegensatz zu den Damen nur den ersten Knopf des Hemdes offen ließ). Einen Tag ohne, war erst ungewohnt, aber dann doch sehr angenehm. Sicherheithalber war die weiße Krawatte selbstverständlich im Aktenkoffer.
Weil es grad`noch so warm ist. Ich schon immer wußte, dass Frauen in juristischen Berufen nur Vorteile haben (gegebenenfalls???):
Aus der allgemeinen Verfügung über die Amtracht der berliner Rechtspflegeorgane aus 2009!:
Frauen tragen zur Amtstracht eine weiße Bluse und gegebenenfalls eine weiße Schleife, Männer ein weißes Hemd und eine weiße Krawatte oder eine weiße Fliege. Urkundsbeamtinnen und Urkundsbeamte und die mit deren Aufgaben betrauten Personen sollen dies tun, können jedoch statt der weißen eine andere unauffällige Farbe wählen. Frauen können stattdessen ein weißes Tuch tragen, welches ein zur Amtstracht getragenes Kleidungsstück anderer Farbe verdeckt.
Da habe ich doch tatsächlich ein „nicht“ vergessen – wurde aber dennoch verstanden 🙂
Schönen Dank; ich habe es ergänzt 🙂
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