Das Landgericht Frankfurt/Main verurteilt wegen „Fälschung von Zahlungskarten mit Kreditfunktion“ (gemeint war: Fälschung von Zahlungskarten mit Garantiefunktion, § 152b StGB) zu einer Freiheitsstrafe und stellt dabei fest, dass „der Besitz der zahlreichen gefälschten Kreditkarten einen Gesamtvorsatz umfasste, die Karten so oft wie möglich einzusetzen“ (UA S. 12); daher liege nur eine einzige Tat vor. …. „. Der BGH sagt in seinem Beschluss v. 01.09. 2010 – 2 StR 481/10: Nein. Denn:
„Diese rechtliche Würdigung war offensichtlich fehlerhaft. Für die Annahme eines „Gesamtvorsatzes“ auf „möglichst häufige“ Begehung selbständiger Taten ist nach Aufgabe der Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung im Jahr 1994 (BGHSt 40, 138) kein Raum mehr. Da der Besitz von gefälschten Zahlungskarten als solcher nicht strafbar ist, bildet er entgegen der Ansicht des Landgerichts auch keinen Anknüpfungspunkt für einen solchen „Gesamtvorsatz“. Auch unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit lag hier keine einheitliche Tat vor; vielmehr handelte es sich bei den 13 im einzelnen festgestellten Taten offensichtlich um jeweils selbständige, auf jeweils neuen Tatentschlüssen und Vorgaben beruhende Taten.“
Man beachte die Formulierung des BGH: „offensichtlich fehlerhaft“. Das ist mehr als fehlerhaft, nämlich. Ganz falsch.
Ganz falsch schon. Aber doch so schön bequem. Sonst hätte man wieder ganz viele rechtliche Hinweise in der Hauptverhandlung geben müssen (was man vermutlich vergessen hat), ganz viel aufklären und 10 Seiten mehr schreiben müssen. Und da komplizierte materiellrechtliche Probleme und die hierzu zu treffenden Feststellungen häufig erst bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe auffallen, nachdem man sich zu einem schnellen Stuhlurteil hat hinreißen lassen (bloß keine eingehende Beratung und Prüfung nebst gesondertem Verkündungstermin, verdienen ja nur die Pflichtverteidiger dran), muß man dann eben ein wenig improvisieren („was er auch alles gewußt und gewollt hat“).
Ist zwar unschön, dass man nach Jahrzehnten noch einen „Gesamtvorsatz“ annimmt.
Aber ob den Angeklagten damit geholfen ist? Ergänzende Feststellungen sind zulässig; dem vom BGH wiedergegebenen Sachverhalt lässt sich entnehmen („hierarchische Organisation“), dass womöglich in den nicht minder schweren Fällen der Strafrahmen dem § 152 b II (gewerbs- und bandenmäßig; gewerbsmäßig wurde schon festgestellt) zu entnehmen sein wird.
@ Denny Crane:
– ob ein Hinweis erforderlich war, lässt sich der BGH-Entscheidung nicht entnehmen. Zumindest steht dort nicht, ob in der Anklage (und im EB) von Tatmehrheit ausgegangen wurde und man gemeint hat, dass eine Tat günstiger wäre als 13 Fälle. Zumindest in den „Organisationsfällen“ (GmbH ist insolvent, Geschäftsführer lässt trotzdem noch mehrere Bestellungen bei einem Lieferanten aufgeben) geht auch der BGH von Tateinheit aus.
– Dass im Strafprozess aufgrund des strikten Mündlichkeitsprinzips anders als im Zivilprozess Verkündungstermine die Ausnahme sind, finde ich nicht schlimm. Im konkreten Fall kann ich der BGH-Entscheidung nicht entnehmen, welche weitere umfangreiche Aufklärung notwendig geworden wäre.
Ich kannte einen Strafrichter, der meist ohne Aktenkenntnis in die Verhandlung ging, dafür VTs ansetzte, weil er sich “ die Akte noch einmal in Ruhe ansehen“ müsse. Wenn er erkrankte, platzten ihm (damals noch Unterbrechungsfrist von 10 Tagen) zahlreiche VTs sehr zur Freude aller Beteiligten. Im Zivilrecht werden VTs ja gelegentlich nochmals geschoben, im Strafprozess ist das in dieser Großzügigkeit auch nach JuMOG 1 und 2 nicht ganz so einfach.Und bei Strafkammern sollten eigentlich bei mehrtägigen Verhandlungen Zwischenberatungen üblich sein.