Selbst auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wieder böse Kommentare von Amstrichtern bekomme: Ich war gelinde gesagt sehr erstaunt, als ich den Beschl. des OLG Celle v. 02.02.2010 – 32 Ss 6/10, den mir ein Kollege im Anschluss an ein Seminar hat zukommen lassen, gelesen habe. Es geht um die Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem nicht rechtskräftigen Urteil. Da scheint der Amtsrichter einiges in § 267 StPO gründlich missverstanden zu haben. Ist ja auch eine „lange“ Vorschrift mit sechs Absätzen, die auch noch aus mehreren Sätzen bestehen. Nicht gelesen (Kann ich mir nicht vorstellen)? Oder: Hatte der Tatrichter einfach keine Lust, mehr zu schreiben bzw. zu diktieren als „Einrücken Anklagesatz Klammer Blatt…..“. Denn mehr als den Anklagesatz hatte er hier zur Begründung einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung nicht gebracht, von den anderen Lücken des Urteils mal abgeshen
Das führt dann beim OLG, dessen Verstimmung man im Beschl. deutlich spüren kann, zu den Ausführungen:
„Die Feststellungen geben den (eingerückten) Anklagevorwurf, mit dem dem Angeklagten u.a. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen worden war, wieder und führen ergänzend aus, dass sich der diesem Anklagepunkt zugrunde gelegte Sachverhalt bestätigt hat. Unabhängig davon, dass Feststellungen zum inneren Tatbestand gänzlich fehlen und hier auch nicht auf der Hand liegen, tragen die Feststellungen auch nicht den objektiven Tatbestand der ausgeurteilten Straßenverkehrsgefährdung. Es ist bereits fraglich, ob aufgrund der Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten angenommen werden kann. Zumindest aber eine konkrete Gefahr lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.“
Das ist ein „satter“ Verstoß gegen § 267 StPO und führt zur Aufhebung. Das Urteil des Tatrichters ist m.E. ein Lehrstück, wie man es nicht macht: Lücke bei den tatsächlichen Feststellungen, Lücke bei der Beweiswürdigung, Lücke bei der Strafzumessung, alles in allem: Ein großes Loch. Man fragt sich, warum tun Tatrichter das? Bringt doch nur Mehrarbeit, da ein anderer Kollege die Sache jetzt noch mal verhandeln darf/muss. Der freut sich natürlich.
So ein lückenhaftes Urteil ist per Formular in höchtens 2 Minuten gefertigt (wenn überhaupt). Ferner gehen die wenigsten in Revision. Wenn man sich das klar macht, dann hat man eine gute Vorstellung davon, wo die Versuchung wohl liegt.
die Überschrift war auch mehr eine rethorische Frage :-). Ich hätte auch schreiben können: Und nach mir die Sintflut 🙂 🙁
Na ja. Den Amtsrichter kritisieren, aber die Entscheidungsgründe mit der unzutreffenden Floskel, das Rechtsmittel habe „jedenfalls vorläufig Erfolg“, einleiten. Ich würde sagen, das Revisionsgericht hat auch zwei Dinge nicht verstanden: 1. mit der Aufhebung des Urteils hat das Rechtsmittel endgültig Erfolg, 2. solche abwertenden Eischränkungen, die den Eindruck vermitteln, das Urteil habe zwar aus formalen Gründen aufgehoben werden müssen, sei in der Sache aber wohl richtig, haben in einer Revisionsentscheidung nichts zu suchen.
Wer im Glashaus sitzt…
dazu passt: http://blog.strafrecht-online.de/2010/07/warum-formulieren-gerichte-so/
Es wird Ihnen sicher niemand widersprechen, dass es Bereiche richterlicher Tätigkeit gibt, in denen selbst bei erheblicher Überlastung mit dem Aufwand nicht gespart werden darf – das hier ist ganz gewiss so einer (dann doch lieber bei Vergütungssachen, oder …?).
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