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So, so. Die Auslegung der Fachgerichte, § 100h StPO i.V.m. § 46 OWiG als Rechtsgrundlage heranzuziehen, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ich dachte immer, die Grenze für die Auslegung einer Norm sei der Wille des Gesetzgebers. Wer einmal in die Gesetzgebungsmaterialien zu § 100h StPO (bzw. der Vorgängernorm) schaut, wird schnell erkennen, daß der Gesetzgeber keineswegs die Absicht hatte, mit § 100h StPO ein Instrument zur Überführung von Verkehrssündern zu schaffen.
Das wirft aus meiner Sicht schon verfassungsrechtliche Fragen auf. Demnächst kommt noch jemand auf die Idee, §§ 100a, 100c StPO analog für das OWi-Verfahren heranzuziehen. Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen beinhalten schließlich irgendwie die billigende Inkaufnahme der Tötung eines Menschen. Da kann eine akustische Wohnraumüberwachung doch nicht unverhältnismäßig sein.
Sie haben ja Recht. Nur: Karlsruhe sieht es offenbar anders. M.E. hatte man sich aber schon in dem Beschl. v. 05.07.2010 – 2 BvR 759/10 – keine große Mühe gemacht. Auch in dem vom 06.07.2010 wird im Grunde nur die Rechtsprechung der Obergerichte wiederholt. Eine eigene Begründung gibt es m.E. nicht. 🙁
Ich frage mich, warum am 11.08.2009 von eben diesem Bundesverfassungsgericht soviel Lärm veranstaltet wurde.
Im Ergebnis: Bloß weil einer mal vergessen hat, einen Paragraphen zu nennen. Na und, jetzt wird eben einer benannt – ob das richtig ist oder nicht – egal, solange es aus Verfassungssicht nicht völlig abstrus ist. Und die OLG´s beschließen, den 100h Abs. 1 S. 1 StPO schon irgendwie passend zu kriegen, na dann machen wir es eben so – mit dem Segen des BVerfG.
Und dass man für den 100 h einen Anfangsverdacht braucht, ist auch egal. Den kriegen wir schon irgendwie hin. Das BVerfG gibt ja den Freibrief. Da nehmen wir doch mal den kriminalistischen Scharfsinn des Messbeamten. Der ist zwar nicht prüfbar. Aber wenn er falsch lag, merkt es ohnehin keiner. Bußgeldbescheide bekommen doch nur die, bei denen sich im Auswerteraum ein Verstoß feststellen lässt.
Was ist eigentlich mit den nun schon zweimal vom BVerfG betonten Informationspflichten gem. § 101 StPO? Das gilt ja wohl für alle identifizierbar gefilmten Fahrzeugführer. § 101 StPO lässt da keine Einschränkungen zu, es wird aber meines Wissens nicht gemacht. Hat da keiner von den mitlesenden Kollegen (damit meine ich auch die Anwälte) eine Idee?
Wenn nicht, bleiben die Jahre 2009/2010 nette Episoden im OWi-Recht und wir machen weiter wie immer.
VAMA heißt nicht unbedingt „war ma“! Meint: Ganz zu Ende ist die Diskussion nicht. Beim VAMA Messverfahren löst ja der Beamte die Identkamera höchstpersönlich aus. Kein Problem also mit der Verdachtsbildung. Bei anderen Messverfahren ist das nicht der Fall. Angesichts der Entscheidung vom 05.07.2010 habe ich allerdings eine leise Vorahnung, wie die Entscheidung zu den Messystemen, die automatisch auslösen, ausgehen wird…
@GKutscher: Zu den Informationspflichten hab ich hier schon mal was gepostet. Man wird das wohl so sehen müssen, dass
1. wenn ein Verfahren eingeleitet wird, mit dem Anhörungsbogen die Info erfolgt und
2. wenn kein Verfahren eingeleitet wird, unterschieden werden muss:
a) Die Identkamera hat nicht ausgelöst, es wurde nur mit der Verkehrsflusskamera gefilmt, der Grenzwert aber nicht erreicht: Dann auch keine Infopflicht, weil das BVerfG ja im Filmen mit der Verkehrsflusskamera keinen Eingriff ins APR sieht. (Begründung: Ein Satz! Danke fein!) Also ist § 100 h StPO gar nicht erforderlich. Dementsprechend auch keine Infopflicht nach § 101 StPO.
b) Die Identkamera löst aus, es wird aber kein Verfahren eingeleitet, weil der Verstoß geringfügig ist (soll ja angeblich vorkommen). Dann stellt sich tatsächlich die Frage, was mit den Infopflichten ist… Aber nur dann… Und das kriegt dann ja auch keiner mit…
@ 4: Wie war das noch? Wer A sagt, muss auch B sagen. Gilt aber leider wohl nicht immer 🙁
@ 3: Ich gebe Ihnen Recht. Im Grunde viel Lärm um nichts, oder: ich bastele mir eine Ermächtigungsgrundlage. Das BVerfG hätte m.E. dazu auch bereits in 2 BvR 941/08 Stellung nehmen können (müssen?). So blieb ein Loch, das man nun mit dem nicht passenden § 100h StPO füllt. Und dass können noch zig OLG schreiben. Die Vorschrift passt einfach nicht. Und beim Anfnagsverdacht gibt man sich auch keine Mühe. Den behauptet man einfach. Ich kann Ihren Frust verstehen. Trotzdem: Nicht müde werden. 🙂
@ GKutscher: \Bloß weil einer mal vergessen hat, einen Paragraphen zu nennen.\
Genau so isses. Mehr stand in 2 BvR 941/08 nicht drin. Dafür, dass die Verkehrsanwälte seitdem ihren Mandanten erzählen, sie müssten ab jetzt keine Raser-Knöllchen mehr bezahlen, kann das BVerfG nichts.
Und dass Sie sich jetzt alle wundern, dass das BVerfG kein einfaches Recht auslegt, kann einen wiederum nur wundern – um so mehr, als die Einwände gegen die Anwendung von § 100h StPO im Wesentlichen auf die Behauptung beschränkt werden, der \passe nicht\. Dass eine Regelung, die sogar eine lange Observation mit vielen Fotos legitimiert, erst recht eine sehr kurze Beobachtung mit einem einzigen Photo rechtfertigt (arg. a maiore ad minus), ist damit nicht wegzudiskutieren.
es ist schön, wenn man weiß, dass es irgendwo einen Richter (?) gibt, der offenbar alles (auch besser) weiß als die Kollegen. Ihren „kollegialen“ Ton gegenüber der Kollegin finde ich übrigens bemerkenswert.
Im Übrigen: § 100h StPO passt auch nicht. Sie ist für völlig andere Zwecke in die StPO eingefügt worden. Aber das wollen eben die OLG nicht hören. Ich denke, Sie können auch davon ausgehen, dass „alle“ wissen, wie und was das BVerfG prüft. Nur etwas mehr Tiefgang kann man sich ja wohl wünschen.
@3
Gilt der § 101 StPO nur für die „identifizierbar gefilmten Fahrzeugführer“ oder nicht eher für alle „identifizierbar gefilmten Personen“?
(Wie) Behandeln Sie einen solchen Verstoß in Ihrer täglichen Praxis?
@4
Die „Hinweise“ auf dem Anhörungsbogen haben doch nicht ansatzweise den Inhalt, den § 101 Abs. 4 Satz 2 StPO verlangt. Ich kenne eine solchen Hinweis jedenfalls nicht. Über rühmliche Ausnahmen lese ich aber gerne mehr.
@7: Richtig, § 100h StPO war an sich für viel gravierendere Eingriffe gedacht, was aber nicht heißt, dass er nicht auch auf Bagatelleingriffe anwendbar ist. Was für die Bagatelleingriffe nicht passt, ist eher § 101 StPO.
Dass Sie mich als jemanden wahrnehmen, der ständig ungerechtfertigte, ja geradezu besserwisserische Kritik an der Justiz übt, bekümmert mich allerdings sehr, und ich sehe auch ein, dass das nicht in dieses justizfromme (und überhaupt besserwisserischer Kritik vollkommen abholde) Blog hineinpasst. Ich verspreche mich zu bessern und meine Kritik in Zukunft mehr der Strafverteidigerzunft zu widmen, selbstverständlich auch wieder ohne Besserwisserei.
@ Dr. F.
Ob § 100h StPO „paßt“, ist nicht nur eine Frage des einfachen Rechts (siehe Kommentar 1). Denn die historische und systematische Auslegung der Norm und der diesbezügliche Wille des Gesetzgebers sind entscheidend. Dort sind die verfassungsrechtlichen Grenzen der Normanwendung zu ziehen. Es ist mehr als bedauerlich, daß das BVerfG sich mit Hinweisen auf nicht näher begründete oberlandesgerichtliche Entscheidungen begnügt, statt seine schulmäßige Prüfung durchzuführen und sich einfach einmal auf das zu besinnen, was jeder Jurastudent in den ersten Semestern lernt. Die verJURISsung der Rechtsprechung hat offenbar inzwischen auch das BVerfG erfaßt. Statt eine ordentliche Prüfung anhand von Lehrbüchern, Kommentaren und Gesetzesmaterialen durchzuführen, werden anscheinend nur noch Stichworte bei „juris“ eingegeben. Die Rechtsprechung entfernt sich immer mehr von den wissenschaftlichen Grundlagen (vgl. die treffende Kritik von Fezer in HRRS 2010, 281-288).
Abgesehen davon: vom Wortlaut her paßt die Norm auch nicht. Sie kann nur gegen „Beschuldigte“ (im OWi-Verfahren: Betroffene) angewandt werden. Zum Zeitpunkt des „Blitzens“ ist der Fahrer aber noch nicht zum Beschuldigten/Betroffenen erhoben worden. Das kann eine Maschine nicht. Es muß sich immer um eine inviduelle Ermessensentscheidung eines Beamten handeln. Das wird er erst mit Auswertung des Films durch den zuständigen Beamten im Ordnungsamt/Regierungspräsidium. Das Argument, die Beschuldigten-/Betroffeneneigenschaft werde für eine Vielzahl von Fällen von vornherein gegen alle „Geblitzten“ dem Gerät einprogrammiert, so daß das Gerät nur den vorausschauenden Willen eines Beamten ausführe, ist dogmatischer Unsinn.
Offenkundig soll der Zweck die Mitteln heiligen, da nicht sein kann, was nicht sein darf, nämlich, daß alle Blitzgeräte plötzlich rechtswidrig sind. Deshalb agiert man nach dem Motto: was nicht paßt, wird passend gemacht.
Es ist schon erstaunlich, wie das BVerfG nun ohne detaillierte Begründung den 100h StPO als Ermächtigungsgrundlage akzeptiert. Allerdings wurde eine andere Rechtsgrundlage gar nicht ausgeschlossen.
Was mich als Nichtjuristen jedoch genau so wundert, sind die Herleitungen der OLG.
Wie kann der mit wesentlich höheren Hürden versehene 100h akzeptiert werden, der sowohl von der Entstehung, wie wohl auch in der Begründung der Beschuldigten-(Betroffenen-?)eigenschaft eher zweifelhaft ist, wenn 163b Abs. 1 StPO schon wegen der Verneinung einer Betroffeneneigenschaft abgelehnt wird? Wer 100h akzeptiert, kann doch wohl die eher passende Argumentation 163 b ABs. 1/81b Abs. 1 StPO gar nicht ablehnen, oder?
Ach ich habe gerade eine Sitzungspause und lese die neuen Kommentare.
@ Dr. F. Sie dürfen sich sicher sein, dass ich weiß, was das BVerfG zu tun und zu lassen hat. Und den 100h StPO darauf zu prüfen, ob er für diesen ihm konkret vorliegenden Fall eine taugliche Ermächtigungsgrundlage ist, ist dessen originäre Pflicht und keine Frage einfachen Rechts. Auch wenn das BVerfG dies in den neuen Beschlüssen von Anfang Juli behauptet, erläutert hat es dies nicht. Liest man sich frührere Entscheidungen des BVerfG durch, findet man für jeden nur denkbaren Satz eine Erläuterung, versehen mit diversen Fundstellen aus Literatur und Rechtsprechung. Heute wird – wie dies bei immer mehr Obergerichten üblich zu sein scheint – behauptet, nicht begründet und als Beleg allenfalls ein Eigenzitat verwendet (das wiederum nur eine Behauptung enthält).
Ich habe Jura mal als Alternative zu Mathe studiert, weil es eine ziemlich interessante Wissenschaft ist. Aber seit Repetitorien stur Schemata einpauken und nur noch anhand von Fällen gelernt wird, geht die ganze Wissenschaft den Bach runter.
@ Frage:
Der 101 StPO gilt für die Zielperson und die notwendig Mitbetroffenen gleichermaßen.
In meiner Praxis wird hat noch keiner irgendwen benachrichtigt. Das werden wir auch nicht erleben, vermute ich mal. Auswirkungen hat das doch bislang noch nicht.
Das ist es ja was ich meine. Wenn ein Gesetz, das den Grundrechtseingriff legitimieren soll, deswegen vom BVerfG abgenickt wird, weil es Benachrichtungspflichten enthält, diese gesetzgeberische Forderung aber nur eine leere Hülle ist, weil sich keiner dran hält, wie kann ein solches Gesetz dann noch eine taugliche Ermächtigungsgrundlage sein?
Na dann man los, meine Damen und Herren Verteidiger und Verteidigerinnen!
@ H.W. Den 163b StPO hatte ich neben 100h Abs.1 Satz 1 StPO als EMG genannt – wurde vom OLG „übergangen“. Beide brauchen den Anfangsverdacht.
Na und dazu hatte ich gerade eine sehr zähe Beweisaufnahme zur LEIVTEC XV2. Die Entscheidung des OLG Dresden hierzu verspreche ich spätestens morgen zu scannen und zu schicken. Danach genügt es, wenn der Messbeamte mit seinem kriminalistischen Scharfsinn bei Auftauchen des Zielobjekts über „Grundrechtseingriff oder nicht“ entscheidet. Dass das nie überprüfbar sein wird, problematisiert das OLG nicht. Hauptsache er schaltet zwischendurch mal die Kamera aus, wann und warum ist egal. Wenn die Aufnahme mal unterbrochen ist, ist alles schick.
Sag` ich ja. Wir schaffen die OWi-Richter gleich ganz ab. Macht sowieso alles die Exekutive.
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