Und nochmal aus meiner Fundgrube. Es berichtet der Kollege, der auch mit dem befangenen LOStA und der „Sperrberufung“ zu tun hatte. Wenn man den nachfolgenden Prozessbericht liest, weiß man wirklich nicht, ob man lachen oder weinen soll.
„...das Forum soll ja nicht ausschließlich ein Ort sein, den man nur dann aufsucht, wenn man selbst nicht mehr weiter weiß. Deshalb möchte ich gerne über meine jüngsten Erlebnisse an einem auswärtigen Amtsgericht berichten.
Mdt. wird fahrlässige Trunkenheit im Verkehr (0,96 o/oo + angebl. Ausfallerscheinungen) vorgeworfen. Tatort, Wohnort des Mdt. und Ergreifungsort befinden sich in der Stadt X. Die Stadt X hat ein eigenes Amtsgericht, welches dem Mdt. über § 111 a StPO vorläufig die Fahrerlaubnis entzieht.
Die StA Y beantragt einen Strafbefehl, allerdings nicht beim AG X, sondern beim AG Y.
Mdt. lässt durch einen Kollegen Einspruch einlegen. Mdt. wundert sich, weshalb die Sache beim AG Y und nicht beim AG X liegt. Der Kollege meint hierzu, er könne das auch nicht nachvollziehen, aber die Justiz wisse schon, was sie tue.
Ich habe am selben Tag, an dem ich die Sache übernommen habe, per Telefax Verfahrenseinstellung wegen örtlicher Unzuständigkeit beantragt, inkl. Kostenentscheidung. Dies war 5 Tage vor dem HV-Termin, abzüglich Wochenende drei volle Arbeitstage.
Anruf am Montag bei Gericht, ob der Termin abgesetzt wird. Antwort: Nein, weil der Richter nicht da wäre, das sei er Montags nie.
Also am Dienstag 70 km einfache Fahrt zum AG Y. Die HV verläuft wie folgt:
Beginn 9.00 Uhr.
Es erscheint ein gebeugtes Männlein mit einer Gesichts- und Nasenfarbe, die Rückschlüsse auf einen gewissen Alkoholkonsum zulässt.
Vors.: Name? Geburtsdatum? Beruf? Was verdienen Sie?
Vert.: Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen macht der Angekl. jetzt noch keine Angaben.
Vors.: Haben Sie Unterhaltsverpflichtungen?
Vert.: siehe oben. Ich denke, wir brauchen das heute sowieso nicht.
Vors.: Warum nicht?
Vert.: Kennen Sie meinen Schriftsatz nicht? Ich rüge die örtliche Zuständigkeit dieses Gerichts.
Vors.: Sie haben nur geschrieben, dass Sie die Verfahrenseinstellung beantragen.
Vert.: Der Schriftsatz hat drei Seiten.
Vors.: Ach so. Hmmm, ja das war ein Versehen der StA. Und ich habe es übersehen. Frau StA?
StA.: Kann ich den Strafbefehlsantrag noch zurücknehmen?
Vors.: Das weiß ich jetzt nicht.
Vors. schlägt Kommentar auf; StA schlägt Kommentar auf; Vert. tut nichts, da er die Antwort kennt.
Vors.: Ach Frau StA, schauen Sie das doch mal nach. Ich muss mal dringend telefonieren.
9.05 Uhr: Vors. verlässt ohne weiteres Wort den Sitzungssaal.
9:20 Uhr: Vors. kehrt zurück.
Vors.: Frau StA, haben Sie was gefunden?
StA: Ja, im Kommentar bei § … Rn …
Vert.: Es steht direkt im Gesetz. § 411 III 2 mit 303 StPO.
Vors.: Ach so! Frau StA?
StA: Ich nehme den Strafbefehl zurück.
Vors.: Herr Verteidiger, stimmen Sie zu?
Vert.: Nein.
Vors.: Gut, dann ergeht Beschluss: Das Verfahren wird gem. § 206 a StPO eingestellt.
Vert.: Ich hätte zwei Fragen. Warum kein Urteil?
Vors.: Wieso Urteil?
Vert.: Wir sind in der HV, da gilt § 206 a nicht, sondern § 260 III StPO.
Vors.: Wo steht das?
Vert.: Im Gesetz.
Vors.: Ach so!
Vert.: Und im Kommentar bei M-G 16/4.
Vors. (liest nach): Da steht aA Gössel, dem schließe ich mich an. Ihre zweite Frage?
Vert.: Was ist mit der Kostenentscheidung?
Vors.: Gibt es keine.
Vert.: Warum nicht?
Vors.: Das ist nicht vorgesehen.
Vert.: Doch.
Vors.: Wo steht das?
Vert.: Im Gesetz. § 464 StPO.
Vors.: Ich mache trotzdem keine.
Vert.: Ich bitte zu protokollieren, dass ich das Unterbleiben einer Kostenentscheidung rüge.
Vors.: Dafür gibt es keine Grundlage.
Vert.: Darüber wird das nächsthöhere Gericht befinden. Ich bitte um Protokollierung meines Kostenantrags: Kosten des Verfahrens § 467 I StPO. Notwendige Auslagen des Angekl. trägt die Staatskasse, da es sich um einen offensichtlichen Fehler von StA und Gericht handelt, und die örtliche Unzuständigkeit spätestens vor 5 Tagen durch meinen Schriftsatz bekannt ist. Im Übrigen ist es unbillig, den Angeklagten mit den Kosten einer HV zu belasten, wo der Vorsitzende die meiste Zeit abwesend ist, um zu telefonieren.
Vors.: Herr Rechtsanwalt, ich musste ein dringendes dienstliches Telefonat führen. Dafür frage ich nicht nach Ihrer Erlaubnis.
Vert.: Das brauchen Sie auch nicht. Aber der Angekl. muss das nicht bezahlen.
Vors.: Frau StA?
StA.: Ich gebe keine Stellungnahme ab.
Vors.: Dann ist die Sache hier erledigt.
Denkste! Ich habe schriftlich sofortige Beschwerde nach § 464 III StPO eingelegt.
Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Königlich bayerisches Amtsgericht at its best.“
Habe ich zu viel versprochen? Ich denke, es geht wohl nicht nur in Bayern so zu. Und selbst auf die Gefahr, dass ich damit Kommentare hervorrufe: Ich bin schon ein wenig fassungslos 🙂
Ach Danke für den Post. Habe köstlich und laut gelacht. Auch wenn man eigentlich weinen sollte.
das Lachen bleibt einem ein wenig im Hals stecken 🙂