Der EGMR hat heute ein Urteil über die Verlängerung der Sicherungsverwahrung von Straftätern verkündet. Der EGMR beanstandet darin, dass der deutsche Gesetzgeber die ursprünglich vorgesehene Höchstfrist der Sicherungsverwahrung von 10 Jahren auch für solche Straftäter aufgehoben hat, die ihre Tat schon vor dem Zeitpunkt der Gesetzesänderung begangen hatten. Der EGMR sieht darin einen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom 05.02.2004 (2 BvR 2029/01) die Vereinbarkeit der Aufhebung der Höchstfrist auch für solche „Altfälle“ mit dem Grundgesetz bestätigt.
Das BMJ teilt dazu u.a. mit:
Da das Urteil des EGMR nach dem Maßstab der Europäischen Menschenrechtskonvention zu einem anderen Ergebnis kommt, bedarf seine Begründung einer ausführlichen Analyse und einer sorgfältigen rechtlichen Bewertung. Tragfähige Schlüsse auf mögliche Konsequenzen für das deutsche System der Sicherungsverwahrung können erst nach Abschluss dieser Prüfung gezogen werden.
Das Urteil des EGMR ist zunächst nicht endgültig und daher nicht unmittelbar verbindlich. Die Bundesregierung erwägt, gemäß Art. 43 EMRK die Verweisung der Rechtssache an die Große Kammer des EGMR zu beantragen. Im Lichte des endgültigen und für die Bundesrepublik Deutschland verbindlichen Urteils wird dann entschieden, auf welche Weise der festgestellte konventionswidrige Zustand beendet werden kann.
Eine zentrale Rolle wird auch die Frage spielen, wie auf rechtsstaatlicher Grundlage der notwendige Schutz der Bevölkerung vor notorisch gefährlichen Straftätern mit dem unbedingten Ausnahmecharakter der Sicherungsverwahrung sachgerecht zum Ausgleich gebracht werden kann.
vgl. PM vom heutigen Tage.
Ich frage mich: Was muss man denn da groß prüfen und analysieren. Der EGMR hat doch gesagt: Gewogen und zu leicht befunden.
Falls die Entscheidung rechtskräftig wird, dürfte auch noch die Frage spannend werden, wie sie umgesetzt wird. Die EGMR-Entscheidung dürfte ja keine unmittelbare Wirkung auf die Rechtskraft der Anordnung der Sicherungsverwahrung haben. Es wird also nichts nützen, wenn die ca. 70 Betroffenen mit der Entscheidung bei ihren zuständigen Strafvollstreckungskammern vorstellig werden.
Im übrigen wird der Gesetzgeber schon eine Möglichkeit finden, notfalls mit gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen die Entlassung der gefährlichsten Fälle zu verhindern. Dies wird vermutlich auch den Beschwerdeführer im entschiedenen Fall treffen.
Nicht jeder Sicherungsverwahrte ist jedoch ein Mörder, Vergewaltiger und Totschläger. Auch gegen notorische Betrüger, die immensen wirtschaftlichen Schaden angerichtet haben oder Vielfach-Bankräuber, die stets nur mit Spielzeugpistolen unterwegs und nie jemanden körperlich geschadet haben, wird mitunter Sicherungsverwahrung angeordnet.
Ob man diese nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 letzte Alt. StGB Verurteilten mit einer gefahrenabwehrrechtlichen Begründung weiter ihrer Freiheit entziehen darf, dürfte ebenfalls fraglich sein.
Sicherungsverwahrung in Deutschland ist die Todesstrafe auf deutsch, man entledigt sich wie einst 1933 so genannten unwerten Lebens durch Wegsperren für immer und das hat mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun. Wie hieß es doch einst? Wehret den Anfängen !!!