Da ist mal wieder eine gebührenrechtliche Entscheidung, die ärgerlich macht.
Der RA beantragt nach Freispruch im OWi-Verfahren die Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren. Er geht von den Mittelgebühren aus, die um etwa 18 % überschritten werden. Das AG setzt die Mittelgebühren fest, dagegen Rechtsmittel. Das LG Chemnitz entscheidet im Beschluss vom 22.10.2009, 2 Qs 82/09 und verwirft die sofortige Beschwerde. Es hält die Mittelgebühren für angemessen. So weit, so gut (über die Frage kann man trefflich streiten). Aber: Was ist denn nun mit der 20%-Grenze? Da hilft sich das LG mit einem Hinweis auf OLG Düsseldorf NStZ 1998, 465; und Gerold/Schmidt, RVG, 18. Aufl., § 14 RVG, Rn.12. Danach ist auch bei nur geringerer, unter der sog. 20 %-Grenze liegender Überschreitung der Bestimmung der Festsetzung der Wahlanwaltsgebühren diese nicht bindend, wenn sie mit sachfremden Erwägungen ohne Ermessensausübung erfolgte in der Meinung, in diese Bestimmung unter der 20 %-Grenze könne nicht eingegriffen werden. Nur: Für diese Annahme bleibt das LG m.E. eine Begründung schuldig. Denn es führt nur aus: „Vorliegend war die Festsetzung von deutlich (bis zu 18,6 %) über der Mittelgebühr, aber knapp unter der 20 %-Grenze liegenden Beträgen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des unterdurchschnittlich einfach gelagerten Falls trotz der Auswirkungen des Fahrverbots erheblich überhöht, so dass die Gebührenbestimmung nicht bindend ist.“ Das passt auf jeden Fall und führt zur Abschaffung der 20%-Grenze.
Immer noch das alte Problem: Richter und RVG – zwei Welten prallen aufeinander.
Manche Richter scheinen sich vor allem als Hüter der Staatskasse zu begreifen. Ist es Futterneid? Ist es die gebührenrechtliche „Rache“ für den Freispruch? Sind es die mangelnden marktwirtschaftlichen Kenntnisse des aus Steuergeldern besoldeten Staatsdieners?
Gestern erschien in einer Verhandlung der Gegenanwalt nicht. Der Streitwert war zugegebenermaßen recht erbärmlich. Kommentar des Vorsitzenden: „Typisch Rechtsanwalt. Wenn es nichts zu verdienen gibt, kommen sie nicht.“ Ich habe mich gefragt, ob der Vorsitzende den Termin durchgeführt hätte, wenn ihm gesagt worden wäre, daß er für die Dauer des Termins nicht besoldet werde.
Hallo, das hat m.E. sicherlich auch damit zu tun, dass die eine Berufsgruppe über das Einkommen der anderen Berufsgruppe entscheidet. Das ist im Grunde ein Fehler im System; eine Lösung habe ich dafür aber auch nicht.
Nicht ganz ernst gemeinter Vorschlag:
Die Richter erhalten eine bescheidene Grundbesoldung und dürfen pro bearbeiteten Fall in einem gewissen Rahmen selbst entscheiden, welchen Aufschlag sie aufgrund ihres Engagements, der Güte ihrer Arbeit und der angefallenen Belastung für gerechtfertigt halten. Ähnlich der Bemessung der Rechtsanwaltsgebühren oberhalt der „Mittelgebühren“. Die Richter müssen ihre Aufschläge begründen.
Sodann sollte ein „Richterbesoldungsausschuß“, besetzt mit Nicht-Richtern, entscheiden, ob der Richter die von ihm für richtig gehaltenen Aufschläge verdient hat oder ob er sich mit der Grundbesoldung bescheiden muß. In der Entscheidung hat der Richterbesoldungsausschuß ggf. darzulegen, weshalb der Antragsteller eine faule und inkompetente Socke ist, der im Hinblick auf die „Babyfälle“, die er lustlos abgearbeitet hat, eigentlich schon mit der Grundbesoldung überbezahlt ist. Natürlich kann der Richter Beschwerde einlegen. Diese wird jedoch in der Mehrzahl der Fälle „aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses“ zu verwerfen sein.
Schafft vielleicht etwas mehr Verständnis auf der „Gegenseite“ dafür, was es heißt, sich den Wert der eigenen Arbeitsleistung von einem Dritten bestimmen lassen zu müssen… 😉
„“Richterbesoldungsausschuß”, besetzt mit Nicht-Richtern“ – und zwar Anwälten. 😉