Bun­des­tag be­schließt Ge­setz­ent­wurf zu neuen Straf­tat­be­stän­den im Staats­schutz­straf­recht

Be­son­de­re For­men der Vor­be­rei­tung schwe­rer staats­ge­fähr­den­der Ge­walt­ta­ten sol­len künf­tig unter Stra­fe ge­stellt wer­den. Auch das Auf­neh­men oder Un­ter­hal­ten von Be­zie­hun­gen zu einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung soll straf­bar sein, wenn dies in der Ab­sicht ge­schieht, sich in der Be­ge­hung sol­cher Straf­ta­ten un­ter­wei­sen zu las­sen. Schließ­lich sol­len neue Straf­tat­be­stän­de gegen das Ver­brei­ten von An­lei­tun­gen zur Be­ge­hung schwe­rer staats­ge­fähr­den­der Ge­walt­ta­ten ein­ge­führt wer­den.

Der Deut­sche Bun­des­tag hat heute einen ent­spre­chen­den Ge­setz­ent­wurf der Bun­des­re­gie­rung ver­ab­schie­det.

Der In­halt der ge­plan­ten Re­ge­lun­gen im Ein­zel­nen:

I. Vor­be­rei­tung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat § 89a StGB n.F.

Künf­tig soll es im Staats­schutz­straf­recht einen neuen § 89a StGB geben, der die Vor­be­rei­tung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat mit Frei­heits­stra­fe von sechs Mo­na­ten bis zu 10 Jah­ren unter Stra­fe stellt. Der Tat­be­stand be­schränkt sich auf die Vor­be­rei­tung von Straf­ta­ten aus dem ter­ro­ris­ti­schen Kern­be­reich, wie sie in § 129a Abs. 1 StGB auf­ge­führt sind (Straf­ta­ten gegen das Leben und die per­sön­li­che Frei­heit: Mord, Tot­schlag, er­pres­se­ri­scher Men­schen­raub, Gei­sel­nah­me), wenn diese Taten be­stimmt und ge­eig­net sind, den Be­stand oder die Si­cher­heit eines Staa­tes zu be­ein­träch­ti­gen oder die Ver­fas­sungs­grund­sät­ze der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zu be­sei­ti­gen, außer Gel­tung zu set­zen oder zu un­ter­gra­ben. Damit wer­den Täter er­fasst, die sol­che Taten vor­be­rei­ten, aber man­gels Be­ste­hens oder Nach­weis­bar­keit einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung der­zeit nicht nach §§ 129a oder 129b StGB be­straft wer­den kön­nen. Auch die (Ein­zel-?)Täter, deren Hand­lun­gen nicht als Ver­bre­chens­ver­ab­re­dung dem gel­ten­den § 30 Abs. 2 StGB un­ter­fal­len, ma­chen sich damit straf­bar.

Im Ein­zel­nen de­fi­niert der neue § 89a StGB-?E ab­schlie­ßend fol­gen­de straf­ba­re Vor­be­rei­tungs­hand­lun­gen:

  1. die Aus­bil­dung und das Sich-?Aus­bil­den-?Las­sen, um eine schwe­re staats­ge­fähr­den­de Ge­walt­tat zu be­ge­hen
  2. die Her­stel­lung, das Sich-?Ver­schaf­fen, Über­las­sen oder Ver­wah­ren von be­stimm­ten Waf­fen, be­stimm­ten Stof­fen (z. B. Viren, Gifte, ra­dio­ak­ti­ve Stof­fe, (Flüs­sig-?)Spreng­stof­fe) oder be­son­de­ren zur Aus­füh­rung der vor­be­rei­te­ten Tat er­for­der­li­chen Vor­rich­tun­gen (z. B. Zün­dern) sowie
  3. das Sich-?Ver­schaf­fen oder Ver­wah­ren von we­sent­li­chen Ge­gen­stän­den oder „Grund­stof­fen“, um diese Waf­fen, Stof­fe oder Vor­rich­tun­gen her­zu­stel­len
  4. die Fi­nan­zie­rung eines An­schlags

Die neue Vor­schrift er­fasst auch das Sam­meln, Ent­ge­gen­neh­men oder Zur-?Ver­fü­gung-?Stel?len von nicht un­er­heb­lichen Ver­mö­gens­wer­ten, um bei­spiels­wei­se die zur Tat er­for­der­li­chen Spreng­stof­fe zu kau­fen. Eben­so er­fasst die Vor­schrift auch das Sam­meln ver­meint­li­cher „Spen­den“ zur Vor­be­rei­tung eines An­schlags. Hier­bei muss es sich stets um Ver­mö­gens­wer­te han­deln, die – im Rah­men einer wer­ten­den Ge­samt­schau – einen nicht un­er­heb­li­chen Bei­trag zur Vor­be­rei­tung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat leis­ten.

II. Auf­nah­me von Be­zie­hun­gen zur Be­ge­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat – § 89b StGB n.F.

Nach dem neuen § 89b StGB-?E soll mit Frei­heits­stra­fe bis zu drei Jah­ren oder mit Geld­stra­fe be­straft wer­den, wer in der Ab­sicht, sich in der Be­ge­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat un­ter­wei­sen zu las­sen (vgl. § 89a Abs. 2 Nr. 1 StGB-?E), Be­zie­hun­gen zu einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung auf­nimmt oder un­ter­hält. Er­fah­rungs­ge­mäß geht dem Auf­ent­halt in ter­ro­ris­ti­schen Aus­bil­dungs­la­gern die Ver­mitt­lung durch Per­so­nen vor­aus, die ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gun­gen zu­ge­rech­net wer­den kön­nen. Die neue Vor­schrift er­mög­licht es, mit straf­recht­li­chen Mit­teln gegen Per­so­nen vor­zu­ge­hen, die sich bei­spiels­wei­se in so­ge­nann­ten ter­ro­ris­ti­schen Aus­bil­dungs­la­gern die zur Be­ge­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat er­for­der­li­chen Fer­tig­kei­ten an­eig­nen wol­len und zu die­sem Zweck, Kon­takt zu Mit­glie­dern oder Un­ter­stüt­zern einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung auf­neh­men.

III. An­lei­tung zur Be­ge­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat – § 91 StGB-?E n.F.

Die Vor­schrift er­fasst das Ver­brei­ten oder das An­prei­sen von ter­ro­ris­ti­schen „An­lei­tun­gen“ – bei­spiels­wei­se im In­ter­net – und be­droht diese Ver­hal­tens­wei­sen mit bis zu drei Jah­ren Haft, wenn die Um­stän­de der Ver­brei­tung der An­lei­tung ge­eig­net sind, die Be­reit­schaft an­de­rer zu för­dern oder zu we­cken, eine schwe­re staats­ge­fähr­den­de Ge­walt­tat zu be­ge­hen.

Ent­schei­dend ist, dass nicht mehr auf die Ab­sicht des Tä­ters ab­ge­stellt wird. Statt des­sen soll es künf­tig aus­rei­chen, dass die Um­stän­de der Ver­brei­tung der je­wei­li­gen An­lei­tung (z. B. im Rah­men einer is­la­mis­ti­schen oder auch rechts­ex­tre­mis­ti­schen Web­sei­te) ob­jek­tiv ge­eig­net sind, die Be­reit­schaft an­de­rer zu för­dern oder zu we­cken, eine Ge­walt­tat mit einer staats­schutz­re­le­van­ten Ziel­set­zung zu be­ge­hen.

Eben­falls be­straft wer­den soll, wer sich eine sol­che An­lei­tung (zum Bei­spiel durch Her­un­ter­la­den aus dem In­ter­net) ver­schafft, um eine sol­che Ge­walt­tat zu be­ge­hen (§ 91 Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F.).

Wer sich sol­ches Ma­te­ri­al ohne An­schlags­vor­satz (z. B. aus ju­gend­li­cher Neu­gier) her­un­ter­lädt, wird nicht von dem Tat­be­stand er­fasst. Aus­ge­nom­men von der Straf­bar­keit sind auch sol­che Hand­lun­gen, die aus­schließ­lich der Er­fül­lung recht­mä­ßi­ger be­ruf­li­cher oder dienst­li­cher Pflich­ten oder der For­schung, Wis­sen­schaft oder Lehre die­nen. Straf­los sind etwa An­lei­tun­gen in Che­mie­bau­käs­ten, Lehr­bü­chern oder auch Pa­tent­schrif­ten.

IV. Be­gleit­re­ge­lun­gen

Er­gänzt wer­den die neuen Tat­be­stän­de im Straf­ge­setz­buch durch Be­gleit­re­ge­lun­gen.

1. Ver­fah­rens­recht
So sol­len die Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den zur Ver­fol­gung von Straf­ta­ten nach den neuen Vor­schrif­ten auf die Er­mitt­lungs­maß­nah­men zu­rück­grei­fen kön­nen, die be­reits nach gel­ten­dem Recht zur Ver­fü­gung ste­hen (z. B. die Durch­su­chung, Be­schlag­nah­me). So­weit es um die Vor­be­rei­tung schwe­rer staats­ge­fähr­den­der Ge­walt­ta­ten geht (§ 89a StGB-?E) soll den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den dar­über hin­aus auch die Mög­lich­keit der Wohn­raum­über­wa­chung und der Te­le­fon­über­wa­chung zur Ver­fü­gung ste­hen.

Für Straf­ver­fah­ren wegen der neuen Tat­be­stän­de der Vor­be­rei­tung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat (§ 89a StGB-?E) und der Auf­nah­me von Be­zie­hun­gen zu einer ter­ro­ris­ti­schen Ver­ei­ni­gung zur Be­ge­hung einer schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­tat (§ 89b StGB-?E) sind die Staats­schutz­ge­rich­te zu­stän­dig, was durch den Staats­schutz­cha­rak­ter der Vor­schrif­ten und die Kom­ple­xi­tät der zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­hal­te be­grün­det ist.

Der Ge­ne­ral­bun­des­an­walt beim Bun­des­ge­richts­hof hat die Mög­lich­keit, bei Straf­ta­ten nach § 89a und § 89b StGB-?E die Straf­ver­fol­gung zu über­neh­men, wenn es sich um einen Fall mit be­son­de­rer Be­deu­tung han­delt (sog. Evo­ka­ti­ons­recht).

2. Auf­ent­halts­recht
Er­gänzt wer­den auch auf­ent­halts­recht­li­che Re­ge­lun­gen. Ein­ge­führt wird ein neuer Re­ge­laus­wei­sungs­tat­be­stand, der die bis­he­ri­gen Re­ge­laus­wei­sungs­tat­be­stän­de im Hin­blick auf die Ziel­rich­tung des neuen § 89a StGB-?E er­gänzt. So kön­nen bei Vor­lie­gen von tat­säch­li­chen An­halts­punk­ten für die Vor­be­rei­tung von schwe­ren staats­ge­fähr­den­den Ge­walt­ta­ten re­gel­mä­ßig auf­ent­halts­recht­li­che Maß­nah­men ge­trof­fen wer­den:

  • Aus­wei­sung mit der Folge, dass der Auf­ent­halts­ti­tel nach § 51 Abs. 1 Num­mer 4 des Auf­ent­halts­ge­set­zes er­lischt, eine Ab­schie­bung grund­sätz­lich mög­lich ist, und ein Auf­ent­halts-? und Ein­rei­se­ver­bot (§ 11 Abs. 1 S. 1 des Auf­ent­halts­ge­set­zes) be­steht,
  • Zu­rück­wei­sung an der Gren­ze (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 des Auf­ent­halts­ge­set­zes)
    Aus­län­der, die im Aus­land schwe­re staats­ge­fähr­den­de Ge­walt­ta­ten vor­be­rei­ten, sol­len nach Mög­lich­keit be­reits an der Ein­rei­se ge­hin­dert wer­den.

V. In­kraft­tre­ten

Das Ge­setz be­darf der Zu­stim­mung des Bun­des­ra­tes. Es soll am Tag nach der Ver­kün­dung in Kraft tre­ten

Quelle: PM des BMJ vom 28.05.2009

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