Bei manchen Entscheidungen frage ich mich: Was soll das eigentlich bzw. musste das sein? Da geht es dann aber häufig nicht um die entschiedene Rechtsfrage, also den rechtlichen Inhalt der Entscheidung, sondern meist um Formulierungen in der Entscheidung. So war es beim OLG Rostock, Beschl. v. 17.11.2015 – 21 Ss OWi 158/15 betreffend die Zulässigkeit der Auswertung einer Geschwindigkeitsmessung durch einen privaten Dienstleister (vgl. dazu Ring frei III: OLG Rostock zur Auswertung von Messungen durch Private, oder: Alles in allem – unschön). Da hatte mich der in meinen Augen schon harsche Rüffel des Amtsrichters durch den Einzelrichter des OLG erstaunt/geärgert.
Und so ist es auch mit einem Beschluss der LG Augsburg, der mir in den vergangenen Tagen „zugespielt“ worden ist. Ergangen ist der Beschluss in einem Haftprüfungsverfahren. Das AG Augsburg hat gegen den Beschuldigten Haftbefehl erlassen – der Vorwurf und die Haftgründe tun hier jetzt nichts zur Sache. Gegen diesen Beschluss legt der Verteidiger beim Amtsgericht Haftbeschwerde ein. Und da er damit beim AG Augsburg schon mal leidvolle Erfahrung gemacht hat – das Haftgericht hatte früher, alledings ein anderer als der jetzt zuständige Ermittlungsrichter, mal eine Haftbeschwerde 11 Tage liegen lassen, bevor die dem Beschwerdegericht vorgelegt wurde -, hat er in seiner Haftbeschwerde unter „6“. wie folgt formuliert/ausgeführt:
„Nach allem ist der Haftbefehl aufzuheben.
Hilfsweise ist er gegen geeignete Auflagen außer Vollzug zu setzen.
Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das Gericht ausdrücklich darauf hinweisen muss, dass über die Beschwerde binnen drei Tagen entschieden werden muss oder unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen ist.
Ich verweise auf § 306 Abs. 2 HS. 2 StPO. Die inzwischen als Mindermeinung anzusehende Ansicht, dass es sich hier um eine reine Sollvorschrift handele, die lediglich „nach Möglichkeit anzuhalten sei“ verkennt, dass die Vorschrift unmittelbarer Ausfluss des zu beachtenden Beschleunigungsgebotes in Haftsachen ist (so ausdrücklich OLG Naumburg NStZ-RR 2011, 123 f. = StraFo 2010, 464 f. = StRR 2011, 34 = StV 2011, 39; ebenso bereits früher OLG Hamm StV 2006, 91; OLG Hamm StV 2002, 492; OLG Hamm StV 2000, 153). Eine Verzögerung kann und darf deshalb nicht hingenommen werden. Die Frist darf nicht nur zur Formalie mutieren. Konsequenz eines Verstoßes muss deshalb die Aufhebung des Haftbefehls sein. Ich verweise zum ganzen auf Herrmann in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Auflage 2016, § 117 Rn. 46.
Die Staatsanwaltschaft wurde unmittelbar informiert. Ich habe ihr eine Kopie der Haftbeschwerde per Telefax zugeleitet und um Vorlage der Akten an das Haftgericht gebeten.
Ich darf das Gericht dennoch bitten, die Frist zur Entscheidung über die Haftbeschwerde vorzumerken.
Sollte die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig die Akte vorlegen, dann müsste ohne Akten entschieden werden.
Sollte die Staatsanwaltschaft eine Stellungnahme zur Sache abgeben, dann bitte ich, mir diese bekannt zu machen. Ich beanspruche für meinen Mandanten insofern rechtliches Gehör. Um die Sache nicht zu verzögern bitte ich um Übersendung per Telefax.“
Und er bekommt eine Haft(fortdauer)entscheidung des LG Augsburg, in der seine Beschwerde zurückgewiesen wird; auch die dafür angeführten Gründe tun hier nichts zur Sache. In der Entscheidung heißt es dann am Schluss:
„Die lichtvollen Ausführungen am Ende der Beschwerdeschrift (unter Punkt 6) hat die Kammer dankbar und voller Interesse zur Kenntnis genommen.“
Ja, das steht da wirklich so. Da frage ich mich nun wirklich, was soll das? Hat eine Strafkammer es nötig, so auf in der Darstellung neutrale und m.E. in keiner Weise zu beanstandenden Vortrag eines Verteidigers zu reagieren? Es ist ja schön und zu begrüßen, wenn die Kammer den hinter diesen Ausführungen des Verteidigers stehenden Streit in Rechtsprechung und Literatur kennt. Dann nehme ich diesen Vortrag zur Kenntnis, kommentiere ihn aber nicht, jedenfalls nicht so. Kannte die Kammer den Streit nicht, dann sollte sie wirklich „dankbar“ sein über die „lichtvollen Ausführungen“. Jedenfalls liegen für mich die Ausführungen neben der Sache. Sind sie arrogant und/oder überheblich, sind sie nur – aus welchem Grund – spöttisch, oder auch zynisch? Das mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls zeigen sie mir ein doch – gelinde ausgedrückt – recht eigenartiges richterliches Selbstverständnis. Also: Muss das sein? Und: Man mag sich auch mal Gedanken darum machen, welchen Eindruck solche Formulierungen bei dem Beschuldigten hinterlassen…..
Wenn diese gehaltvollen offensichtlich aus Sicht des LG unnötigen Ausführungen nicht mal der wahre Grund für die Haftfortdauer waren….
Die Arroganz der Macht. Da ist sie wieder. ..
Die Ausführungen des Verteidigers sind aber auch toll.
und was passt daran schon wieder nicht?
Objektiv sind über 90 % der Haftentscheidungen offensichtlich rechtswidrig. Das bedeutet aber auch, dass die Entscheider, also Richter am laufenden Band Straftaten begehen. Umso mehr stoßen die kraftvollen Formulierungen der samtbesetzten Straftäter auf.
Bislang hat mir noch kein Richter erklären können, warum es so unattraktiv ist, die Gesetze einzuhalten.
Die Obergerichte und die Politik nehmen diesen Zustand lächelnd zur Kenntnis.
Ich träume davon, in einem Rechtsamt zu leben, wo sich auch die Gerichte an Recht und Ordnung halten.
Sascha Petzold
Ich lese gerade im GG-Kommentar von Sachs (4. Auflage) bei Art 103 Rn. 40: „.. kann doch unbegründetes Abweichen von höchstrichterlicher Rspr. in einer str. Rechtsfrage das Recht auf rechtliches Gehör verletzen“ (BSG NJW 1997, 2003).
Es ist ja schon deutschlandweit bekannt/berüchtigt, dass in Augsburg an AG und LG merkwürdige Rechtsauffassungen und merkwürdige Umgangsformen an der Tagesordnung sind.
Ist schon ein sehr merkwürdiges Biotop da in Augsburg.
@ Sascha Petzold
Aha. Woher haben Sie die Information, dass 90 % aller Haftentscheidungen „offensichtlich“ rechtswidrig sind? Auf welche Studie beziehen Sie sich? Anhand welcher Kriterien wurde in dieser Studie bestimmt, dass eine Haftentscheidung rechtswidrig sei? Wer hat die Studie durchgeführt? Mit welchen Richtern haben Sie Gespräche geführt, in denen Sie sich von diesen überzeugen lassen wollten, dass es unattraktiv sei, Gesetze einzuhalten? Warum machen Sie so etwas?
Au weia, Herr Petzold…..
Und zum eigentlichen Thema: Wer oberlehrerhaft formuliert („Ich darf das Gericht bitten…“) , darf dann selbst nicht wehleidig sein.
Die Formulierung des Verteidigers ist nicht minder überflüssig als die der Kammer.
Was ist denn daran oberlehrerhaft? Die Formulierung der Kammer ist auch nicht nur „überflüssig „, sondern ungehörig und in einem Strafverfahren mehr als unpassend. Das mit der „Arroganz der Macht “ ist eine nicht von der Hand zu weisender Vorhalt
Eine der oberlehrerhaften Formulierungen habe ich bereits zitiert. „Muss ich das Gericht darauf hinweisen….“ ist eine weitere.
Sicher, es gibt Schlimmeres, und in unserer Kammer wären wir, die Einhaltung der Vorlagefrist unterstellt, gar nicht darauf eingegangen. Aber ich halte es umgekehrt auch für nicht dramatisch, dass jemand, der meint so formulieren zu müssen, auf gleichem Level eine Antwort bekommt, zumal die „leidvollen Erfahrungen“ ja offenbar nicht mit dem Kollegen, der den erfolglos angegriffenen HB erlassen hat, gemacht wurden.
Was ist denn an „Ich darf das Gericht dennoch bitten,..“ und an „„Muss ich das Gericht darauf hinweisen….“ „oberlehrerhaft. Das ist jemand höflich oder versucht, so zu formulieren“, und bekommt dafür dann eine in meinen ungehörigen Antwort. „Dramatisch“ finde ich das schon, denn es zeigt einen in meinen Augen „dramatischen“ „Verfall der Sitten“. Was bringt die von mir beanstandete Formulierung in der Sache? Nichts. Und dann ist diese ungehörige Formulierung überflüssig wie ein Kropf. Was will sich die Kammer damit beweisen? Ich würde eher diese Formulierung als „oberlehrerhaft“ einordnen. Sorry, aber ich kann Ihnen nicht folgen.
„Sorry, aber ich kann Ihnen nicht folgen.“
Ich Ihnen (ausnahmsweise) auch nicht. 🙂
Vielleicht hilft ein Beispiel: man stelle sich einen Vorsitzenden vor, der sich – weit entfernt von einem konkreten Anlass – höflich an die Verteidigung wendet und erklärt, er müsse den Herrn Rechtsanwalt darauf hinweisen bzw. dürfe diesen bitten, sich doch an das Gesetz zu halten. Was wäre wohl die Reaktion?
Vermutlich hätte der grundlos so angegangene so viel Schaum vor dem Mund, dass er gerade noch die Worte „unaufschiebbarer Antrag“ hervorbrächte, und ich könnte dies nachvollziehen.
Und wo ist bitte die Beschwerdekammer „angegangen“? Und was heißt überhaupt „angegangen“? Und das unter der Vorgabe, dass Akten schon beim AG Augsburg 11 Tage liegen geblieben sind. Mit Verlaub: Sie schreiben es mir nicht schön.
Ich bin weit davon entfernt, etwas „schönschreiben“ zu wollen. Die Bemerkung der Kammer ist mE, wie ich bereits in meinem ersten Kommentar geschrieben habe, überflüssig. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Man muss da keine Staatsaffäre draus machen.
Überdies erschließt sich mir nicht, warum man es dem vorliegend zuständigen Kollegen entgegen halten sollte, dass sich ein anderer Bediensteter desselben Gerichts rechtswidrig verhalten und eine Akte zu lange liegen gelassen hat.
Sie ist nicht nur „überflüssig“, sondern „unpassend“, „ungehörig“ und auch „arrogant“.
Und warum – wenn ich schon eine Sache mit 11 Tage Liegenbleiben erlebt habe – darf ich nicht einen Amtsrichter darauf hinweisen, dass er innerhalb von drei Tagen vorlegen muss? Was ist daran oberlehrerhaft? Die Kammer hätte ja, wenn sie es in der Sache anders sieht, mit Argumenten antworten können, aber die hat man offenbar nicht.
Ich hätte im Übrigen nicht so höflich mit: „Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das Gericht ausdrücklich darauf hinweisen muss, …“ formuliert, sondern einfach und prägnant mit: „Ich weise darauf hin….“
@T.H, RiLG
„Die Formulierung des Verteidigers ist nicht minder überflüssig“
Daß der Vortrag selbst nicht überflüssig ist (wegen negativer Erfahrungen des Verteidigers am AG Augsburg), bestreiten Sie nicht. Wenn Sie nur die Formulierung beanstanden: Was würden Sie schreiben? Ersichtlich hat der Verteidiger seine Worte gerade so gewählt, um dem Gericht nicht auf den Schlips zu treten („Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das Gericht ausdrücklich darauf hinweisen muss“). Die Formulierung erscheint mir fast schon leisetreterisch.
Überhaupt: Da diese Passage ausschließlich an den Amtsrichter gerichtet war, ist es umso unverständlicher, daß die LG-Kammer so herumkaspert. Warum mischt sie sich in ein „fremdes Gespräch“ ein? Demonstrative Solidarisierung mit dem AG Augsburg?
Tja, seit DB selbst nicht mehr zum Kreis der OLG-Richter gehört und deshalb nicht mehr nach unten (AG, LG und RAe) keilen und abkanzeln kann, ist er recht dünnhäutig und unnachsichtig geworden.
„Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich das Gericht ausdrücklich darauf hinweisen muss, …“ ist doch keine Höflichkeitsgeste, sondern eine Unverschämtheit (denn es bedeutet nichts anderes als „mir ist schon klar, dass die Aufforderung, sich gefälligst an das Gesetz zu halten, eine Zumutung darstellt, aber es MUSS halt sein, sonst machen Sie es ja nicht“). Die süffisante Bemerkung, mit der das Beschwerdegericht darauf reagiert, mag – angesichts des Umstands, dass der Vorderrichter kommentarlos vorlegen muss und sich nicht selbst zur Wehr setzen kann – etwas mit kollegialer Solidarität zu tun haben, bleibt aber demgegenüber doch völlig harmlos.
@Purist: Wenn nichts mehr hilft, wird man eben persönlich und dann natürlich anonym im Internet. Daher: No comment.
@Gast: Eben, es „MUSS“ – im Interesse des Mandanten – sein für den Verteidiger, wenn er davon ausgeht oder ggf. davon ausgehen muss – so die Vorgeschichte -, dass das AG die Haftbeschwerde ggf. erneut liegen lässt. Das geht – worauf OG zutreffend hinweist – die Kammer im Grunde gar nichts an. Jedenfalls berechtigt es nicht zu unsachlichen, ungehörigen und überflüssigen „Anmerkungen“. Alles in allem „schlechter Stil“.
Das Ganze ist Selbstironie. Die Kammer hatte genau das in einem früheren Beschluss des Amtsgericht in das Stammbuch geschrieben und bedankt sich dafür, dass auch der Verteidiger das übernommen hat. Von daher ist die Bemerkung eher lustig.
Das Geschrei der Anwaltschaft möchte ich hören, wenn das Fehlverhalten eines einzelnen (!) Mitglieds des Berufsstands zum Anlass genommen wird, den gesamten Rest unter Generalverdacht zu stellen…..
Im Übrigen kann ich mich zum ersten Mal auf „Gast“ beziehen, der zu den Formulierungen alles gesagt hat, was zu sagen ist.
Auch der BGH kann das, werde ich in den nächsten Tagen mitteilen. Eine so vor Arroganz und widerlichem Zynismus strotzende Formulierung, dass einem jeder Restrespekt vor diesem hohen Haus verloren geht.
Welche Kammer war das denn?
Meiner Meinung nach völlig unpassend. Ich stimme mit T. H RiLG nicht überein, die Sätze oberlehrerhaft. Es gibt hier immerhin um Grundrechte, die in diesem Falle von unmittelbarer Bedeutung sind. Der Rechtsanwalt möchte lediglich Vorsorge treffen, da die Sache wichtig ist. Dabei geht es nicht darum, wer recht hat und wer nicht, sondern einfach nur darum, jede unnötige Verzögerung zu vermeiden, die – wie er schreibt – absolut nicht hinnehmbar wäre.
Wer sich als Richter zu einem solchen Satz reißen lässt, der hat wirklich etwas nicht verstanden. Da hab ich von Rechtsanwälten schon weitaus frechere Dinge gelesen, die vor allem überhaupt keinen Sinn ergaben, außer den Adressaten zu ärgern, was hier gerade nicht der Fall war.
@ Ingo W.: Ich habe bewusst – weil ich diese Diskussion – erwartet habe, keine Aktenzeichen eingestellt. Und ich möchte es auch dabei belassen 🙂
Das eigentliche Problem ist doch, dass in zahlreichen Verfahren die Rechte des Beschuldigten mit Füßen getreten werden- warum wird sonst die Vorschrift des 306 Abs.2 2. HS StPO so konsequent missachtet? Da mag doch keiner mehr an Zufall glauben!
Wir reden hier immerhin von inhaftierten personen ohne zugrunde liegendem Urteil!! Unglückliche und überflüssige Formulierungen beider Seiten hin oder her.
Wieso ist es denn überhaupt zu kritisieren, wenn sich Richter dafür bedanken, dass der Verteidiger die Rechtslage zutreffend darstellt? Ist jetzt schon jedes Lob verboten???
Der Versuch, witzig zu sein, ist misslungen.
@Gast: Es ist jedenfalls verboten, Diskussionen, wie hier, durch erkennbar nicht ernst gemeinte Beiträge, die in der Sache nichts aussagen, zu stören. Bitte gehen Sie weg und kommen Sie nicht mehr.
Verstehe ich nicht!?
@T.H. „Man muss da keine Staatsaffäre draus machen.“ DOCH! Sollte man in ALLEN Fällen, in denen Richter es mit der „Unabhängigkeit übertreiben“ und „frei kreisen“. Denn wir leben – sorry- in einem Rechtsstaat und da hat Willkür jeglicher Natur NICHTS zu suchen. Respektlosigkeit Sondershausen!
Im Zivilrecht kann ich mich noch trösten „da geht es maximal um Geld“, hier geht es um Freiheitsrechte… Da leg ich persönlich auch mal die Messlatte höher!
Wie der Kollege (ich hoffe, diese Formulierung ist noch ok für Dich, denn ich meine sie mit höchsten Respekt) Werner Siebers oben sagte „Eine so vor Arroganz und widerlichem Zynismus strotzende Formulierung, dass einem jeder Restrespekt vor diesem hohen Haus verloren geht.“ – Für mich vor der Justiz. Und ja: An sowas müssen sich alle Richter messen lassen. Denn genau so etwas darf es in einem Rechtsstaat nicht geben!
So was habe ich in meiner Zeit als Amtsrichter, der ich auch geblieben bin, ständig erlebt. Mal hat mir ein Senat ins Stammbuch geschrieben, meine Rechtsprechung bewege sich am Rand der Rechtsbeugung, um sich dann einige Zeit später zähneknirschend anzuschließen, um den eigenen Unsinn nicht dem BGH vorlegen zu müssen. Ich hatte damals die Rechtsprechung »erfunden«, wonach bei einem Rotlichtverstoß die Sekunde ab Überfahren der Haltelinie zu rechnen ist. Aber ich habe es auch sonst immer wieder lebt. Als ich z.B. In einem auf vielen langen Seiten begründeten Urteil das Schwarzfahren (mit Thomas Fischer) als nicht strafbar beurteilt habe, würde ich vom OLG als völlig unhaltbar abgekanzelt. Ein Kammercorsitzemder äußerte mal in öffentlicher Verhandlung, Urteile von mir würden ohnehin aufgehoben, ohne dass man sie eigentlich verlesen müsse. Als er mich bei anderer Gelegenheit mal fragte, wer eigentlich meine zweite Berufungskammer sei, antwortete ich, das wisse ich nicht. Berufungsurteile würde ich als Amtsrichter nämlich grundsätzlich nicht lesen 😉 und einmal hat eine Beschwerdekammer einen Beschluss von mir aufgehoben und die Sache zurückverwiesen mit der Aufforderung, unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu entscheiden. Ich habe sie ihnen wieder gegeben mit der Bitte, selbst in der Saxhe zu entscheiden, wie vom Gesetz vorgesehen. Da haben sie sich geweigert. Als ich dann mit einer Anzeige wegen Rechtsbeugung gedroht habe, haben Sie aufgehoben und gleich an ein anderes Gericht zurückverwiesen. Die Arroganz von Obergerichten kennt manchmal keine Grenzen.
Traurig. Vor allem muss ich Anjas buch nicht lesen um zu wissen, dass das alles stimmt. Es ist nicht unbedingt die Mehrheit, aber dass es hier und da gewaltige Probleme gibt – die scheinbar niemanden, jedenfalls nicht dort, wo es interessieren müsste, interessieren – ist nicht zu bestreiten.
Aber so ist das eben. Schimpansen sitzen nicht nur auf Bäumen, sondern auch in Gerichten.
Die Rechtsprchung von Obergerichten ist nicht besser, allenfalls – im Einzelfall – verbindlicher als die von „Instanzgerichten“. Schon manches tapfere Amtsrichterlein hat durch hartnäckiges Gegen den Strom Schwimmen schließlich eine Änderung der obergerichtlichen Rechtsprchung erreicht. Ich weiß, das Thema ist auch bei Anwälten oft nicht beliebt, wenn sie meinen, ein Obergericht auf ihrer Seite zu haben. Aber es hat auch schon so mancher gesagt: Sie sind doch frei, auch anders zu entscheiden! Stimmt!
Solche Fristen wie die drei Tage bei der Beschwerde wurden doch früher fast nie eingehalten. ich erinnere mich da an meine Zeit bei der StA Frankfurt. Da haben die Haftrichter den Termin für eine Haftprüfung immer erst dann anberaumt, wenn sie die Akten schließlich hatten. Das könnte schon mal dauern. Ich habe es später dann anders gemacht: Sofort terminiert und die StA um umgehende Vorlage der Akten gebeten mit dem Hinweis, dass bei nicht chtzeitiger Vorlage (meistens habe ich einen Temin genannt) der Haftbefehl aufgehoben werden müsse. Das hat immer geklappt. Und ich kannte Verteidig, die haben ihre Brschwerden in Abschrift an die Beschwerdekammer geschickt mit der Bitte dafür Sorge zu tragen, dass ihr die Akten rechtzeitig vorgelegt werden. Es ist für die Kammer dann schwierig, einfach abzuwarten und die Frist verstreichen zu lassen. Beim GenStA haben wir geschrieben, wir hätten gerne umgehend die Akten, sollte der Bechwerde nicht abgeholfen werden, um sie innerhalb der gesetzlichen Frist dem OLG vorlegen zu können. Allerdings gab es auch da Strolche, denen war es dann egal, ob die Akten rechtzeitig kamen oder nicht.
Wie man schon an dieser Diskussion sieht geht es bei Gericht in erster Linie um Formulierungen, die für alle schön sein müssen und um das Ansehen der Person. Es ist das wichtigste überhaupt und dabei muss ja jeder dann den anderen übertreffen.
Erst in zweiter Linie oder noch viel später geht es um Rechte. Und eigentlich sollte es in erster Linie nur um Rechte gehen.
„Mit Schriftsatz vom 16.12.2013 reichte der Antragsteller gegen den ablehnenden Beschluss des Landgerichts Coburg eine Gegenvorstellung sowie eine Anhörungsrüge ein. Diese war erneut als unbegründet zurückzuweisen. Sie erschöpft sich in der gebetsmühlenartigen Wiederholung der bereits bekannten Tatsachen und Argumente des Antragstellers, die zum Teil neben der Sache liegen und keinerlei streitentscheidende Bedeutung haben und bislang nicht zum Erfolg führten. Darüber hinaus beschimpft der Antragsteller die in diesem Verfahren tätigen Sachbearbeiter auf unsachliche Art und Weise. “
Richterin L., Az.: 33T58/13, 11 C 999/10 AG Coburg, 13.02.2014
Ich würde sagen die Mornierung von kollegialer Abdeckerei und Willkür war sachlich korrekt, wie es sich auch aus Vorstehendem selbst ergibt. Neu war in der vorhergehenden Entscheidung die Rechtsansicht des Richter K., der zB. meinte, dass es auf Autobahnen kein Sichtfahrgebot gibt und anderer neuer rechtlicher Blödsinn wie fortlaufend, der alle fortlaufend mit höchstrichterlicher Rechtssprechung widerlegt wurde. Ausserdem wurde ein neuer PKH-Antrag gestellt, weil das AG-Münster in genau der gleichen Rechtssache eine 100% andere Rechtsmeinung vertritt wie die Kollegialjustiz in Coburg, die auch der höchstrichterlichen Rechtssprechung entspricht.
Das es auf Autobahnen ein Sichtfahrgebot gibt wurde mit bestimmt 10 höchstrichterlichen Entscheidungen belegt.
Auf entsprechenden Rechtsvortrag geht Richterin L. unsachlicherweise erst gar nicht ein aufgrund kollegialer Abdeckung der Kollegen nehme ich an? Stattdessen siniert sie unsachlich herum, weil man sich genau über die Unsachlichkeit, die kollegiale Abdeckerei und die Willkür beschwert. Das ist Willkür und das was man als Prolet bekomt und der willkürliche Grund, der diesmal gesucht wurde um den PKH-Antrag eines Proleten abzulehnen.
Ja, bei vielen Richtern muss es sein. „Man kann nicht anders“.
Wahrscheinlich hätte folgende Formulierung ausgereicht (wenn auch vielleicht nicht überzeugt):
„Mit Schriftsatz vom 16.12.2013 reichte der Antragsteller gegen den ablehnenden Beschluss des Landgerichts Coburg eine Gegenvorstellung sowie eine Anhörungsrüge ein. Diese war erneut als unbegründet zurückzuweisen. Sie erschöpft sich in der Wiederholung der bereits bekannten Tatsachen und Argumente des Antragstellers, die bislang auch nicht zum Erfolg führten.“
Zufrieden? 😉
Ich war mal beim Generalstaatsanwalt. Da gab es Leute, die schrieben hunderte von Beschwerden. Ich habe sie alle in der Sache entschieden. Meistens mit den Worten (oder so ähnlich):
«Die Beschwerde ist unbegründet. Auf die bereits ergangenen Entscheidungen wird Bezug genommen.»
Uns schwups, die weiteren Beschwerden blieben fast immer aus. Sehr zum Erstaunen meines damaligen Abteilungsleiters, der gern immer noch ein paar persönliche und ermahnende Worte eingefügt hatte. Ich habe sehr früh gelernt, dass man nicht angreifen kann, was nicht in der Entscheidung steht. Also auf das rechtlich und tatsächlich Notwendigste beschränken, und damit ist meistens Ruhe.
Die Rechte der Menschen kommen erst ganz am Schluss oder gar nicht wie man sieht, denn auch emotionale Ruhe zu haben ist in der Justiz bei vielen Menschen wichtiger und dann kommt halt viel Willkür und die Menschen, die es produzieren feiern sich auch noch dafür und bekommen sicherlich auch noch Lorbeeren und Weinachten Lametta dafür umgehängt, soweit es sich bei Karsten Koch überhaupt um einen Richter handelt.
Für den Staat verbiegen sich die meisten Justizangestellten gerne aber meistens nicht für die Rechte der Bürger.
Mich hat die Entscheidung von Richterin L. natürlich gar nicht überzeugt, weil die ganzen Begründungen auf die Bezug genommen wurden sich auch noch gegenseitig widersprochen haben und eine vorhergehende Entscheidung ihrer auch noch widersprochen hat.
Es ist vielmehr ein richterlicher Geisteszustand, der zu begutachten wäre, wenn man so etwas in einem solchen Fall oder in sicherlich vielen anderen Fällen schreibt.
Am schönsten war es im Fall Marquardt. Wie der Gerichtssprecher erklärte haben insgesamt 21 Richter nacheinander über ihn entschieden und 21 Richter können nicht irren, das ist ausgeschlossen. Die Begründungen waren natürlich auch alle ähnlich und emotional zeitsparend.
Mittlerweile hat ihn der Landesjustizminister begnadigt:
Haseloff begnadigt erstmals verurteilten Mörder, Freitag, 04.07.2014, Focus-online
Der ganze sparende Arbeitsaufwand von 21 Richtern und der Justiz alles vergebens und sinnlos aber Menschenschädigend ohne Ende und dann entscheidet eine einzige Person nach 5 Jahren anders.
Und auch am OLG-Bamberg habe ich es gerade wieder mit solchen Richtern zu tun, die geistig stumpf und zeitsparend nochmals stur auf ihre eigenen Grund- und Menschenrechtsverletzungen verweisen und mit mindestens einem der Richter hatte es Herr Mollath auch zu tun. Da verwundert es nicht.
Jetzt gibts halt mal eine Verfassungsbeschwerde.