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Das Handyverbot wird nicht kippen

Der Schadenfixblog stellt gestern die Frage: Handy am Steuer – das wird teuer..? Oder kippt das Handyverbot bald? und berichtet u.a. über die Entscheidung des AG Gummersbach v. 08.07.2009 – 85 OWi 196/09 über die wir hier auch schon berichtet hatten. M.E. liegt die Antwort auf die Frage auf der Hand. Das Handyverbot wird m.E. nicht kippen.

Das BVerfG hat vor einiger Zeit bereits schon mal eine Verfassungsbeschwerde gegen eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO entschieden und kein Wort zur Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift gesagt.
Zudem hat sich auch das OLG Stuttgart im Beschl. v. 16.08.2008 – 1 Ss 187/08 mit der Frage auseinandergesetzt (vgl. NJW 2008, 3369 = DAR 2008, 654 = VA 2008, 208 = VRR 2008, 471 = NZV 2009, 95) und ausgeführt, dass die Ungleichbehandlung von erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten eine hinzunehmende gesetzgeberische Entscheidung ist.

Im Übrigen habe ich bei dem Beschluss des AG Gummersbach eher den Eindruck, dass sich das BVerfG nicht ganz ernst genommen fühlen und das Handyverbot nicht kippen wird. Eine Missbrauchsgebühr gegen Richtervorlagen gibt es aber nicht :-).

Untreuetatbestand ist verfassungsgemäß – so das BVerfG

Das BVerfG meldet gerade mit einer PM seine Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes des § 266 StGB. Das Verfassungsgericht sieht ihn als bestimmt genug an. In der PM heißt es dazu:

Verfassungsrechtliche Bedenken, die die Weite eines Straftatbestandes bei isolierter Betrachtung auslösen müsste, können durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung entkräftet werden. Die Rechtsprechung ist daher gehalten, verbleibende Unklarheiten über den Anwendungsbereich einer Norm durch Präzisierung und Konkretisierung im Wege der Auslegung nach Möglichkeit auszuräumen (Präzisierungsgebot). Aufgrund des in Art. 103 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden strengen Gesetzesvorbehalts ist die Kontrolldichte des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Rechtsanwendung durch die Fachgerichte im Bereich des materiellen Strafrechts erhöht.
Der Untreuetatbestand ist mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG noch zu vereinbaren. Zwar hat das Regelungskonzept des Gesetzgebers – im Interesse eines wirksamen und umfassenden Vermögensschutzes – zu einer sehr weit gefassten und verhältnismäßig unscharfen Strafvorschrift geführt. § 266 Abs. 1 StGB lässt jedoch das zu schützende Rechtsgut ebenso klar erkennen wie die besonderen Gefahren, vor denen der Gesetzgeber dieses mit Hilfe des Tatbestandes bewahren will. Der Untreuetatbestand lässt eine konkretisierende Auslegung zu, die die Rechtsprechung in langjähriger Praxis umgesetzt und die sich in ihrer tatbestandsbegrenzenden Funktion grundsätzlich als tragfähig erwiesen hat.

Wegen weiterer Einzelheiten hier die vollständige Entscheidung.

In den konkreten Fällen hat Karlsruhe zwei Verfassungsbeschwerden verworfen und einer stattgegeben wegen eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Dazu heißt es in der PM:

„Die Entscheidungen des Landgerichts und des Bundesgerichtshofs verletzen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG, weil sie einen Vermögensschaden angenommen haben, obwohl keine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende, wirtschaftlich nachvollziehbare Feststellungen zu dem Nachteil getroffen wurden, der durch die pflichtwidrige Kreditvergabe der Beschwerdeführer verursacht worden sein könnte. Dass nach der Bewertung des Bundesgerichtshofs die als Vorstandsmitglieder verantwortlichen Beschwerdeführer ein allzu weites Risiko eingegangen sind, indem sie die Kreditgewährung für das Gesamtkonzept pflichtwidrig unter Vernachlässigung anerkannter deutlicher Risiken und Negierung vielfältiger Warnungen fortsetzten, ersetzt nicht die Feststellung eines konkreten Schadens. „

Der juristische Blätterwald wird über diese Entscheidung sicherlich laut rauschen; Studenten und Referendare im Examensstadium werden sich auch mit der Entscheidung vertraut machen müssen.

Halterhaftung auch für den fließenden Verkehr? Ist das noch verfassungsgemäß?

Immer wieder was Neues: Jetzt – nach der Frage: Kommt die Maut? – die Einführung der Halterhaftung für Zuwiderhandlungen im fließenden Straßenverkehr. Unsere Regierung schiebt es natürlich auf die EU und die entsprechende Richtlinie des Europäischen Parlaments. M.E. hat der DAV Recht, wenn er die „Halterhaftung“ wegen Verstoßes gegen den Grundsatz, dass es keine „Strafe ohne Schuld“ geben darf, als verfassungswidrig ansieht. In der Tat besteht die Gefahr, dass es die Einführung zu Entwicklungen führ, bei denen sich die Behörden nicht einmal mehr die Mühe machen würden festzustellen, wer ein Verstoß begangen hat, sondern bevorzugt eben – weil es so einfach ist – den Halter heranziehen. Man muss sich das mal vorstellen: Ich verleihe meinen Pkw und hafte dann für alle OWis, die der Entleiher damit begangen hat. Und wenn es ein Familienangehöriger ist: Habe ich dann ein Zeugnisverweigerungsrecht? Oder schaffen wir das auch gleich ab.

Minder schwerer Fall der besonders schweren Brandstiftung – BVerfG als Gesetzgeber?

Die Kieler Nachrichten melden: Ein Prozess um die Brandstiftung in einem Kinderheim im Kreis Dithmarschen bleibt trotz der Geständnisse der Angeklagten vorerst ohne Urteil. Das Landgericht Itzehoe hat entschieden, den Fall dem BVerfG vorzulegen.  Das soll prüfen, ob § 306b StGB (besonders schwere Brandstiftung) verfassungsgemäß ist. Das LG Kiel hat da Bedenken, weil das StGB dort eine rechtliche Einordnung als «minderschweren Fall» nicht vorsieht.