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Bestellung von BtM via Internet, oder: Auch AG München stellt ein

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Ich hatte ja schon zweimal über Verfahrenseinstellung wegen des Vorwurfs eines Verstoßes gegen das BtMG berichtet, wenn die entsprechende Bestellung vom Beschuldigten über das Internet getätigt worden sein soll (vgl. dazu den AG Iserlohn, Beschl. v. 10.03.2017 – 16 Ds 139/17  und dazu Kauf von Kokain im Darknet, oder: Das kann man im Zweifel nicht nachweisen und den AG Köln, Beschl. v. 19.12.2016 – 543 Ds 437/16 und dazu Handel mit Amphetamin und MDMA aus den Niederlanden, oder: Wer hat bestellt?). Im Nachgang zu dem letzten Posting hat mir der Kollege Grasl aus München dann den AG München, Beschl. v. 17.03.2017 – 1112 Ds 362 Js 230003/15 – übersandt. In dem Verfahren wurde dem Angeschuldigten zur Last gelegt, über das Internet unter der Adresse „ www. Shiny-Flakes-com“ bei einem anderweitig Verfolgten 100 Ecstasy-Ta­bletten bestellt zu haben, um diese dann gewinnbringend zu verkaufen. Das AG hat eingestellt:

„Der Angeschuldigte bestreitet die Tat.

Nach Auffassung des Gerichts reichen die derzeitigen Beweise nicht aus, einen hinreichenden Tatverdacht im Sinne einer Verurteilungswahrscheinlichkeit zu begründen.

Aussagen des anderweitig Verfolgten pp.  gibt es nicht. Die Auswertung der Datei „Bestellun­gen.xlsx“ ergaben 13780 Einzelbestellungen vom 31.12.13 bis 24.2.15. Laut den Ermittlungen wurde die genannte Datei „ händig „ (vgl. BI. 41 d.A.) geführt, sodass „ Fehler, wie beispielsweise bei der (farblichen) Formatierung von Feldern .. nicht gänzlich“ ausgeschlossen werden kön­nen ( vgl. Ermittlungsbericht S. 2 = BI. 41 d.A.). Auch kann nicht aus der Tatsache, dass öfters bestellt wurde von der Zufriedenheit des Kunden in Bezug auf die vorherigen Bestellungen aus­gegangen werden; hier soll der Angeschuldigte am 20.09.2014 eine weitere Bestellung aufgegeben haben (BI. 33) , die offenbar nicht „weiter verfolgt“ wurden.

Aufgrund der Ermittlungen sind auch keine Nachweise über ein „Bitcoin“- Zahlung erfolgreich ge­wesen.

Eine Durchsuchung beim Angeschuldigten führte am 25.02.16 nicht zur Auffindung von Drogen. Verschlusstütchen und eine Feinwaage konnten aufgefunden werden, offenbar aber ohne irgend­welche Anhaftungen.

Auch enthält die Strafliste in Bezug auf den Angeschuldigten keine Eintragung.

Hinsichtlich des weiteren Verdachts des Handeltreibens mit Amphetamin wurde das Verfahren gern. § 154 StPO eingestellt. Bezüglich des anderweitig Verfolgten pp. soll es sich nicht um ein Handeltreiben mit Ecstasy gehandelt haben.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, dass der Angeschuldigte in einem Wohnblock mit über 200 Wohnungen wohnt; gem. dem von der Verteidigung vorgelegtem Lichtbild der „Briefka­stenanlage“ ist zu ersehen, dass in die Briefkästen durch den Schlitz gefasst und theoretisch Post entnommen werden kann.

Die Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung war daher aus tatsächlichen Gründen abzuleh­nen und das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Es kann letztendlich nicht ausgeschlossen wer­den, dass eine andere unbekannte Person die Bestellung aufgebeben haben könnte.

Für mich „amtsgerichtliches Fehlverhalten“, das das LG gesund betet/deckt…..

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In meinem Blogordner haben sich inzwischen wieder einige Entscheidungen zur Pflichtverteidigung angesammelt – allen Kollegen, die mir immer wieder Entscheidungen übersenden, dafür herzlichen Dank. Ich mache daher heute mal wieder einen „Pflichtverteidigungstag“. Den eröffne ich dann mit einer nicht so schönen Entscheidung des LG Oldenburg, nämlich dem LG Oldenburg, Beschl. v. 04.01.2016 – 1 Qs 473/15. Er behandelt die Thematik der nachträglichen Beiordnung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger im Fall/nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO.

Mit Verfügung vom 18.09.2015 hatte das AG dem damaligen Angeschuldigten, der in anderer Sache Freiheitsstrafe verbüßt(e), die Anklageschrift zugestellt. Hierauf meldete sich der Verteidiger und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger. Im Hinblick auf ein anderes Verfahren, in dem eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten erfolgte, stellte das AG sein Verfahren dann am 02.11.2015 auf Antrag der Staatsanwaltschaft gem. § 154 Abs. 2 StPO vorläufig ein und lehnte die Beiordnung ab. Dagegen die Beschwerde des Rechtsanwalts, die beim LG keinen Erfolg hat. Begründung, die man bald singen kann:;

„Eine nachträgliche, gleichsam rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Abschluss des Verfahrens kommt bereits aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. Die Beiordnung nach § 140 StPO erfolgt nicht etwa im Kosteninteresse des Angeklagten oder seines Verteidigers, sondern dient allein dem Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Angeklagte in bestimmten Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Ablauf in einem anhängigen Verfahren gewährleistet ist. Dieser kann jedoch nachträglich nicht mehr beeinflusst werden.

Außerdem würde die nachträgliche Beiordnung die Umwandlung eines bestehenden privatrechtlichen Mandatsverhältnisses in ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis darstellen, obwohl die daraus erwachsenden Pflichten rückwirkend nicht mehr erfüllt werden könnten. Denn eine für den Angeklagten wirkende Tätigkeit des Verteidigers ist nur denkbar, solange das Strafverfahren, für das die Beiordnung erfolgen soll, noch nicht beendet ist. Eine dem Zweck der Pflichtverteidigung entsprechende Tätigkeit scheidet aber notwendigerweise aus, wenn das Verfahren bereits abgeschlossen ist. Daher könnte eine nachträgliche Bestellung ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Verteidiger für ein abgeschlossenes Verfahren einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, dagegen könnte sie eine Verteidigung des Angeklagten nicht mehr gewährleisten (vgl. BGH-NStZ-RR 2009, 348; OLG Bamberg. NJW 2007, 3796, m.w.N.). Da dies auch für den Fall gilt, dass der Antrag bereits vor Abschluss des Verfahrens gestellt worden war (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.07.2014 – Az.: 1 Ws 322/14), vermag auch die auf anderslautende Entscheidungen verweisende Beschwerdebegründung keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.“

Für mich nicht nachvollziehbar, was das LG da (mit)macht. Es wird – in meinen Augen – amtsgerichtliche Willkür, zumindest aber amtsgerichtliches Fehlverhalten – nachträglich gesund gebetet. Denn das AG hätte dem Angeklagten sofort, da er sich in Haft befand, nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO einen Pflichtverteidiger beiordnen müssen. Das tut es nicht, sondern stellt ein und lehnt die Bestellung unter Missachtung des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ab. Und das LG macht das mit und betet nur das nach, was andere (Ober)Gerichtet schon vorgebetet haben. Ärgerlich.

Es geht übrigens auch anders wie der LG Trier, Beschl. v. 02.06.2015 – 5 Qs 34/15 – (vgl. dazu Pflichtverteidiger für den inhaftierten Mandanten auch nach Verfahrenseinstellung) beweist. In Oldenburg aber offenbar nicht, Gott sei Dank aber bei doch einer ganzen Reihe anderer LG. Wer Munition braucht, kann sich melden oder liest im Handbuch, Ermittlungsverfahren nach.