Neue Medien und neue Kommunikationsformen führen zu neuen rechtlichen Problemen. Das kann man immer wieder feststellen und das beweist der OLG Karlsruhe, Beschl. v. 29.03.2016 – 1(3)Ss 163/15-AK51/15. Das hatte über ein landgerichtliche Urteil zu entscheiden, das einen Angeklagten wegen „Zugänglichmachung pornografischer Darstellungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“ (§ 184d StGB) verurteilt hatte. Der Angeklagte hatte sich als Gast mittels seines Computers über Internet in einem sozialen Netzwerk „C“ und dort in einem Chatroom eingeloggt, dessen Besonderheit darin bestand, dass sich die darin „chattenden“ Mitglieder und Gäste über ihre Webcam anderen Nutzern visuell zeigen konnten, wenn diese ebenfalls eingeschaltet waren und mit dem anderen Teilnehmer, dessen Anwesenheit am Bildschirm angezeigt wurde, ebenfalls im Wege einer Live-Stream-Übertragung in Kontakt treten wollten. Als der Angeklagte die Übertragung durch seine Webcam für die anderen Nutzer aktivierte, waren etwa 18 weitere User in dem Chatroom anwesend, unter anderem auch Frau V., welche vom Betreiber des Netzwerkes als Moderatorin mit der Prüfung beauftragt war, ob in dem Chat verbotene oder anstößige Inhalte verbreitet wurden. Der Angeklagte entblößte sich und onanierte, während seine webcam auf seine Oberschenkel, sein Geschlechtsteil und seinen Oberkörper ausgerichtet war. Mindestens ein anderer Chatroom-Teilnehmer verfolgte diese Aktion und beschwerte sich bei der Moderatorin welche den Betreiber aufmerksam machte, der die Übertragung nach eigener Anmeldung und Überprüfung sofort unterbrach.
Das OLG sagt: (Wohl) kein Zugänglichmachung pornografischer Darstellungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste“ i.S. des § 184d StGB, denn:
„Soweit es die vom Landgericht Z. erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen Verbreitung pornografischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste nach § 184 d StGB betrifft, hat sich die Strafkammer nicht mit der Frage befasst, ob der Angeklagte überhaupt als tauglicher Täter dieses Delikts in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wird nach §§ 184 bis 184 c StGB nämlich nur bestraft, wer eine pornografische Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet (§ 184 d Satz 1 StGB). Bereits der gesetzliche Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass als Täter dieses Delikts nur der für die Sendung Verantwortliche in Betracht kommt, im Hinblick auf Rundfunksendungen vor allem der Programmdirektor und der Redakteur, nicht aber die lediglich mit der technischen Ausführung betreuten Personen wie etwa der Kameramann. Gleiches gilt für Übertragungen im Internet. Insoweit kommt nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift als Täter vor allem für die Ausstrahlung der Sendung verantwortliche Anbieter des Dienstes in Betracht, nicht aber Personen mit lediglich mittelbarem Bezug wie Autoren, Produzenten und Regisseure (vgl. MüKo-Hörnle, 1. Auflage 2012, § 184 d Rn. 9 m.w.N.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB , 29. Auflage 2014, § 184 d Rn. 8). Dies gilt nach Ansicht des Senats vorliegend auch für den Angeklagten als einfachen Nutzer des Internet-Chatrooms, der aufgrund seiner Stellung nicht in der Lage war, auf die Dauer und die Modalitäten der Internet-Ausstrahlung im Sinne einer Tatherrschaft in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen, vielmehr oblag diese Kontrolle vollumfänglich dem Betreiber des Netzwerkes bzw. allenfalls der von diesem eigens eingesetzten Moderatorin. Da diese Personen mit der pornografischen Handlung des Angeklagten nicht einverstanden waren und ihn sogleich vom Netz nahmen, scheidet auch eine Ahndung unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe aus.“
Näher liegt für das OLG eine Strafbarkeit nach § 183a StGB wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses durch öffentliche sexuelle Handlungen. Insoweit bejaht es die „Öffentlichkeit“, weil die Teilnehmer des Chats keine geschlossene Gruppe bildeten. Das Problem liegt dann beim Vorsatz, ob nämlich der Angeklagte tatsächlich ein „Ärgernis“ verursachen wollte. Das darf das LG dann noch einmal prüfen.